Netflix:Stadt mit Fallhöhe

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Die Serie "Skylines" arbeitet mit gut gepflegten Klischees aus der Frankfurter Rapperszene. Es ist alles ein bisschen viel, dennoch finden am Ende die Fäden zusammen.

Von Jan Kedves

Warum nicht noch mal Frankfurt? So dachte man wohl bei Netflix nach Serienerfolgen wie Dogs of Berlin und 4 Blocks. Die Hauptstadt scheint abgegrast zu sein, "tot", wie der Drogendealer sagt, wenn er keinen Stoff mehr hat. Nachschub kommt aus der Rap-, Gangster- und Finanzwelt am Main, in Form der neuen Serie Skylines . Frankfurt bietet ja eine hübsche Kulisse für den Aufstieg und Niedergang eines Straßen-Rap-Labels, das in diesem Fall, logisch, Skyline Records heißt. Die Häuser am Main sind viel höher als in Berlin, was bedeutet, dass zwischen dem Heroinlager im Keller und dem majestätischen Ausblick oben im Büro gleich noch mehr Fallhöhe ist.

Das Problem ist nämlich: Der Rapper und Labelboss Kalifa (Murathan Muslu) möchte nur noch mit legalen Suchtmitteln dealen, also: mit Beats und Reimen. Das Business läuft, und mit dem jungen Produzenten Jinn (Edin Hasanovic) scheint schon ein neuer Star fürs Portfolio gefunden. Aber dann taucht Kalifas Bruder Ardan (Erdal Yildiz) wieder auf. Dessen Drogengeld half Skyline Records einst auf die Beine, jetzt drängt er wieder mit in den Aufzug.

Herrlich ist es, wie Murathan Muslu mit seinem Stiernacken und der lauernden Sanftmut in seinen eisgrauen Augen die Zerrissenheit des Bosses spielt, der kein Gangsterbruder mehr sein will. Einst liebte er sogar eine Polizistin. Die heißt Sara, ist inzwischen Kriminalbeamtin auf dem Weg in den höheren Dienst (großartig: Peri Baumeister) und Ardan schon dicht auf den Fersen. Fehlt nur noch die Verbindung in die Finanzwelt: Der Immobilienhändler Raimund (Richy Müller) will vom Brexit profitieren und lockt Londoner Unternehmen ins "Herz der größten EU-Wirtschaft und Zentrum der Geldpolitik der Eurozone" (Powerpoint-Präsentation). Raimunds Deals sind krumm, klar. Zufällig ist er der Vater von Jinn, des Produzententalents, das unten im Studio von Skyline Records, direkt neben dem Heroinlager, schon seine Monster-Trap-Tracks mischt, auf einem Gerät, das aussieht wie der blinkende Dancefloor aus Saturday Night Fever.

Ja, das ist alles vielleicht ein bisschen viel auf einmal, aber Skylines ist ja eine Serie, kein neunzigminütiger Tatort. Die Fäden finden schon alle zusammen, und zwischendurch wird es sogar richtig spannend. Dass die Blicke grimmig, die Muskeln aufgepumpt sind, Klischee, klar. Aber in einer Vampirserie findet man es auch nur logisch, wenn die Protagonisten Blut trinken. Mit anderen Worten: Die Rap-Welt, insbesondere die Frankfurter Rap-Welt, ist nun mal in vielen Punkten wirklich so. Einige von deren Protagonisten spielen hier auch in Cameo-Auftritten mit: Olexesh, Azad, Celo & Abdi. Männer, die außerhalb einer Serie, im sogenannten wahren Leben, schon ihre Klischees pflegen. Warum sollten sie in einer Serie plötzlich aus der Rolle fallen? So gesehen bilden die sechs Folgen von Skylines einen ausgedehnten Super- Tatort, mit besserer Musik und beeindruckenden Dialogen. Was sagt der Talentscout von Skyline Records zu einem Produzenten, dessen Beats er unbedingt will? "Pass auf, du hast Skills, die sind mies, Bruder, die kann kein Schwanz bumsen."

Skylines , auf Netflix*

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© SZ vom 04.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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