Es ist ein seltsamer Treibstoff, der das alles befeuert. Ein dünnes gelbliches Süppchen, das wie verflüssigte Gummibärchen schmeckt und auf dessen Logo zwei Stiere aufeinander zurasen: Red Bull heißt der Lockstoff, der dem Österreicher Dietrich Mateschitz Milliarden einbringt, was dem schweigsamen, äußerst zurückhaltenden Herrn offenbar so unheimlich ist, dass er viel davon gleich wieder in gute Dinge steckt.
Man denke da weniger an den deutschen Formel-1-Fahrer Sebastian Vettel, dessen Rennstall auch von Red Bull angetrieben wird. Eher denke man an das ambitionierte Unterhaltungs- und Kulturprogramm des "Hangar 7" in Salzburg und an Servus TV, das es trotz des dämlichen Namens mit den anderen Privaten in Austria allemal aufnehmen kann.
Und der Lockstoff scheint magische Kraft zu entwickeln. Er hat einen der schweigsamsten Stars der jüngeren Geschichte vor die Kameras des Salzburger Hallöchen-Senders zu bringen vermocht, der sonst niemals mit Journalisten zu reden pflegt: den Astronauten Neil Armstrong, jenen Mann, der als erster Mensch seinen Fuß auf den Boden des Mondes setzte.
Armstrong ist gerade 80 Jahre alt geworden. Was ihn bewogen hat, zu diesem Anlass ausgerechnet im "Hangar 7" zu Salzburg aufzutreten, das bleibt ein Rätsel. Die Behauptung, das wiederum von dem rote Bullen alimentierte Fliegermuseum habe ihn derart verlockt, ist albern, derlei gibt es in Amerika mehr und größer und noch schöner. Es hat dennoch dem einstigen Berufspiloten Armstrong naturgemäß großen Spaß gemacht.
Das Geld wird ihn nicht verlockt haben, und die Aussicht, auf den geballten Intellekt einer der wichtigsten deutschen Zeitungen zu stoßen, muss gleichfalls nicht eben den Ausschlag gegeben haben: Vor den Kameras des Red-Bull-Senders Servus TV durfte der deutsche FAZ-Herausgebers Frank Schirrmacher Armstrong und dessen nie bis zum Mond gelangten sowjetischen Kollegen und Konkurrenten Alexej Leonow befragen.
Ein abgehobenes Leben
Wie immer bei Berühmtheiten ranken sich auch um Armstrong, der deutsche und schottisch-irische Wurzeln hat, viele Geschichten über eine frühe Leidenschaft und Berufung. Geboren in Wapakoneta (Ohio) soll er schon als Zweijähriger von Flugzeugen fasziniert gewesen sein. Bereits mit 16 brachte er es zur ersten Fluglizenz - noch vor dem Autoführerschein.
Armstrong studierte dann an der Purdue University Luftfahrt-Ingenieurwissenschaften, wurde Marineflieger und absolvierte 78 Kampfeinsätze im Koreakrieg. Mitte der fünfziger Jahre begann eine mehrjährige Karriere als unerschrockener Testpilot. Über 50 verschiedene Maschinen erprobte er. Wiederholt kam er dabei in brenzlige Situationen - und erreichte bereits Höhen von über 62 Kilometern.
Aber er wollte noch höher hinaus, und 1962 war der erste Schritt erreicht: Die Nasa akzeptierte Armstrong als Astronauten. 1966 gelang ihm als Chefpilot von Gemini 8 das Andocken an ein unbemanntes Raumfahrzeug im Orbit - das erste Rendezvous im All. Drei Jahre später ging dann der größte Traum in Erfüllung: Armstrong leitete die Apollo 11-Mondmission, steuerte die kleine Landefähre Eagle im Endanflug per Hand auf den Erdtrabanten und trat als erster aus der Luke, vor seinem Kollegen "Buzz" Aldrin.
Bereits 1971 verließ er die Nasa ganz, um acht Jahre als Professor an der University of Cincinnati Luft- und Raumfahrt-Ingenieurwissenschaften zu lehren. Seit 15 Jahren weigert er sich, Autogramme zu geben - nachdem er herausfand, wie viel Geld damit gemacht wird.
Neil Armstrong ist tot:Still und weise
Rund eine halbe Milliarde Fernsehzuschauer verfolgten vor 43 Jahren in körnigen Schwarz-Weiß-Bildern die Eroberung des Mondes - Neil Armstrong wurde weltberühmt. Dennoch blieb er bescheiden. Er war ein Mensch, den vor allem eines antrieb: der Traum vom Fliegen.
"Immerhin wissen wir dank Armstrong, dass wir theoretisch flüchten könnten", fasst Servus-TV-Moderator Frank Schirrmacher zusammen. Das bedeutet, dass die Menschheit, hat sie ihre Erde einmal so gründlich vergiftet und ruiniert, dass ein Bleiben und Gedeihen nicht mehr möglich wäre, sich in den Raum zu neuen Ufern und neuen Vernichtungswerken aufschwingen könnte.
Solches Pathos überlässt Armstrong den Beobachtern und Deutern. Pathos scheint ihm grundsätzlich fremd zu sein. Und wenn man ihm Bescheidenheit attestiert, so ist das fast eine überhebliche Einschätzung einem Mann gegenüber, der solcher Urteile in seiner sehr erdgebundenen, lakonischen Realistik nicht bedarf.
So kann man wohl auch das erste Zusammentreffen mit dem Kosmonauten Alexej Leonow eher als von erstauntem Interesse geprägt charakterisieren. Gerade in der Einschätzung der Rivalität der damaligen Weltmächte im überirdischen Raum geben sich beide zurückhaltend. Armstrong beschreibt, wie "aggressiv" die USA den offensichtlichen Vorsprung aufzuholen und zu übertrumpfen suchte, den sich die Sowjets damals zumindest in der unbemannten Raumfahrt herausgearbeitet hatten.
Keine Botschaft aus dem All
Aber auch hier kein Hauch von dem Pathos, mit dem einst Präsident John F. Kennedy den Amerikanern und der "freien Welt" die Mondlandung als geradezu spirituelle Pflicht zum Fortschritt auferlegte.
Die Menschheit belauscht das All mit riesigen Radioteleskopen, lugt mit Linsen und Rohren in den fernsten Raum. Die Sehnsucht nach der Botschaft, die da im Überirdischen, wenn man so will, verborgen sein muss, die auch unser Erdendasein schlüssiger machen würde, ist sicherlich ein ebenso großer Antrieb wie die Hoffnung auf wissenschaftlichen Gewinn.
Ausgerechnet der Mondfahrer Armstrong verweigert sich standhaft der Versuchung, nun aus seiner einmaligen Rolle heraus solche sinngebenden Botschaften zu verkünden, sie auch nur anzudeuten. Er hat folgerichtig sogar Verständnis für jene, die da gerade wegen dieser Weigerung glauben, er sei niemals da oben gewesen.