Nachruf:Einer, der die Ordnung störte

Nachruf: Paul Krassner (1932 - 2019) war Autor, Journalist und Comedian. Und er war er Gründer, Herausgeber und ständiger Mitarbeiter von The Realist.

Paul Krassner (1932 - 2019) war Autor, Journalist und Comedian. Und er war er Gründer, Herausgeber und ständiger Mitarbeiter von The Realist.

(Foto: Eric Reed/AP)

Zum Tod des amerikanischen Autors, Journalisten und Comedians Paul Krassner.

Von Willi Winkler

Anarchisten sind in den USA gesetzlich verboten, sie stören die gottgewollte Ordnung, sind womöglich sogar unpatriotisch und tragen keine Krawatte. Zwischen den LSD-Versuchen der CIA und den Morden der Manson-Familie tat sich jedoch im vergangenen Jahrhundert eine Lücke auf, in der sich extrem unamerikanische Umtriebe austoben durften. Paul Krassner gab deshalb eine vielversprechende Laufbahn als Violinist auf, um seine lieben Landsleute zu ärgern.

Er hatte bei MAD gelernt und gründete dann für Erwachsene das Magazin The Realist, für das unter anderen Norman Mailer, Joseph Heller und Woody Allen schrieben. Das Blatt erreichte eine Auflage von bis zu 100 000 Stück und wurde zeitweise von John Lennon unterstützt, der es wegen seiner irrsinnigen Verschwörungstheorien schätzte. Hier wurden zum ersten Mal Zweifel an der Regierung gesät, die in Südostasien in einen fürchterlichen Krieg eingetreten war. Mit Begeisterung vergingen sich Krassner und seine Freunde an den heiligsten Gütern der Nation. Der Kennedy-Mord gab ihnen Gelegenheit zu einer pornografischen Fantasie, die selbst von Insidern geglaubt wurde. Krassners bleibende kulturelle Leistung ist ein Plakat, das als letzter Gruß aus der Gegenkultur bis heute weite Verbreitung findet. Es zeigt ein beispielloses Verbrechen: die Disney-Figuren beim Kopulieren miteinander.

1967 gründete er die Yippies, eine damals bitter notwendige Partei der Jugend. In einer esoterischen Séance versuchte man, das Pentagon ein paar Meter in die Höhe zu lüpfen. Das FBI erklärte Krassner zum "unkontrollierbaren tobenden Spinner", was sich bestens als Titel für seine Autobiografie eignete. Der Realist erschien mit Unterbrechungen bis 2001, als der Ironie ein vorzeitiger Tod verordnet wurde. Heute wäre ein solches Blatt chancenlos, schließlich versagt die Satire, wenn der oberste Anarchist im Weißen Haus sitzt. Seinen Twitter-Account eröffnete Krassner mit dem Seufzer, er leide unter Twitter-Blockade. Am Sonntag ist der unvergleichliche Unruhestifter 87-jährig gestorben. Zuletzt lebte er von der Sozialhilfe und den Tantiemen seines Disney-Pornos. Amerika ist doch nicht so schlecht, wie es immer heißt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: