Journalismus:Hat der WDR Nemi El-Hassan unzulässige Fragen gestellt?

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Nemi El-Hassan. (Foto: Tilman Schenk/dpa)

Die umstrittene Journalistin sollte laut Gedächtnisprotokollen intime Fragen beantworten: Ob sie an Gott glaube, ob sie bete und wie oft, in welche Moschee sie gehe. Was der Sender sagt.

Von Claudia Tieschky

Der WDR muss sich Fragen zum Umgang mit der umstrittenen Moderatorin Nemi El-Hassan stellen lassen, mit der die Zusammenarbeit inzwischen beendet ist. Dabei geht es um möglicherweise fragwürdige oder gesetzeswidrige Auskunftswünsche von Sendervertretern während einer Reihe von Gesprächen mit der 28-Jährigen. Die Unterredungen fanden vor der endgültigen Trennung in der vorigen Woche statt und hatten zum Ziel, mit der Moderatorin und ausgebildeten Ärztin zu klären, ob eine geplante Zusammenarbeit für die Wissenschaftssendung Quarks trotz der Vorwürfe gegen sie noch möglich sein könnte.

El-Hassan hatte 2014 an einer israelfeindlichen, Hisbollah-nahen Al-Quds-Demo in Berlin teilgenommen. Davon hatte sie sich distanziert, nachdem die Bild-Zeitung im September darüber berichtet hatte; später wurde zudem bekannt, dass sie auf Social Media noch vor Kurzem Beiträge gelikt hatte, die den Ausbruch verurteilter Terroristen aus einem israelischen Hochsicherheitsgefängnis feierten. Nemi El-Hassan bestreitet Antisemitismusvorwürfe gegen sie.

Der WDR hatte die geplante Moderationstätigkeit zunächst lediglich ausgesetzt. Der Sender beendete die Zusammenarbeit dann in der vergangenen Woche endgültig nach einem Gastbeitrag El-Hassans in der Berliner Zeitung; es gebe keine Vertrauensbasis mehr. Unter dem Titel "Ich bin Palästinenserin - deal with it!" hatte Nemi El-Hassan dem WDR unter anderem vorgeworfen, er habe sich von der Bild-Zeitung lenken lassen. Sie schrieb, sie habe im Sender Fragen beantworten müssen, "die in erster Linie rassistische Annahmen transportierten", schrieb El-Hassan. "Rein rational waren diese Fragen nicht erklärbar."

Es sei auch darum gegangen, ob Verwandte Verbindungen in den politischen Islam hätten

Ebenfalls in der Berliner Zeitung ist nun ein Text erschienen, der diese Andeutungen gewissermaßen konkretisiert und fragt, ob der WDR in der Befragung der 28-Jährigen gegen Arbeitsrecht verstoßen habe. Zitiert wird darin aus "ausführlichen Gedächtnisprotokollen" von Online-Gesprächen zwischen Nemi El-Hassan und "WDR-Kräften des mittleren und oberen Managements", die der Zeitung nach eigenen Angaben vorliegen. Nemi El-Hassan sei demnach unter anderem gefragt worden, ob sie an Gott glaube, ob sie bete und, wenn ja, wie oft. Thema sei auch gewesen, ob sie während des muslimischen Fastenmonats Ramadan faste oder in welche Moschee sie gehe. El-Hassan sei auch gefragt worden, wie bei Familienfesten über die Geschichte ihrer Großmutter gesprochen wurde, die bei der Gründung Israels fliehen musste oder ob Verwandte Verbindungen in den politischen Islam hätten. Das sei "Gesinnungsanalyse", heißt es in dem Beitrag: "Der Sender stand vor einem Dilemma", die Verantwortlichen "mussten ausschließen, dass sie eine Antisemitin und Islamistin vor sich hatten".

Der WDR wies den Vorwurf, er habe in den Gesprächen das Arbeitsrecht verletzt, am Mittwoch auf Anfrage "entschieden zurück". Die Gespräche hätten der Klärung der Vorwürfe gegen El-Hassan gedient und "waren vom Bemühen des WDR geprägt, eine Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit zu finden". Die "angeblichen Zitate" in der Berliner Zeitung gäben "nicht den Charakter und die Intention der Gespräche" wieder. Der WDR habe umfangreich beraten, weil man El-Hassan eine Chance geben wollte. Eine Antwort darauf, ob die Fragen aus dem "Gedächtnisprotokoll" so gefallen sind und welche Senderverantwortlichen an den Gesprächen teilnahmen, gibt der WDR gleichwohl nicht. Bei den Gesprächen sei zwischen den Beteiligten Vertraulichkeit vereinbart worden. "Daher werden wir uns zu in diesen Gesprächen tatsächlich oder angeblich getroffenen Aussagen nicht äußern."

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