Süddeutsche Zeitung

Neue Show auf Pro Sieben:Unverschämt

Oliver Polaks Late Night hat Potenzial - auch wenn er bei der Premiere neun Gäste verschleißt und nur zwischen den Talks eine coole Sau ist.

Von Bernd Graff

Doch! Die Talkshow hatte ihre Momente. Und das Format von Applaus und Raus hat Potenzial. Auch wenn Moderator und Comedian Oliver Polak es am Montagabend nicht abrufen konnte. Noch nicht, behaupten wir jetzt mal frohen Mutes.

Das Ambiente des neuen Late-Night-Talks auf Pro Sieben ist super. Die breite, nahezu leere Bühne, vor der sich viele verhaltensbegeisterte Studiogäste versammelten, gibt nach hinten den Blick auf eine S-Bahn-Linie frei und lässt den Zuschauer am nächtlichen Takt des öffentlichen Personennahverkehrs in München teilhaben. Unterstrichen wird das Kleinkunst-Arrangement dadurch, dass Polak seine Talk-Gäste einzeln aus einer ums Eck liegenden Schankstätte auf die Bühne bittet.

Polak, so will es das Format, weiß nicht, wer als Nächstes kommt, ob er den Gast kennt und wie lange er ihn dann auf der Bühne duldet. Denn wichtigstes Bühnendekor - neben dem Bodyguard Smiley, der zumeist reglos wie ein Schirmständer neben Polaks Schreibtisch wacht - ist ein Buzzer, den Polak betätigt, wenn ihm ein Gast zu langweilig geworden ist. Der Gast muss dann sofort die Bühne räumen, der nächste wird gerufen. So ist mit jedem neuen Gesicht für dreifache Überraschung gesorgt: Wer kommt, worüber wird geredet, wann fliegt der Gast? Das verspricht Spannung, vor allem, weil Polak über genügend Unverschämtheit verfügt, auch einen bekannten Gesprächspartner bald wegzuzappen. Hier traf es etwa den Interneträcher aller zu Unrecht Gedissten, Sascha Lobo, als er zu seiner podiumsüblichen Suada gegen den schlimmen Internet-Hass ausholen wollte. Auch Oliver Pocher (Foto), der Erstgast, musste schnell gehen, was allerdings - und hier zeigen sich die strapaziösen Schwächen dieser Premiere - eher der verunglückten, strategielosen Gesprächsführung Polaks zuzuschreiben ist als dem Versagen des solide blödelnden Pocher.

Polak surft auf dem Comedy-Ticket des schamlosen Aufdeckers falscher Verdruckstheit. Sein Fuck-you-Trainingsanzug-Outfit zeigte schon formal an, dass dem sich ausdrücklich als Stefan-Raab-Nachfolger gerierenden Comedian ("Raab ist tot. Ich mach das jetzt") alle Formalitäten der Correctness ziemlich wumpe sind.

Nur zwischen den Gesprächen ist Oliver Polak eine coole Sau

Erste Frage an Pocher: "Wen bumst du gerade?" Später, im Gespräch mit seiner eigenen Mutter, folgten Dönekes aus glücklicheren Masturbationszeiten. Neun Gäste verschliss Polak auf die Weise eher rückstandslos. Das wäre zu verkraften, wenn Polak sich auch in den spontan entstehenden Gesprächen als die schlagfertige, coole Sau erweisen würde, als die er in den Stand-up-Phasen vor und zwischen seinen Gästen daherkommt. Ein durchgehender Gesprächsfaden, die Frechheit vielleicht, ein Thema auch über mehrere Gäste hinweg durchzuhalten, würde Freude machen, statt des Abbruchs und der anschließend neu gestellten Eingangsfrage: "Und wer bist du?" Der Talk mit der Marsforscherin versuppte so in Ehrfurcht, das Gespräch mit der Autorin Stokowski über sexuelle Freiheit endete in einem WG-Küchen-Gezänk, das nur ein gnädiger Buzzer beenden konnte, aber keine Pointe.

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Quelle:
SZ vom 26.10.2016
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