Süddeutsche Zeitung

NDR:Gestörtes Klima

Interne Prüfung: Beim NDR in Schleswig-Holstein sei im Schnellcheck erst mal kein "politischer Filter" festzustellen, dafür ungelöste Konflikte und Fehler im Führungsverhalten.

Von Aurelie von Blazekovic

Zu den Vorwürfen der politische Einflussnahme beim NDR in Schleswig-Holstein legt der Sender nun die Ergebnisse einer internen Prüfung vor. Die interne Aufarbeitung sei abgeschlossen, so der Sender am Dienstag. In dem Prüfbericht heißt es: "Durch die jüngsten Auseinandersetzungen im Landesfunkhaus Schleswig-Holstein traten ungelöste Konflikte zutage, die den bekannt gewordenen und öffentlich erhobenen Vorwürfen zugrunde lagen. Sie haben ihre Ursachen nach unseren Recherchen im Wesentlichen im Führungsverhalten und in der redaktionellen Steuerung des Fernsehbereichs und müssten von der Leitung des Landesfunkhauses schnell bearbeitet werden."

NDR-Intendant Joachim Knuth gab die Prüfung bei Carsten Löding, dem Redaktionsleiter der Nachrichtensendung NDR Info 21:45 und Thomas Berbner, dem Redaktionsleiter der ARD-Zulieferung, in Auftrag. Dem Bericht zugrunde liegen 66 ausführliche Gespräche, die Berbner und Löding mit Mitarbeitern führten.

Konkret sahen Löding und Berbner bei einer Recherche zu Verschickungskindern und der Rolle des Deutschen Roten Kreuzes keine journalistischen Prinzipien verletzt. Es sei nicht versucht worden, Material an das DRK weiterzugeben oder das DRK aus der Berichterstattung herauszuhalten, um es zu schützen. Über diese Vorwürfe hatte der Stern berichtet. "Bei dieser Recherche gab es viele Defizite", kommentiert Löding, "aber die jetzt öffentlich erhobenen Vorwürfe gehen am Sachverhalt vorbei." Vielmehr habe es Probleme in der Steuerung der Recherche und der Kommunikation mit dem Autor gegeben.

Gewichtiger jedoch waren die Vorwürfe im "Fall Grote", in denen es um politische Einflussnahme ging. In einem öffentlich gewordenen Bericht des NDR-Redaktionsausschusses wurden interne Beschwerden aufgearbeitet, die auch die mögliche Beeinflussung der Berichterstattung zum Rücktritt des ehemaligen CDU-Innenministers Hans-Joachim Grote betrafen - und die Frage, warum ein Mitarbeiter ein Interview mit ihm nicht führen sollte.

Entlastung durch Zeitdruck der Prüfer?

"Im Fall Grote schließen wir uns der Bewertung des Redaktionsausschusses an", heißt es nun von den NDR-Prüfern. "Das angefragte Interview mit dem ehemaligen Innenminister Grote hätte man führen sollen." Doch Belege für einen "politischen Filter" habe man nicht finden können. Einzelne tagesaktuelle Entscheidungen sehe man kritisch, "aber für einen solch massiven Vorwurf müsste die Berichterstattung des Landesfunkhauses über einen längeren Zeitraum systematisch ausgewertet werden." Das sei in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich gewesen. Aber ist so eine Untersuchung dann als Entlastung überzeugend?

Auf die Frage, ob es Druck gegeben haben, den Bericht schnell zu veröffentlichen, antwortet die stellvertretende NDR-Intendantin Andrea Lütke: "Das ist nicht so." Man sei in der Bewertung gemeinsam zum Ergebnis gekommen, dass jetzt der Zeitpunkt sei, diese Veröffentlichung vorzunehmen. "Auch vor dem Hintergrund, dass wir das den Mitarbeitenden im Landesfunkhaus Schleswig-Holstein schuldig sind."

Die Aufarbeitung habe jetzt begonnen, werde aber nicht über Nacht abgeschlossen sein, so Lütke, die den Prozess federführend leitet. Es gehe nun darum, herauszufinden, wie man gegenseitiges Vertrauen wieder stärken könne, um den Qualitätsjournalismus, den man bieten wolle in einem "angstfreien und unbelasteten Klima" zu fördern.

"Es gab viele Menschen hier, die seit Jahren eine Geschichte mit sich rumtragen"

In der Redaktion habe eine Mehrheit mit dem Begriff des "politischen Filters" nichts anfangen können, so Thomas Berbner. Nach den Vorwürfen ließen sich die Leiterin der Politikredaktion und der Fernsehchef in Kiel freistellen, der Funkhausdirektor Volker Thormählen ging in unbezahlten Urlaub. Die Debatte habe das Redaktionsklima im Landesfunkhaus schwer belastet.

"Es gab viele Menschen hier, die seit Jahren eine Geschichte mit sich rumtragen", sagt Thomas Berbner. Eine "sehr hierarchisch geprägten Führungskultur" habe viele Wunden hinterlassen "und dazu beigetragen, dass es auch inhaltlich an zwei, drei Stellen aus dem Ruder gelaufen ist." Es werde sich dringend und schnell etwas ändern müssen.

Löding und Berbner fordern, dass die Konfliktbearbeitung in Kiel neu strukturiert und besser beaufsichtigt werden muss. Außerdem solle die redaktionelle Struktur im Fernsehbereich reformiert werden. Der NDR benötige auch ein verbessertes System der Krisenkommunikation. Das wesentliche Problem in Teilen des Landesfunkhauses sei "ein gestörtes Redaktionsklima".

Der Intendant Joachim Knuth teilt in der Pressemitteilung des Senders mit, die interne Prüfung zeige, "dass die erhobenen Vorwürfe in Teilen haltlos sind". Dringend brauche man aber einen "kulturellen Wandel in Führung und redaktionellem Miteinander, um Vertrauen zurückzugewinnen".

Der sendereigene Prüfbericht ist unabhängig von einer noch ausstehenden externen Aufarbeitung, die vom NDR-Landesrundfunkrat Schleswig-Holstein beauftragt worden ist. Sie ist auch unabhängig von Vorwürfen der Vetternwirtschaft, die es beim NDR in Hamburg gibt, und die dort ebenfalls aufgeklärt werden.

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