Süddeutsche Zeitung

Neue LA-Serie "Mob City":Willkommen im Mafia-Morast

Lesezeit: 3 min

Los Angeles 1947: Das organisierte Verbrechen kontrolliert Unter- und Halbwelt, die Polizei ist ein Schlägertrupp in Uniform . "Mob City" übersetzt den Film Noir in eine Fernsehserie - am Ende wirkt die Stadt hyperreal wie ein Hopper-Gemälde.

Von Michael Moorstedt

Kommt ein Mann in eine Bar. So haben früher Witze begonnen. Heute sind es ganze Serien, Geschichten, die sich über viele Stunden und Hunderte Drehbuchseiten hinweg ziehen. Joe Teague (Jon Bernthal) also heißt unser Mann, der da am Tresen von Bunny's Jungle Platz nimmt. Er ist schweigsam, breitschultrig und quadratkinnig und außerdem ist er noch Detective der Polizei von Los Angeles. Ein Streichholzbriefchen hat ihn hierher, in die beliebteste Kaschemme des L.A. des Jahres 1947 geführt.

Der Mann, der auf der Bühne gerade noch schmierige Witze klopft, wird Teague schon bald einen Nebenjob als Leibwächter in einem undurchsichtigen Erpressungsplan anbieten. Auf den Ölfeldern vor der Stadt kommt es zum Austausch belastender Fotos, und schon befindet man sich mitten in einer veritablen Verschwörung, die sich, wie sollte es auch anders sein, in die jeweiligen Hauptquartiere von Polizei und Mafia verstrickt.

Teague ist der Inbegriff des Hardboiled-Detectives, und auch die Gestalten, die mit ihm Los Angeles bevölkern, sind alte Bekannte des Film Noir. Die Stadt ist ein Schmelztiegel - Mafia-Morast trifft auf die Lust auf Leben und Luxus nach dem Zweiten Weltkrieg, die heimgekehrten Soldaten erhoffen sich ein bisschen privates Glück. Die Kosher Nostra rund um Berühmtheiten des organisierten Verbrechens wie Mickey Cohen (Jeremy Luke) und Bugsy Siegel (Edward Burns) dominiert die Unter- und Halbwelt, die Beamten des LAPD sind nicht viel mehr als ein Schlägertrupp in Uniform.

Aus jedem Gully dampft das Unrecht

Jedes Streichholzbriefchen ist eine potenzielle Spur, als Soundtrack tönt ziemlich lasziver Jazz, und natürlich sind die wenigen Frauen, die sich hier herumtreiben, mindestens ebenso schön und zugleich gefährlich wie das Mafia-Liebchen Jasmine Fountaine (Alexa Davalos). So gut wie jeder hier hat Dreck am Stecken, aus jedem Gully dampft das Unrecht. Und über all dem schwebt die Stimme von Joe Teague - so wie es sich für einen anständigen Film Noir gehört - aus dem Off. Abgespannt und wegen der Schlechtigkeit der Welt daseinsmüde erzählt er von dort seine Sicht der Dinge.

Man kennt diese Versatzstücke. Aber ein gutes Setting ist eben nie auserzählt, vor allem wenn dann noch das entsprechende Personal hinzukommt. Serienmacher Frank Darabont hat das Neo-Noir-Epos für den US-Paysender TNT als sechsteilige Miniserie mit jeweils einstündigen Folgen konzipiert. Darabont genießt in der Szene einen guten Ruf, zuletzt hat er das Untoten-Melodram The Walking Dead als Serie adaptiert. Mit Hauptdarsteller Bernthal und mit Jeffrey DeMunn, der den Chef der Anti-Mafia-Sonderkommission Hal Morrison gibt, hat er gleich ein paar Schauspieler von der alten Wirkungsstätte mitgenommen. Auch sonst hat Mob City sehr viel Talent im Angebot: Produzent Elliot Webb etwa realisierte mit Alpha House erst vor Kurzem den Start des Onlinehändlers Amazon ins Seriengeschäft.

Kein Gefallen getan

Trotz allem haben sich die Macher mit der Wahl des Hintergrunds keinen Gefallen getan. Denn Mob City betritt nicht wie Mad Men oder Breaking Bad narratives Neuland. Wer könnte schon die Lebenswelt eines drogendealenden Highschool-Lehrers aus Albuquerque beschreiben? Mit dem Los Angeles der späten 1940er- Jahre sieht das schon ganz anders aus. Von dieser Stadt in dieser Zeit existieren zu viele Stereotypen im Kopf des Publikums. Angefangen mit Raymond Chandler und Dashiel Hammet geht die Reihe der fixsternhaften Vorbilder bis hin zur grandiosen Verfilmung von James Ellroys L.A. Confidential.

Darabonts Ensemble versucht deshalb gar nicht erst, in Konkurrenz mit diesen Vorbildern zu treten. Obwohl das Mafia-Standardwerk L.A. Noir als Basis der Serie dient, setzt man eher auf Überhöhung als auf historische Korrektheit. In Wahrheit, so stellt sich schnell heraus, ist Mob City eine Kostümorgie. Und so sind die wunderschön rekonstruierten Kulissen die wahren Stars. Das Licht der Neonröhren, die leisen, regennassen Straßen, die strammen Limousinen, die Fedora-Hüte, blank gewienerte Schuhe und die immer genau im richtigen Maße zerknitterten Anzüge. Sie lassen Mob City beinahe ähnlich hyperreal wirken wie ein Edward-Hopper-Gemälde.

Mob City , TNT Serie, von 29.12. an, 20.15 Uhr.

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SZ vom 27.12.2013
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