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Netflix-Serie "Control Z":Drama, Baby

Ein digitaler Stalker, der die Geheimnisse einer Schul-Clique verbreitet? Zugegeben, kein ganz neues Konzept. Die mexikanische Serie "Control Z" ist dennoch gelungen.

Von Magdalena Pulz 

Control Z kannte man bisher als eine sehr nützliche Tastenkombination, um etwa einen Tippfehler rückgängig zu machen. Ein Kurzbefehl, den sich mancher vielleicht ab und an auch im analogen Leben wünscht. Außerhalb eines Word-Dokuments, in der Realität, gilt jedoch, dass Gesagtes gesagt bleibt, egal wie peinlich und unangemessen es war. In der neuen Netflix-Serie Control Z steht der Name wohl dafür: Ist ein Geheimnis erst einmal gelüftet, kann man es nicht mehr zurückholen.

Kein Wunder, dass die Teenager auf El Colegio Nacional, einer mexikanischen Highschool, ausflippen, als bei einer Schulversammlung das "Geheimnis" der schönen Isabela durch ein Video gelüftet wird, das auf alle Handys und eine Leinwand gespielt wird: Die Schülerin ist trans. Signiert ist das Video von @allyoursecrets, einem anonymen Hacker beziehungsweise einer anonymen Hackerin. Das ehemalige Schul-It-Girl, dargestellt von der echten Trans-Schauspielerin Zión Moreno, wird hämisch gefragt: "Hey, hast du deinen Penis abgeschnitten?" Während sich die Schule noch am Tratsch ergötzt, fragen sich manche, welche vertrauliche Information als Nächstes geleakt wird.

Sofía, eine psychisch herausgeforderte Einzelgängerin mit herausragenden perzeptiven Fähigkeiten, bleibt erst mal gelassen. Zusammen mit dem Klassenneuling Javier, dargestellt von Disney-Star Michael Ronda, der ihr wie ein treuherziger Labrador von Szene zu Szene folgt, versucht sie, die großen W-Fragen der Vorkommnisse zu lösen: wer, wie, wo und, vor allem, warum. Dass das blasse Mädchen mit den schönsten Augenringen in der Geschichte des Fernsehens dabei ihren Mitschülern nicht nur in ihrer Sherlock Holmes'schen Auffassungsgabe, sondern auch wegen ihrer moralischen Integrität überlegen ist, zeigt sich etwa in der wenig subtilen Analogie: Sofía hängt ausgerechnet auf der gläsernen Überdachung des Pausenhofes am liebsten ab, um von dort das Treiben weit unter sich zu beobachten. Na ja, ok.

Es ist offensichtlich, dass der Plot von Control Z nicht von Grund auf innovativ ist. Teenie-Kultserien wie Gossip Girl oder Pretty Little Liars haben das Motiv des digitalen Stalkers, der eine Schulclique mit deren mehr oder minder schmutziger Vergangenheit erpresst, über Jahre erfolgreich ausgeschöpft, 2017 hat Tote Mädchen lügen nicht dem einen neuen Spin gegeben. Und doch schafft es die achtteilige Serie Control Z, etwas hinzuzufügen.

Schätzt man an den Teenie-Rom-Com-Drama-Mystery-Serien nur den Glamour- und Seifenoper-Faktor, könnte man enttäuscht werden. In der mexikanischen Produktion gibt es zwar Beziehungsdramen und Liebesdreiecke, aber generell weniger Schmalz und jede Menge Sex, Drogen und heftige Schlägereien. Wer es durch die ersten beiden Folgen schafft, die bei der Charaktereinführung etwas rumpeln, wird vor allem durch einen erstklassigen Krimi belohnt. Während man sich bei den früheren Serien mit der Zeit veräppelt vorkam, weil das große Rätsel nie befriedigend gelöst wurde, macht Control Z nicht nur Sinn, sondern ist auch spannend - und nicht total vorhersehbar.

Control Z, bei Netflix*

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Quelle:
SZ vom 26.05.2020
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