Neue Ermittlungen im Abhörskandal:Wer hat Angst vor Rupert Murdoch?

Offene Fragen und neue Ermittlungen: Der britische Abgeordnete Tom Watson bemüht sich um weitere Aufklärung im britischen Abhörskandal. Der Medienkonzern News International muss 20 Millionen Pfund Entschädigung an die Opfer zahlen - und Rupert Murdoch verliert immer mehr den Rückhalt in seinem Unternehmen.

Christian Zaschke

Nachdem Tom Watson seine Tasche gepackt, Dollars ins Portemonnaie gefüllt und seinen Pass eingesteckt hatte, schrieb er auf Twitter: "Tasche gepackt. Dollars im Portemonnaie. Pass eingesteckt. Hollywood, ich bin unterwegs!" Doch der britische Labour-Politiker Watson hat sich nicht auf den Weg nach Los Angeles gemacht, um eine Rolle in einem Film anzunehmen - er mag in den vergangenen Monaten in Großbritannien bekannt geworden sein, in den USA kennt ihn jedoch kaum ein Mensch. Watson hat sich auf die Reise über den Atlantik begeben, um dem Medienunternehmer Rupert Murdoch richtig auf die Nerven zu gehen. Wieder einmal.

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Es ist nicht leicht, dem Medienunternehmer Murdoch auf die Nerven zu gehen - und es gibt nicht viele Politiker, die den Mut dazu haben.

(Foto: AFP)

Es ist nicht leicht, Murdoch auf die Nerven zu gehen. Als Chef eines Milliardenunternehmens sucht er sich seine Gesprächspartner aus. Aber wenn sich eine Gelegenheit ergibt, ist Watson an vorderster Front dabei. Als Rupert Murdoch und sein Sohn James sich im Sommer in London wegen des Abhörskandals um ihre inzwischen eingestellte Tageszeitung News of the World vor dem Kultur- und Medienausschuss des britischen Unterhauses verantworten mussten, war es Watson, der die unangenehmem Fragen stellte.

Er ist einer der wenigen Politiker, der keine Angst vor den Murdochs hat, die in Großbritannien seit langem engste Kontakte zur jeweiligen Regierung pflegen. Kürzlich sagte Watson auf dem Parteitag der Labour-Partei, Murdochs Unternehmen News Corp sei "durch und durch krank". An diesem Freitag hatte News Corp zur Aktionärsversammlung geladen, eine Gelegenheit, die sich Watson nicht entgehen ließ. Als Stellvertreter ohne Stimmrecht hatte er sich Zugang zu der Veranstaltung in Los Angeles verschafft. Warum?

Verstrickung von Medien, Polizei und Politik

"Ich möchte den Investoren klarmachen, dass News Corp das Schlimmste noch längst nicht überstanden hat und dass Murdoch noch viele Fragen beantworten muss." Im Großbritannien unterhält Murdoch den Fernsehsender Sky und über die Tochterfirma News International mehrere Zeitungen, darunter die Sun, die Times und die Sunday Times.

Mitarbeiter seines eingestelltes Blattes News of the World hatten jahrelang Hunderte Telefone gehackt, um an Informationen für Geschichten zu kommen. Unter anderem hackten sie 2002 das Telefon eines entführten Mädchens, das später tot aufgefunden wurde - nach neusten Recherchen des Independent wusste die Polizei das bereits unmittelbar nach der Aktion, es wurde jedoch niemand belangt. Eine neue Ermittlung soll nun klären, warum die damaligen Ermittlungen zu nichts führten.

Seit wenigen Wochen beschäftigt sich in Großbritannien zudem eine Untersuchungskommission mit dem Skandal, die alle Aspekte durchleuchten und in einem Jahr Ergebnisse vorlegen soll. Dabei wird es auch um die Verstrickung von Medien, Polizei und Politik gehen. Zu Beginn der Untersuchung ließ sich der Vorsitzende, Lord Justice Leveson, erst einmal erklären, wie der Boulevardjournalismus funktioniert.

Es droht auch Ärger in den USA

Die Aktionäre von News Corp sehen all diese Ermittlungen mit Unbehagen; und da Murdoch-Leute wohl auch Telefone von Angehörigen von Opfern der Anschläge des 11. September gehackt haben könnten, droht auch in den USA Ärger, möglicherweise verbunden mit immens teuren Gerichtsverfahren.

Experten schätzen, dass mindestens 20 Prozent der Aktionäre nicht mehr aufseiten Murdochs stehen und die Familie um den 80 Jahre alten Senior aus dem Vorstand des Unternehmens wählen wollen. Das wiederum ist de facto kaum möglich. Die Murdochs halten 40 Prozent aller Anteile mit Stimmrecht; weitere sieben Prozent hält ein saudischer Investor, der auf Murdochs Seite steht.

Hatte Murdoch vor dem Ausschuss in London noch gesagt, dies sei "der Tag seiner größten Demut", hat er zuletzt wieder andere Töne angeschlagen. Wie der Guardian berichtet, hatte Murdoch kürzlich moniert, dass seine Kritiker sich in "unverhältnismäßiger Weise auf die News-of-the-World-Angelegenheit" konzentrierten. Das sei "fehlgeleitet".

Der Konzern mehrt die Gewinne

Was die Finanzen angeht, hatte er den Aktionären gute Nachrichten zu überbringen. Aufs Jahr gesehen haben die Aktien von News Corp laut New York Times rund 14 Prozent gewonnen, auch der Gewinn ist gestiegen, auf rund fünf Milliarden Dollar (3,6 Milliarden Euro), was laut Guardian am Erfolg des Animationsfilms Rio und am Wachstum der amerikanischen Fernsehsender im Firmenbesitz liegt, darunter Fox News.

In Anbetracht dieser Zahlen fallen die geplanten Kompensationszahlungen von rund 20 Millionen Pfund (23 Millionen Euro) an Opfer des britischen Abhörskandals nicht weiter ins Gewicht. Was das Zeitungsgeschäft angeht, macht News Corp weiterhin Verlust, zumindest mit den seriösen Titeln. Zwar konnten die Times und die Sunday Times ihren Jahresverlust von knapp 88 auf rund 45 Millionen Pfund senken, dennoch wird News International weitere Stellen abbauen, wie in dieser Woche bekannt wurde. Bei der Times sollen 100 von 700 Redakteuren gehen; das erfuhren die Mitarbeiter am Donnerstagnachmittag. Bei der Sunday Times müssen 20 Redakteure gehen, insgesamt soll die Belegschaft um 30 Prozent gekürzt werden.

Diese Botschaft wird den Aktionären in Los Angeles eher Freude bereiten, weil sie bedeutet, dass der Konzern seine Gewinne mehrt - wenn auch auf Kosten zweier der wenigen seriösen Blätter in Murdochs Besitz. Befrieden kann der Chef seine Gegner auf diese Weise nicht. Denn solange es Männer wie Tom Watson gibt, die unermüdlich bohren und ihre Stimme erheben, werden die illegalen Aktivitäten des Konzerns nicht in Vergessenheit geraten. Und das ist langfristig schlecht fürs Geschäft.

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