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Neu auf Netflix:Alle Klischees abgehakt - und trotzdem gut

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Ein Teenager im Rollstuhl auf Roadtrip durch die USA. "Umweg nach Hause" geht den direkten Weg vom Sundance-Festival zu Netflix.

TV-Kritik von Karoline Meta Beisel

Es scheint eine geheime Checkliste zu geben, welche Elemente in jeder Komödie auftauchen müssen, in der ein Todkranker einen neuen Pfleger oder Therapeuten bekommt. Man braucht irgendeine Art von Roadtrip. In den krankheitsbedingt extrem Schüchternen verliebt sich eine tolle Frau. Es gibt lustige Zwischenfälle mit Fäkalien (außer, die todkranke Hauptfigur ist eine Dame). Und am Ende hilft nicht nur der Pfleger dem Kranken, sondern auch anders herum.

Auf dieser Liste hakt Umweg nach Hause alle Kästchen ab, es ist eine klassische Buddy-Geschichte (Buch und Regie: Rob Burnett, der als Autor von David Lettermans Late Show fünf Emmys bekam). Trevor ist 18, wegen einer Muskeldystrophie sitzt er im Rollstuhl. Das Leben hält für ihn nicht viel bereit, denkt er. Lieber bleibt er daheim und reißt zynische Sprüche. Andererseits ist er auch ein hormongeplagter Teenie. Als sein neuer Pfleger Ben ihn fragt, ob er etwas tun könne, sagt Trevor: "Würdest du die Wünsch-Dir-was-Stiftung anrufen? Ich will, dass Katy Perry mir einen bläst."

Vom Sundance-Festival direkt zu Netflix

Ben will Trevor aus dem Haus locken, er überredet ihn zu einem Roadtrip zu den "lahmsten Sehenswürdigkeiten des Landes", die Trevor seit Jahren faszinieren: Zur größte Kuh des Landes zum Beispiel, und zum tiefsten Loch der Vereinigten Staaten. Unterwegs treffen sie das bezaubernde Mädchen; Ben muss sich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen; und es geht mehrmals um die Schwierigkeit, mit Muskelschwund im Stehen zu pinkeln.

Auf dem diesjährigen Sundance-Festival lief die Verfilmung des Buchs The Fundamentals of Caring von Jonathan Evison als Abschlussfilm. Dass er nun nicht im Kino läuft, sondern im Netz, liegt daran, dass die Streamingdienste, in diesem Fall Netflix, derzeit häufig mehr Geld auf den Tisch legen, als klassische Filmverleihe bereit sind zu zahlen. Für Umweg nach Hause sollen es angeblich sieben Millionen Dollar gewesen sein. Was den Film trotz der vorhersehbaren Handlung sehenswert macht, sind seine Hauptdarsteller. Paul Rudd als Ben und vor allem Craig Roberts (aus der Amazon-Serie Red Oaks) als Trevor schaffen es, die Behinderung hier nicht zum Hauptthema zu machen. Zwischendurch vergisst man sogar kurz, dass Trevor überhaupt im Rollstuhl sitzt - aber immer nur bis zum nächsten Pinkelwitz.

Umweg nach Hause , auf Netflix.

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Quelle:
SZ vom 27.06.2016
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