Der Oberste Gerichtshof in Brasilien hat das Verbot einer umstrittenen Jesus-Parodie nach nur einem Tag wieder aufgehoben. "Es ist nicht davon auszugehen, dass eine Satire die Macht hat, die Werte des christlichen Glaubens zu untergraben, die mehr als 2000 Jahre alt und in der Überzeugung der Mehrheit der Brasilianer verwurzelt sind", schrieb Gerichtspräsident José Antonio Dias Toffoli am Donnerstag in seiner Begründung.
Zuvor hatte es in Brasilien wochenlang Aufregung gegeben. Seit Dezember tobt in dem südamerikanischen Land ein Streit um das Satire-Filmchen, in dem angedeutet wird, dass Jesus eine Liebesbeziehung mit einem Mann habe. Ein Richter aus Rio de Janeiro hatte am Mittwoch entschieden, dass der Streamingdienst Netflix das Video vorerst aus dem Netz nehmen muss: Die Sendung sorge in der "mehrheitlich christlichen Gesellschaft Brasiliens" für Unruhe.
Die Freude der Konservativen währt nur kurz
Seit der Veröffentlichung des 46-Minüters mit dem Titel Die erste Versuchung Christi hatten mehrere Organisationen dagegen protestiert, mehr als zwei Millionen Menschen unterschrieben eine Petition dagegen. Ende Dezember wurde gar ein Brandanschlag auf die Urheber verübt, die in Brasilien bekannte Firma Porta dos Fundos. Verletzt wurde niemand. Mit ihren überspitzten Videos haben die Satiriker schon oft für Aufregung gesorgt, sie zeigten auch schon mal einen rassistisch pöbelnden Moses. Die Empörung über die Christus-Episode übertraf aber alles, was bisher geschah.
Die einstweilige Verfügung gegen den Film am Mittwoch war ein Sieg für das konservativ-religiöse Lager, der jedoch nur kurz währte.
Bei dem Streit geht es jedoch um mehr als nur um eine Satire. Seit Jahren wächst in Brasilien die Polarisierung zwischen denen, die für mehr gesellschaftliche Öffnung eintreten und denjenigen, die sie ablehnen. Das Land ist einerseits fortschrittlich - bereits 2013 etwa führte Brasilien die gleichgeschlechtliche Ehe ein. In manchen Gegenden von Großstädten wie Rio oder Sao Paulo ist es zudem ganz alltäglich, homosexuelle Paare auf der Straße Zärtlichkeiten austauschen zu sehen. Andererseits gewinnen die Evangelikalen, die jegliche gesellschaftliche Liberalisierung ablehnen, immer mehr an Einfluss.