Netflix Serie "The Journalist":Im Sumpf der Korruption

Netflix Serie "The Journalist": "The Journalist" bei Netflix.

"The Journalist" bei Netflix.

(Foto: Netflix)

In der Miniserie "The Journalist" kämpfen tapfere Reporter um die Pressefreiheit in Japan.

Von Anke Sterneborg

Von oben, im Anflug betrachtet, sieht Tokio aus wie ein undurchdringliches, abweisendes Labyrinth aus eng geschachtelten, stahlgrauen Klötzchen, ein durchaus metaphorisches Bild für die Regierung des Landes und ihre Art, Geheimnisse abzuschirmen. Doch die Reporterin Anna Matsuda lässt sich nicht abschrecken. Bei der Pressekonferenz, in der es um Vorwürfe von Betrug und Korruption gegen den Premierminister und seine Frau geht, lässt sie nicht locker, obwohl ihre Fragen an einer Wand aus Floskeln und Zurechtweisungen abprallen. Mit ihrem klaren, unbestechlichen Blick und der ruhigen Selbstsicherheit ihres Auftretens verleiht Ryôko Yonekura ihr eine unerschütterliche Integrität.

Einzelne aufrechte Journalisten kämpfen sich durch den Sumpf der Korruption und Verschleierung: Man kennt das vor allem aus dem amerikanischen Kino. aus Filmen wie "All the President's Men" oder "State of Play". In der Miniserie "The Journalist" ist der Kampf gegen Machtmissbrauch und Korruption in einen anderen Kulturkreis, nach Japan verlegt, wo die besondere Mischung aus devoter Unterwürfigkeit und bedingungslosem Gehorsam die Wände des Schweigens und der Vertuschung noch undurchdringlicher macht. Während Anna Matsuda Akten durchforstet, Zeitlinien prüft, Fotos vergleicht, Mittäter und Zeugen aufspürt, Berichte und Interviews auf Widersprüche untersucht, sieht man wie sich ihre Gegner mobilisieren, wie das Schweigen beteiligter Beamter mit Einschüchterungen und Drohungen erzwungen und im Keller Akten im großen Stil gefälscht werden. Während auf der einen Seite emsig gemauert wird, kratzt auf der anderen die Journalistin am Bollwerk.

Der Herausgeber der Zeitung unterdrückt die regierungskritische Reportage

Spät abends wird der Finanzbeamte Suzuki in die Behörde einberufen, wo sein Team den Auftrag bekommt, die Akten an die Aussagen des Premierministers anzupassen, er ist einer der wenigen, der damit ein ernsthaft moralisches Problem hat. Ansonsten sind immer wieder die jämmerlichen Männlein zu sehen, die rückgratlos und mit gequältem Duckmäuser-Gesichtsausdruck einknicken. Ständig versichert jemand, wenn die Sache aufliegen würde, übernähme er die Schuld. Und dann lässt sich sogar der Herausgeber ihrer Zeitung einschüchtern und unterdrückt die regierungskritische Reportage.

Im Vergleich mit amerikanischen Filmen über investigativen Journalismus mag das alles ein bisschen übertrieben klingen. Doch tatsächlich rangiert Japan bei der Pressefreiheit im Vergleich von 176 Ländern nur im Mittelfeld auf Platz 68, mit Norwegen, Finnland, Schweden und Dänemark an der Spitze, Deutschland auf Platz 13 und den USA auf Platz 45. Und die Reporterin Isoko Mochizuki, auf deren 2017 veröffentlichtem Roman nicht nur die sechsteilige Miniserie, sondern auch schon eine in Japan sehr erfolgreiche Kinoadaption aus dem Jahr 2019 basiert, gilt als kämpferische Ausnahmeerscheinung in der ansonsten weitgehend gleichgeschalteten Presse des Landes.

Die Serie zeigt ein korruptes System von Drahtziehern und Mitläufern

Nach dem Spielfilm hat Michihito Fujii mit neuer Besetzung und modifiziertem Plot nun auch die Serie inszeniert. Über das Journalistendrama hinaus zieht er ein Netz quer durch das korrupte System und die japanische Gesellschaft, von den Drahtziehern der politischen Intrige über die devoten Mitläufer zu den Leidtragenden Angehörigen, bis zu den kleinen Angestellten im Zeitungsvertrieb. Da ist beispielsweise der Student Ryo, der als Zeitungsausträger jobbt, Zeitungen aber für völlig überflüssig hält: "Wieso sollte ich Zeitung lesen, ich habe doch ein Smartphone!" frotzelt er, lässt sich dann aber von einer jungen Kollegin doch zum Lesen anstiften, und später von der mutigen Journalistin inspirieren. Da ist die Serie auch ein starkes Plädoyer für die Presse als dringend nötige vierte Macht, die den Ungehörten und Marginalisierten eine Stimme geben kann. Und dann kommen die ersten Meldungen vom Corona-Virus, die ersten Masken tauchen im Stadtbild auf, und Ryos Kollegin verliert ihren ersten richtigen Job, bevor sie ihn angetreten hat. Die fiktive Erzählung der Miniserie ist ganz nah dran an der Wirklichkeit.

The Journalist, Sechs Folgen, Netflix

Zur SZ-Startseite

Serien des Monats Dezember
:Sie wollen es noch einmal wissen

Ein runtergerockter Darts-Profi, die Damen aus "Sex and the City" und Sisi: Alle suchen die Liebe in den Serien des Monats. Nur David Fincher hält dagegen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: