Nachruf:Nina Grunenberg 

Theodor-Wolff-Preis - Grunenberg; Nachruf

Nina Grunenberg kam 1965 zur Zeit, sie baute das Ressort „Wissen“ auf und wurde 1987 stellvertretende Chefredakteurin; ihre große Stärke aber war das Schreiben.

(Foto: Tim Brakemeier/dpa)

Die langjährige stellvertretende Chefredakteurin der "Zeit" ist im Alter von 81 Jahren gestorben. Ihre Porträts von Managern und Politikern waren berühmt.

Von Willi Winkler

Frauen, das lehrt nicht nur die Kunstgeschichte, schmücken ganz ungemein, aber wenn sie nicht gerade Frankreich eroberten (Jeanne d'Arc) oder blondlockig und sonst nackt zu Pferd gegen hohe Steuern demonstrierten (Lady Godiva), sollten sie lieber das traute Heim zieren. Das Patriarchat ließ nicht so leicht locker und wurde auch nach dem Zweiten Weltkrieg kaum angefochten; Frauen sollten zu Hause bleiben und doch nicht losgehen und schreiben. Margret Boveri bei der Frankfurter Allgemeinen war eine Ausnahme, Anneliese Friedmann als "Sibylle" Kolumnistin beim Stern, Marie-Luise Scherer beim Spiegel. Die Zeit leistete sich eine Frau sogar als Chefredakteurin, aber Marion Gräfin Dönhoff wollte gar nicht die einzige sein, und so kam 1965 die Reporterin Nina Grunenberg dazu.

Die Bildungsexplosion der Sechzigerjahre wurde nicht unwesentlich von der Zeit befördert und von Nina Grunenberg kundig begleitet. Im Fachblatt der deutschen Akademiker baute sie das Ressort Wissen auf. Theo Sommer holte sie 1987 in die Chefredaktion, doch ihre eigentliche Stärke war das Schreiben, das Beschreiben der großen Männer. Sie suchte nicht die Nähe der Macht, aber der Mächtigen, und diese Nähe erlaubte ihr, Manager und Politiker, "die Chefs" in einem ihrer Buchtitel, in ausführlichen Porträts darzustellen. So protestantisch-norddeutsch streng sie war, niemand faszinierte sie mehr als Franz Josef Strauß, den die Hamburger Presse sonst wie den Gottseibeiuns bekämpfte. Sie hatte keine Angst vor ihm und verkehrte auch mit Helmut Schmidt von gleich zu gleich. "Ich muss dieses Amt nicht haben", behauptete er dreist, als er endlich ins Bundeskanzleramt gelangt war, in das es ihn mindestens so heftig zog wie später den Zaunrüttler Gerhard Schröder. Der Pflicht, wem auch sonst, habe er gehorcht. Wer das las, konnte sich seinen Teil denken. Am vergangenen Donnerstag ist die große Journalistin Nina Grunenberg 81-jährig gestorben.

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