Nachrichtenagentur dapd:Angriff durch Expansion

Das Geschäft ist hart: Reiche Investoren verschaffen dem Fusionsunternehmen dapd einen Platz unter den Nachrichtenagenturen - dank aggressiver Firmenzukäufe. Das renditeschwächelnde Mediengeschäft erfüllt zwar keine hohen Renditeerwartungen, doch es geht wohl um die Verfolgung subtilerer Interessen.

Claudia Tieschky

Martin Vorderwülbecke möchte einmal in den Himmel kommen. Sagt er. Vorläufig tut es auch der siebte Stock über der Berliner Reinhardtstraße mit viel freiem Blick aufs Regierungsviertel und in Richtung Reichstag: das Geschäftsführerbüro der Nachrichtenagentur dapd.

Vorderwülbecke ist ein Finanzinvestor und reicher Mann, aber um in den Himmel zu kommen, muss er auch mal der Gemeinschaft etwas zurückgeben, das fühlt er, und begründet damit das Engagement im profitarmen Agenturjournalismus. Er meint das ernst.

Wie teuer dieses Gefühl ist, weiß man nicht genau, wie viel privates Geld bereits in die dapd floss, ist unklar, darüber redet Vorderwülbecke nicht. Es ist jedenfalls die Grundlage, auf der sich dapd mit ihm und Mitgeschäftsführer Cord Dreyer zuletzt zu einem ausgesprochen aggressiven Akteur entwickelt hat, der die Konkurrenten auf dem deutschen Markt mit allen möglichen Mitteln und vor allem durch Expansion angreift - besonders die große Deutsche Presse-Agentur dpa (die rund 90 Millionen Euro umsetzt, 2010 rund fünf Millionen Euro Verlust schrieb und in Gesellschafterhand der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage und Rundfunkanstalten ist) sowie Agence France-Presse (AFP).

Die Rivalität zur dpa droht gerade zur Schlammschlacht zu werden. Einer der Gründe ist das Vergabeverfahren um die Lieferung fremdsprachiger Nachrichten für die Auslandsvertretungen des Auswärtigen Amtes.

Dapd hatte auf ein förmliches Ausschreibungsverfahren gedrängt und sich in diesem durchgesetzt. Die dpa, die zuvor stets das AA belieferte, klagt nun bereits in zweiter Instanz gegen die Bedingungen der Ausschreibung. Sie wirft der dapd auch vor, sie bestreite ihre internationale Berichterstattung großteils durch Übersetzen von Texten des amerikanischen Kooperationspartners AP.

"Menschlich enttäuschend"

Vorläufiger Höhepunkt des Streits ist ein Offener Brief des dapd-Auslandschefs an dpa-Geschäftsführer Michael Segbers ("Wir sind keine Übersetzer"). Es fallen Worte wie "unredlich" und "menschlich enttäuschend". Das Geschäft ist hart.

Zuweilen kommt es auch vor, dass sich dapd-Meldungen in eigener Sache irgendwie weniger erschließen und nach Aktionismus klingen. Als neuesten Coup beispielsweise will Vorderwülbecke im Frühjahr unter dem dapd-Dach eine neue Nachrichtenagentur in Frankreich starten - wo man vorigen Juli den international tätigen, aber zuletzt defizitären Fotodienst Sipa Press kaufte. Zu den 60 Sipa-Leuten sollen zunächst 35 Textjournalisten kommen.

Das wirkt, als ob jemand weit weg eine Bude aufmacht. Es verdeutlicht aber gut, wie man bei dapd zuweilen auch über Bande sein Ziel sucht. Ein Inlands-Textdienst für Frankreich mit Schwerpunkt auf der Region Paris - kombiniert mit dem internationalen Angebot von AP und dem Fotoangebot von Sipa - soll die großen Regionalzeitungen im Land beliefern.

Druck auf AFP

Das richtet sich vor allem gegen den französischen Marktführer AFP. Der muss derzeit auf dapd-Beschwerde in Brüssel Auskunft über sein Finanzierungsmodell geben, da der Staat laut EU-Kommission AFP-Abos im Wert von 115 Millionen Euro jährlich abnahm.

Druck auf AFP - durch die EU oder neue Konkurrenz in Frankreich - würde im Zweifel auch einen wichtigen Rivalen im deutschen Kernmarkt schwächen. So läuft das.

Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Peter Löw, auch er bekennender Katholik, investierte Vorderwülbecke in die dapd inzwischen mindestens schon den "mittleren zweistellige Millionenbetrag" - mit dem 2009 der deutsche Dienst der amerikanischen Agentur AP übernommen und eine langjährige Kooperation mit dem internationalen AP-Dienst vereinbart wurde.

Kräftiges Umsatzplus

Insgesamt muss weit mehr Geld geflossen sein: Löw und Vorderwülbecke erwarben 2004 die defizitäre Vorgängerfirma ddp aus dem kaputten Kirch-Konzern für ihre Finanzfirma Arques; 2009 kauften sie die Agentur sogar noch einmal, nachdem sie sich von Arques abgesetzt hatten. Inzwischen machen sie Geld mit der Beteiligungsfirma BluO, die etwa die Billigmodekette Adler an die Börse brachte.

Dapd selbst besteht aus einer verwirrenden Vielzahl von Einzelfirmen. Zu BluO gebe es aber keinerlei geschäftliche oder strukturelle Verflechtungen, versichert Vorderwülbecke. Die Nachrichtenagentur sei "kein Gegenstand des Wirtschaftsverkehrs". Aber BluO sei "sicher der wirtschaftliche Hintergrund, vor dem wir unabhängig agieren können".

Für 2011 hat die dapd-Gruppe gerade ein kräftiges Umsatzplus gemeldet. Es ist das Jahr, in dem man mit einem neu aufgebauten Sportdienst tatsächlich zur Vollagentur wurde und Sipa Press erwarb.

Der Jahresumsatz lag bei 31,7 Millionen, gegenüber 24,1 Millionen im Vorjahr. Vergleichsweise moderat war der Zuwachs im Inland, 2,2 Millionen. Im neuen Jahr will dapd auf mehr als 50 Millionen wachsen, die Gesellschaft sei seit 2008 profitabel und vollständig schuldenfrei, heißt es. Gemeint ist: Bankschuldenfrei. Man wolle zumindest für die nächsten fünf Jahre alle Gewinne reinvestieren, versichert Gesellschafter Vorderwülbecke, und schütte sich auch keine Dividende aus.

Tariflohn andererseits gibt es im Haus nur für die Mitarbeiter der früheren AP, die Bestandsschutz genießen. Das habe sich historisch aus der Fusion ergeben und sei "auch nicht unüblich", sagt Vorderwülbecke.

Bundespresseamt stockt Budget auf

Manche der 515 dapd-Mitarbeiter dürften das anders sehen. Gerne verbreitet die Agentur indes Nachrichten wie die Abwerbungen wie die von Michael Cremer und Timon Saatmann, Geschäftsführer und Chefredakteur beim Sport-InformationsDienst SID, einer Tochter von AFP.

Als Chefredakteur für Sipa Press hat man gerade der Fotojournalist Cengiz Seren gewonnen, bisher Chefredakteur der hoch angesehenen European Pressphoto Agency EPA.

Als großen Erfolg verbucht man auch, dass das Bundespresseamt das Budget der dapd um eine Million auf 1,6 Millionen aufstockt, der Etat der dpa soll bei etwa 2,7 Millionen stagnieren. Darum hat die dapd lange gekämpft. Es scheint zuweilen gerade die Angriffslust der Investoren zu sein, die der Agentur nützt.

Allerdings ist auf dem Medienmarkt beim Stichwort Finanzinvestor noch gut David Montgomerys desaströses Werk bei der Berliner Zeitung in Erinnerung. PR-Leute der dapd mögen deshalb nachts davon träumen, dass man ihre Gesellschafter endlich einmal mit dem netteren Wort Privatinvestoren bezeichnen möge.

Einmal einen Presseausweis besessen

In Wirklichkeit gehören die beiden - die einst von Kirch-Managern gebeten wurden, sich um ddp zu kümmern - zu einer Sorte Geldgeber, die in Deutschland bislang kaum aufgefallen ist: Reiche Leute, die im renditeschwächelnden Mediengeschäft mit wenig Profiterwartung unterwegs sind - was den Verdacht nahelegt, dass sie subtilere Interessen verfolgen. Pierre Bergé gehört zu diesem Typus, der Miteigner von Le Monde, oder Karstadt-Eigner Nicolas Bergguen mit der spanischen Prisa-Gruppe (El País). Mit dem Verschwinden des klassischen Verlegertums wir man sich an an diesen Typ Investor wohl gewöhnen.

Mitinvestor Peter Löw, zumindest dieses Gerücht wird von Kompagnon Vorderwülbecke bestätigt, hat einmal einen Presseausweis besessen und sich einen Porsche mit Rabatt gekauft - "aber ich hab keinen und ich hab auch keinen Porsche."

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