Neue Frauenzeitschrift "Frei!":Dessert-Rezepte und der schönste Tierarzt der Welt

Zeitschrift 'frei!'

In der ersten Ausgabe von "Frei!" ist Maria Furtwängler die Botschafterin der guten Nachrichten.

(Foto: dpa)

In der neuen Frauenzeitschrift von Gruner + Jahr gibt es vor allem gute Nachrichten. Heißt konkret: In "Frei!" werden die Verschütteten aus der Lawine gerettet.

Von Katharina Riehl

Bei der neuen Konkurrenz des Verlagshauses Gruner + Jahr ist in dieser Woche mal wieder ordentlich was los gewesen. Frau mit Herz wusste von einer nächtlichen Fahrt ins Krankenhaus der schwangeren Schweden-Prinzessin Victoria ("Frühgeburt?"), Echo der Frau von einer Krise zwischen Prinzessin Kate und Schwester Pippa, weil diese offenbar drauf und dran ist, die royale Familienehre an einen Mann mit dubioser Verwandtschaft zu verraten ("Ihre Schwester zerstört ihr Glück"). Und Freizeit-Spaß titelte: "Sylvie Meis: Neuer Rosenkrieg! Nimmt Rafael ihr jetzt den Sohn weg?".

Diese kleine Vorabrecherche ist wichtig, wenn man diese Woche in Hamburg in die Henri-Nannen-Lounge gebeten wird, um auf einer braunen Ledercouch mit Blick auf den Hafen durch die pastellfarbene Zukunft von Gruner + Jahr zu blättern. Interpretationshilfe bekommt man von Philipp Jessen, Chefredakteur des Portals Stern.de, und von Annette Utermark, ehemals Chefreporterin bei Gala, die jetzt gemeinsam mit View-Chef Hans-Peter Junker einen für den Verlag völlig neuen Markt erschließen sollen: den der wöchentlichen Frauenzeitschriften. Ihr Magazin Frei! erscheint an diesem Freitag zum ersten Mal.

Schwer solide Auflagen

Der Launch von Frei! ist eine der interessantesten Verlagsgeschichten der vergangenen Monate, und man muss ein bisschen ausholen, um zu erklären, warum. G + J betreibt zwar seit mehr als sechs Jahrzehnten eines der erfolgreichsten Frauenmagazine des Landes, die Brigitte, der Verlag hat erst im Herbst Barbara auf den Markt geworfen, ein hübsches neues Heft von und mit Barbara Schöneberger.

Und Gala ist der Hamburger Beitrag zur Welt der People-Magazine (Bunte, People), in denen die Sorgen und Nöte nationaler und internationaler Prominenter mehr oder weniger liebevoll begleitet werden. Diese Hefte werden zwar sicherlich auch großteils von Frauen gelesen, kommen thematisch aber ohne Back- und Schönheitstipps aus.

Die wöchentlichen Frauenmagazine aber sind etwas völlig anderes, das ist ein Markt mit trotz aller grundsätzlichen Sorgen der Printbrache noch immer schwer soliden Auflagen (Bild der Frau etwa verkauft jede Woche 775 000 Hefte), mit fast 40 Titeln, die einer "sehr printaffinen Zielgruppe" (Jessen) für wenig Geld jede Woche obskure Geschichten aus der Adelswelt mit etwas Lebenshilfe an Rezepten und Rätselseiten anrichten.

Es ist keine Häme, sondern eine Tatsache, wenn man sagt, dass diese Zeitschriften äußerst anspruchslose Unterhaltung bieten. Bislang war dieses Fach im Zeitschriftenregal fest in der Hand des Bauer-Verlags, der Burda-Dependance in Offenburg, der Funke-Gruppe und des Klambt-Verlags.

"Da sehen wir eine Marktlücke"

Und damit zurück zu Gruner + Jahr, dem Haus von Stern, Geo und Brigitte, in die Henri-Nannen-Lounge, wo man diesen neu für sich entdeckten Markt nicht schönredet, aber ihn mit Frei! selbstverständlich aufwerten möchte. Philipp Jessen sagt: "Die Titel in diesem Segment sind teilweise journalistisch und haptisch unterkomplex, da sehen wir eine Marktlücke."

Der größte Unterschied, der sofort auffällt, ist das Layout von Frei!, dem man anmerkt, dass die Art-Direktorin des Heftes früher mal bei Neon war. Während Frau mit Herz oder Freizeit Spaß immer ein bisschen so aussehen wie die Straßen von Köln nach Karneval, bringt Frei! jetzt also den Weißraum in die Welt der wöchentlichen Frauenmagazine. Philipp Jessen sagt: "Unser Ziel war es, den Fans von Fast Food eine bessere Variante eines Burgers anzubieten, den Bio-Burger sozusagen."

Die Herausforderung dabei sei natürlich, dass es man am Ende nicht so überdreht, dass ein Salat mit Pinienkernen dabei herauskomme, so Jessen - weshalb die Inhalte zwischen den Weißräumen eben dann doch genau das bieten, was diese Hefte eben so bieten: Dessert-Rezepte, Beauty-Tipps für daheim und den schönsten Tierarzt der Welt. Alles super bodenständig, alle Klamotten bezahlbar, "immer nach dem Motto: kleiner Aufwand, große Wirkung". Ein Motto, das dem Verlag auch grundsätzlich gut gefallen dürfte.

Die Botschaft: Alles wird gut

Philipp Jessen und seine Redaktionsleiterin Annette Utermark sagen, dass ihr Heft sich auch dadurch von der Konkurrenz unterscheide, dass über die Menschen im Heft positive Geschichten erzählt werden, "Constructive News". Heißt konkret: In Frei! werden die Verschütteten aus der Lawine gerettet. "Frei! ist offen und positiv", so Jessen. Botschaft: "Alles wird gut."

Experimente statt Chaos

Die Parole von den gefälligst guten Nachrichten gilt natürlich nicht nur für die Geschichten in Frei!, es gilt auch für die Geschichte von Frei!. G + J strengt sich an, positive Neuigkeiten aus dem Verlag zu erzeugen, mehr Geschichten vom mutigen Experiment (wie dem erfolgreichen Launch von Barbara), statt vom Chaos, von denen es zuletzt einige mehr gab.

Beim Stern wurde 2014 Chefredakteur Dominik Wichmann entlassen, Gala-Chef Christian Krug übernahm. Seine Nachfolgerin Anne Meyer-Minnemann wird seit Kurzem von Stern-Herausgeber Andreas Petzold betreut: um ihr beim Relaunch beizustehen, so der Verlag zu Kress. Möglich, aufgefallen ist die Gala zuletzt aber mit journalistischen Flops wie der Story über einen topfitten David Bowie, der wenige Tage später starb.

Bei Neon, dem jungen Heft des Verlags, weigerten sich im Herbst 2013 die Chefredakteure, den Umzug der Redaktion von München nach Hamburg mitzumachen, 2015 entließ man ziemlich unerwartet ihren Nachfolger Oliver Stolle, um Nicole Zepter (The Germans) zur neuen Chefredakteurin zu machen, die - traut man dem Hamburger Flurfunk - ihrerseits schon wieder ziemlich umstritten sein soll; die Neon-Auflage ist im freien Fall.

Und natürlich noch die Geschichte von der 2014 ziemlich komplett entlassenen Textredaktion bei Brigitte, die in der aktuell teils sehr öffentlich geführten Debatte über den Umgang mit Scheinselbstständigkeit gern noch einmal nacherzählt wird.

"Gender ist bei uns im Verlag wirklich kein Thema"

Zeit also für gute Nachrichten, weshalb nun eben Philipp Jessen und Hans-Peter Junker beauftragte, den Markt der wöchentlichen Frauenmagazine zu analysieren und zu sehen, ob für Gruner + Jahr da vielleicht was zu holen sein könnte. Zu den guten Nachrichten über Frei! gehört auch, dass für den Titel eine eigenständige Redaktion fest angestellt wurde, mit befristeten Verträgen zwar, aber immerhin. Die letzten Neugründungen des Verlags zeichnen sich dadurch aus, dass sie quasi ohne zusätzlichen Personalaufwand von anderen Redaktionen mitgemacht werden.

Das gilt bei Frei! nur für die beiden Chefs von Stern.de und View, auf dem Foto der Redaktion in Heft 1 sitzen die einzigen beiden Herren in einem Halbkreis aus Frauen. Annette Utermark, die beim Gespräch im Henri-Nannen-Salon eher selten zu Wort kommt, sagt: "Gender ist bei uns im Verlag wirklich kein Thema, wir arbeiten sehr kollegial zusammen." Das mag sein, aber ganz wahr ist es vermutlich auch nicht, sonst würde die Dame aus der Presseabteilung Utermarks etwas schräge Rolle als Redaktionsleiterin unter den beiden Nebenjob-Chefredakteuren nicht schon vorab am Telefon mit dem mehrmaligen Hinweis aufhübschen, dass sie das Editorial schreibe.

In der ersten Ausgabe von Frei!, von der 900 000 Exemplare verschenkt werden, ist Maria Furtwängler die Botschafterin der guten Nachrichten ("Verliebt in mein Leben"), was insofern lustig ist, als Frau Furtwänglers Leben ja nicht unbedeutend mit dem Burda-Verlag zu tun hat, dem Frei! jetzt Konkurrenz macht. Von kommender Woche an werden 500 000 Stück für 1,90 Euro verkauft. Im Regal-Vergleich ist das ziemlich teuer. Aber es ist ja auch bio.

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