Nachruf:Verschmitzt, frech, leidenschaftlich

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Michael Spreng (1948 - 2020) war Chefredakteur der Bild am Sonntag und 2002 Berater von Edmund Stoiber, als dieser fast zum Kanzler gewählt worden wäre. (Foto: Müller-Stauffenberg/imago images)

Michael Spreng, der frühere "BamS"-Chefredakteur und der Mann, der Edmund Stoiber beinahe zum Bundeskanzler gemacht hätte, ist tot.

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Ja, an dem Tag wäre man gerne Mäuschen gewesen. An jenem Tag vor 18 Jahren, als Michael Spreng Gerhard Schröder spielte und damit Edmund Stoiber fast zur Weißglut brachte - mit verbalen Finten, mit frechen Angriffen, mit einem provozierenden Selbstbewusstsein. Die Rede ist von jenem Sommer im Jahr 2002, in dem der frühere Springer-Journalist Spreng endgültig in die Rolle des Politikberaters schlüpfte und den CSU-Politiker Stoiber zum Bundeskanzler machen wollte. Wenige Tage vor dem ersten von zwei Fernsehduellen mimte Spreng den amtierenden Kanzler, um Stoiber hinter verschlossenen Türen für die bevorstehende Aufgabe zu trainieren. Es muss laut, zornig und zwischendurch auch sehr amüsant gewesen sein. So jedenfalls hat es Spreng selbst später einmal zum Besten gegeben.

Frech, selbstbewusst und leidenschaftlich - das ist Spreng nicht nur in dieser kurzen Schauspieleinlage gewesen. Der in Darmstadt geborene Journalist ist auch in seinem eigentlichen Beruf, dem des Zeitungsjournalisten, stets mit diesen Eigenschaften aufgetreten. Er war ein leidenschaftlicher Erzähler und Kommentierer, aber er tat das nie aus der Ferne, sondern interessierte sich sehr für die Menschen, über die er schrieb und sich ausließ. Ob in den Kommentarspalten oder in Fernseh-Talkshows - er scheute nie das harsche Wort, aber er konnte sich auch mal entschuldigen, wenn sich herausstellte, dass er sich verrannt hatte.

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Das erklärt wahrscheinlich am besten, warum Spreng zwar nicht bei allen Politikerinnen und Politikern beliebt, aber bei den meisten geschätzt war. Seine Kritik konnte beißend sein, aber sein Bestreben und seine Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, bewirkten oft, dass er sich im letzten Moment angemessen einbremste.

Spreng, der 1968 das Abitur machte und wenig später bei der Frankfurter Neuen Presse volontierte, war über Jahrzehnte das, was man einen klassischen Zeitungsmann nennen konnte. Einer, der den Papiergeruch und das Schreiben liebte. Karriere machte er als Chefredakteur beim Kölner Express und später dann bei der Bild am Sonntag. Dort aber legte er sich nicht nur mit Politikern an, sondern auch mit den allzu Konservativen in den eigenen Springer-Reihen. Spreng war das, was man im guten Sinne eine liberale Stimme nennen konnte.

Seine bemerkenswerteste Rolle aber fand er im Jahr 2002, als Berater von Edmund Stoiber. Zusammen mit dem Stoiber-Sprecher Ulrich Wilhelm war er es, der aus dem bis dahin allzu zackig-konservativen einen beinahe freundlich weltoffenen, ja fast zahmen Stoiber machte. Seine Überzeugung: Nur so würde der stramme Bayer auch im Rest der Republik überhaupt eine Chance haben. Am Ende reichte es nicht; aber es war verdammt knapp geworden.

Spreng ist nach schwerem Krebsleiden gestorben; wenige Wochen nach seinem 72. Geburtstag.

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