Netzwerk Recherche lässt Rechtspopulisten Rede halten:An der rechten Seitenlinie
Lesezeit: 6 Min.
Der Schweizer Rechtspopulist Büchel hält bei der Jahrestagung von Netzwerk Recherche die wichtigste Rede und diskutiert anschließend mit Bayern-Präsident Hoeneß. Die Macher wussten, dass Büchel zur rechten SVP gehört. Doch das hielt sie nicht ab, ihm eine Bühne zu bieten - ausgerechnet auf einer Veranstaltung, die auch den Umgang der Medien mit rechtem Gedankengut zum Thema machte.
Samuel Acker
Sport und der rechte Rand - die zwei großen Themen auf der Jahreskonferenz des Journalistenvereins Netzwerk Recherche, die am Wochenende in Hamburg stattfand. "Recherchen im Doping-Sumpf" oder "Die Rechten und Aufrechten", so Titel der Vorträge.
Durch eine Rede wurden die Themen dann auf wenig rühmliche Weise verknüpft: Ex-Fifa-Mitarbeiter Roland Rino Büchel durfte den Weltfußballverband als "Informationsblockierer des Jahres" auszeichnen, die wichtigste Laudatio der Konferenz. Doch Büchel ist nicht nur Sportfreund, sondern auch Nationalrat für die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP). Und als solcher tätigt er Aussagen, die auf dem politischen Fußballfeld an der rechten Seitenlinie liegen.
Zur Erinnerung: Die SVP, für die Büchel für den Kanton St. Gallen im Schweizer Parlament sitzt, ist eine nationalkonservative Partei, die immer wieder mit rechtspopulistischen Aussagen und ausländerfeindlichen Aktionen auf sich aufmerksam macht. Mit Plakaten, auf denen weiße Schafe ein schwarzes Schaf von einer Schweizer Fahne kicken, hatte die Partei einst für eine verstärkte Abschiebung von Ausländern geworben. Das Plakat für die "Ausschaffung krimineller Ausländer" gefiel der NPD so gut, dass sie es direkt kopierte. Büchel übernimmt die Sprache selbst und verschärft sie sogar: Er beklagt gerne, dass "eingebürgerte Schwerverbrecher nicht ausgeschafft werden können". Wohlgemerkt: Büchel redet von Schweizer Staatsbürgern.
Damit liegt er auf der xenophoben Parteilinie. 2009 hatte sich die SVP für ein Verbot von Minaretten im Staat der Eidgenossen ausgesprochen und dazu ebenfalls ein Plakat entworfen: Aus einer Schweizer Fahne ragen Minarette wie Speerspitzen in die Luft, eine Frau in Burka schaut dazu bedrohlich. Das wirkte - die Eidgenossen stimmten am Ende für die Initiative "Gegen den Bau von Minaretten".
Ähnlich schüren auch die deutsche Rechte und die österreichische Außenrechts-Partei FPÖ die Angst davor, dass das Abendland von Türken, Arabern und anderen Muslimen übernommen wird.
Roland Rino Büchels großes Thema allerdings ist der Sport, genauer: die Fifa. Und trotzdem hält ein Rechtsausleger die wichtigste Rede bei einer Journalisten-Konferenz und darf anschließend mit Bayern-Präsident Uli Hoeneß diskutieren. Auf einer Konferenz immerhin, auf der Reporter in Panels immer wieder beteuern, man müsse nach den Enthüllungen um die deutsche Neonazi-Terrortruppe NSU als Journalist beim Thema Ausländerfeindlichkeit besonders sensibel sein.
Büchels Laudatio selbst ist dabei durchaus gelungen, informativ und charmant vorgetragen. Der Mann aus St. Gallen hat nach eigener Aussage 2001 die U17-WM in Trinidad und Tobago als Marketingleiter für die Fifa betreut, 2002 war er Projektleiter für den Afrika-Cup in Mali. 2011 hatte er mit dem Verband gebrochen, in einem offenen Brief die Bestechungspraktiken von Boss Sepp Blatter kritisiert. Man merkt der Rede an, dass Büchel das Beziehungsgeflecht der Fifa kennt, immer wieder streut er interessante Anekdoten ein. Bei einer Passage der Rede kommt dann aber doch der SVP-Politiker durch: Büchel erzählt, er habe bei der Fahrt nach Hamburg im Zug einen jungen Mann getroffen. Dieser habe ihn, der gerade an seinem Laptop arbeitete, gefragt: "Hey Mann, was hackst du da in deine krasse Maschine?"
Danach habe er Büchel für die Vorbereitung der "Lauda-Toni" gelobt. Natürlich spricht in der scherzhaften Erzählung des SVP-Politikers kein Max, Tim oder Jens das sogenannte Kiez-Deutsch. Es ist ein "Slobodan", über dessen sprachliche Fehler sich Büchel lustig macht. Diese Passage der Rede fehlt übrigens in der Zeitung zur Jahreskonferenz von Netzwerk Recherche, im Blog der Veranstaltung ist die komplette Rede nachzulesen.
"Das hätten wir transparenter machen müssen"
Der Hinweis, für welche Partei Büchel im Nationalrat sitzt, fehlt dort allerdings, das Gleiche gilt für die Konferenzzeitung und die Pressemitteilung. Lediglich im Programmheft zur Veranstaltung, versteckt bei den Kurzbiografien der Referenten, findet sich ein Vermerk zur SVP-Zugehörigkeit Büchels. "Das hätten wir transparenter machen müssen, das muss ich mir ankreiden", sagt Oliver Schröm, Vorsitzender des Netzwerk Recherche und Chef des Investigativressorts beim Stern. Für Büchel als Laudator habe dessen großer Einsatz gegen Sportkorruption gesprochen. "Er ist der einzige Ex-Fifa-Mitarbeiter, der Namen und Zahlen nennt." Von Büchels Parteizugehörigkeit wusste Schröm. "Wenn ich SVP höre, gehen bei mir natürlich auch ein paar Signallampen an." Daher habe er schweizerische Journalisten um eine Einschätzung zu Büchel gebeten. "Mir wurde gesagt, dass er sich im Parlament nicht mit rechten Äußerungen bemerkbar macht, sondern mit guten Anfragen zur Sportpolitik. Die fanden es völlig okay, ihn einzuladen." Zusätzlich habe er sich mit Büchel getroffen, auch die Parteizugehörigkeit sei Thema gewesen. "Da gab es keinerlei rechte Äußerungen von ihm."
Auf der Homepage von Roland Büchel finden sich allerdings Gastbeiträge und Leserbriefe von ihm, die in dem für Rechtspopulisten typischen Vokabular verfasst sind. So schrieb er 2009 zum geplanten Bau einer Moschee in Köln-Ehrenfeld: "In Kürze werden am Rhein zwei 55 Meter hohe Bajonette in den Himmel ragen. (... ) Bald haben Allahs Soldaten eine weitere Kaserne." Und 2007 äußerte er sich zum Minarettverbot folgendermaßen: "Die eidgenössische Volksinitiative will den Bau der Minarett-Türme verbieten. (...) Denn für viele Menschen, vor allem für Frauen, ist der Islam maß- und grenzenlos." Nicht der Islamismus wohlgemerkt, nein, direkt der Islam. Für das St. Galler Tagblatt ist Büchel ein "Hardliner". In seinen Leserbriefen macht Büchel auch deutlich, was er von Einbürgerungen hält - wenig. Eingebürgerte Schweizer bezeichnet er konsequent als "Papierschweizer".
Ähnliches bei einem Kommentar zu einem Mordfall: Luis W., ein Rekrut der Schweizer Armee, hatte 2007 mit einer Dienstwaffe eine ihm völlig unbekannte Frau erschossen. Eine Tat, die zu einem großen Medienecho führte. Büchel echauffiert sich daraufhin 2008: "Welche Informationen wurden beharrlich vertuscht? Zum Beispiel die Herkunft des Täters. Der Killer stammt aus Südamerika, seine Eltern sind Chilenen. Er wurde adoptiert und bekam den Schweizer Pass." Was Büchel nicht sagt: Der zum Tatzeitpunkt 21-Jährige wurde bereits mit drei Jahren von einem Schweizer Paar adoptiert. Luis W. wuchs, so steht es in der Schweizer Presse, im kleinen Dorf Islisberg im Kanton Aargau auf, ist nicht nur Staatsbürger, sondern vollkommen in der Schweiz sozialisiert. Für Büchel bleibt er Südamerikaner, keiner "wie du und ich". Nationalität, keine Frage des Passes, sondern der Herkunft, des Blutes?
Büchel selbst kann die von Journalisten geäußerte Kritik an seiner Besetzung nicht verstehen. "Ich habe mich Ende April mit Herrn Schröm in Zürich getroffen. Dabei war meine Parteizugehörigkeit kein großes Thema. Warum auch?", sagt er. Zumal die SVP die stärkste Partei in der Schweiz sei, wie er sagt, und: "Wenn wir rassistisch wären, müssten die Schweizer ja alle rassistische Idioten sein." Das Minarettplakat nennt er "nicht ganz glücklich". Zum Minarettverbot stehe er aber.
Fragt man Büchel, was sein Argument dagegen sei, schweift er ab und spricht lieber über die Integrationsprobleme junger Muslime vom Balkan, bevor er die Ästethik ins Spiel bringt: "Minarette passen nicht ins Landschaftsbild." Mit Moscheen habe er jedoch kein Problem, "ganz klar". Und seine Äußerungen zur Moschee als "Kaserne" für "Allahs Soldaten"? Er zitiere hierbei lediglich eine Äußerung des türkischen Premiers Recep Erdogan, sagt Büchel. "Man kann auch eine gewisse Ironie in den Zeilen erkennen."
Und was ist mit den "Papierschweizern"? "Viele Menschen lassen sich hier einbürgern, weil es Vorteile bringt. Ihr Herz schlägt aber nicht für die Schweiz." Nur diese Schweizer wolle er so bezeichnen.
Fast eine Absage
Er selbst hätte den Auftritt übrigens fast abgesagt, erzählt Büchel: "Es wurde kurzfristig eine Parlamentssitzung angesetzt, aber die Netzwerk-Recherche-Veranstalter haben mich dringlich gebeten, zu kommen." So fuhr Büchel nach Hamburg und sammelt auf seiner Homepage nun eifrig die vielen Presseberichte zu seiner Rede. Beste kostenlose Werbung für ihn - und damit indirekt auch für die SVP.
"Büchel hat ja keine Rede zum Thema Berichterstattung über rechts gehalten, sondern zur Fifa", beschwichtigt Oliver Schröm. Das ist richtig, und für diese Rede galt er den Veranstaltern durch seine Expertise als die naheliegendste Wahl. Und Büchel ist wohl kein Rechtsextremer. Die SVP ist keine schweizerische NPD. Vielleicht ist Büchel nur ein im Zwiegespräch durchaus höflicher Rechtspopulist oder sogar nur ein Konservativer, der aber allzu gern mit dem Rechtspopulismus flirtet. Einer, bei dem das nationalistische Gedankengut im Gespräch immer nur kurz aufblitzt, beispielsweise, wenn er von "Secundos" spricht, von Migrantenkindern mit doppeltem Pass. Er lobt jene von ihnen, die sich als Kicker für die Schweizer Nationalmannschaft entscheiden und darum echte Landsmänner sind - im Gegensatz zu jenen "Papierschweizern", die irgendwann für ein anderes Land spielen. Quasi Dienst am Ball als Vaterlandspflicht.
Es bleibt ein schaler Nachgeschmack. Immer wieder mahnten die Macher des Netzwerk Recherche bei der Konferenz an, den nicht für möglich gehaltenen Terror der Zwickauer Zelle als weiteren Ansporn für intensive Recherche zu nehmen. Über dem Podium hing ein Bild nach Comic-Machart, bei dem ein kamerabehängter Journalist telefoniert. Er steht vor Polizisten und Rechtsradikalen, auch Flaggen in den Farben Schwarz-Weiß-Rot sind zu sehen und im Hintergrund ein brennendes Gebäude. Es ist eine Abbildung, die journalistische Courage symbolisiert.
Beim Thema Sport ließ man dann aber doch einem Rechtsaußen die Ehre, anstatt eine Alternative zu suchen oder dessen politische Position zumindest transparent zu machen. So schossen sich die Macher ein unnötiges Eigentor in Sachen Glaubwürdigkeit.