Nachruf:Ein Oberbesessener

Gerd Bacher former Director General of the ORF dies at the age of

Der Salzburger Gerd Bacher begann seine Karriere als Zeitungsjournalist. 1967 kam er als Generalintendant zum ORF. Er starb am Samstag mit 89 Jahren.

(Foto: dpa)

Gerd Bacher gilt als der Erfinder des modernen ORF: Als Generalintendant verteidigte er den öffentlicht-rechtlichen Rundfunk gegen die Privatsender. Am Samstag ist er mit 89 Jahren in seiner Heimatstadt Salzburg gestorben.

Von Cathrin Kahlweit

"Prägend" ist noch eine der weniger euphorischen Zuschreibungen, die in österreichischen Medien über den am Samstag verstorbenen ehemaligen ORF-Generalintendanten Gerd Bacher zu lesen waren. Bacher war in seiner Heimat so populär, dass "legendär", "visionär" und "leidenschaftlich" in keinem Nachruf fehlten, ebenso wenig wie der Hinweis darauf, dass Bacher immer mit besonderer Verve und ungewohnter, fast verletzender Offenheit die Unabhängigkeit des Journalismus in öffentlich-rechtlichen Anstalten verteidigte. In Österreich und zumal beim ORF war und ist das keine Selbstverständlichkeit.

Der Salzburger, der anfangs bei diversen Tageszeitungen Karriere machte, war mit einigen Unterbrechungen zwei Jahrzehnte lang Chef des Österreichischen Rundfunks und bezeichnete sich - mit Blick auf den starken Einfluss der Parteien auf den ORF - selbstironisch als "Ein-Mann-Partei mit Aufnahmesperre; missliebige Kollegen beleidigte er schon mal als parteipolitische "Auftragnehmer". Er mochte sich in seinen Sender nicht reinreden lassen, was ihm mit einem kurz vor seiner ersten Berufung 1967 verfassten neuen ORF-Gesetz anfangs auch erleichtert wurde.

Aber nicht lange: Bacher musste als Verlierer in einem Machtkampf mit SPÖ-Chef Bruno Kreisky gehen, kam aber kurz darauf noch für weitere Amtszeiten zurück. In Wien wurde das Comeback als Überraschungssieg gegen das Establishment gefeiert, doch das linke Establishment war es gewesen, das dem wertkonservativen Intellektuellen die Tür wieder öffnete (ironischerweise letztlich wegen eines weiteren politischen Machtkampfes, dessen Profiteur der alte und neue Generalintendant war).

Neben der Parteipolitik, die sich mit Posten und gemäßer Berichterstattung versorgte, und deren Möglichkeiten er sich durchaus zunutze zu machen wusste, bekämpfte Bacher ebenso sehr: die Privatsender. Sein Sprachwitz machte sich in der Sottise bemerkbar, "im Konkurrenzkampf zwischen Trivialität und Anspruch" sei der "Anspruch stets im Nachteil." Der prominente ORF-Kollege Peter Huemer, der jahrelang den unvergessenen Club 2 moderierte, sagte in einer Laudatio auf Bacher 2014, dieser habe "Fenster" aufgestoßen, den ORF modernisiert, er sei ein "Oberbesessener" unter "Besessenen" gewesen, der sich allerdings selbst bisweilen im Weg stand, weil er mit dem "Kopf durch die Wand wollte".

Er habe immer den öffentlich-rechtlichen Auftrag gegen die Trivialisierung durch die Massenmedien verteidigt, "und erst wenn der weg ist, wissen wir, was wir verloren haben". Huemer bezog das zwar auf den ORF, aber er könnte das genauso gut über Gerd Bacher gesagt haben, der nun mit fast 90 Jahren gestorben ist.

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