Süddeutsche Zeitung

Neue Serie bei Pro Sieben:Supergirl hat Komplexe

"Supergirl" - eine Serie über die Cousine von Clark Kent - ist kitschiges Freundinnen-Fernsehen. Das Erstaunliche: Es funktioniert.

TV-Kritik von Benedikt Frank

Kara entschuldigt sich, wenn sie auf dem Gehweg angerempelt wird. Ihr grauer Pullover betont nichts außer ihrer Unscheinbarkeit. Sie ist die persönliche Assistentin von Cat Grant, der Medienmogulin von National City. Karas Namen merkt sich die Chefin nicht. Ihr Date verlangt heimlich nach der Rechnung und der Nummer der Kellnerin. Kara weiß das, weil sie ihn mit ihrem übermenschlichen Gehör belauscht.

Sie hat die gleichen Kräfte wie Superman, denn sie ist seine Cousine. Eine hanebüchene Science Fiction-Vorgeschichte sorgt dafür, dass Kara als die ältere der beiden vom sterbenden Planeten Krypton aufbricht, aber als jüngere auf der Erde ankommt. Kara wird so um ihre Aufgabe als Beschützerin des Cousins betrogen, der schon längst Berufsheld ist, als sie noch heranwächst.

Doch nicht nur Alter und Geschlecht unterscheidet die Verwandten. Supermans Tarnidentität als Reporter Clark Kent ist nur Mimikry. Kara dagegen spielt das tollpatschige Mädchen nicht nur, das sich selbst wenig zutraut und gelernt hat, als unterzuordnen. Sie ist es wirklich. Erst als sie ihre Adoptivschwester Alex davor bewahren muss, mit dem Flugzeug abzustürzen, wird sie zu Supergirl, der Hauptfigur der gleichnamigen 18-teiligen Serie.

Ihre Kräfte einzusetzen habe sich angefühlt wie der Moment vor dem ersten Kuss, schwärmt Kara später, kichert und quietscht aufgeregt, als erzählte sie von einem Rendezvous. Melissa Benoist (Glee) spielt ihre Rolle plakativ mädchenhaft. Die typische düstere Action von Superheldenfilmen rutscht in Supergirl in den Hintergrund. Zwar verprügelt Kara trotzdem Monster im Wochentakt, doch die gefährlichsten Schurken des Universums oder Geschäftsmann Maxwell Lord, eine zwielichtige Comicversion des realen Investors Elon Musk, wirken wie austauschbare Ablenkungen vom Kern der Sache: Supergirls Coming-of-age-Geschichte.

Karas Chefin ist ihr dabei eine Mentorin. Der früheren Ally McBeal-Hauptdarstellerin Calista Flockhart gelingt es, Cat Grant sogar noch etwas hochnäsiger darzustellen als die augenscheinliche Vorlage, Miranda Priestly aus Der Teufel trägt Prada. Grants Selbstbewusstsein verhält sich genau umgekehrt zu dem von Kara. Als diese ihre Chefin fragt, warum sie Supermans weibliches Pendant nicht Superwoman getauft habe, antwortet diese, sie sei doch selbst ein Mädchen und außerdem Chefin und mächtig und reich und heiß und klug - nicht weniger als großartig also, und wer das anders sehe, sei selbst das Problem.

Zur autonomen Heldin wird Supergirl trotz solcher Girl-Power-Sätze nicht. Freunde, Soldaten einer geheimen Spezialeinheit und auch Superman stehen stets hinter ihr. Die Serie bedient sich vieler Klischees, doch sie ist auch von einer Herzlichkeit erfüllt, die das Genre sonst nicht an sich heranlässt. Die überstrapazierte Formel des Superhelden, der erst im Kampf ein echter Kerl wird, übersetzt Supergirl in selbstbewusst kitschiges Freundinnen-Fernsehen. So seltsam das klingt: Es funktioniert.

Supergirl, Pro Sieben, 22.10 Uhr.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2906348
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 15.03.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.