Süddeutsche Zeitung

Nachlese zum Wiener "Tatort":Obacht im Seniorenstift

Mit ordentlich Wiener Schmäh in einem ansonsten düsteren Fall kehrt die ARD-Krimireihe aus der Sommerpause zurück. Sie wollen mitreden über den "Tatort"? Die Nachlese - mit den besten Zuschauerkommentaren.

Von Carolin Gasteiger

Darum geht's:

In dem Altersheim, in dem Bibi Fellners Vater im Sterben liegt, geht es kriminell zu. Höchstkriminell. Die Senioren wollen ihrem Schicksal entfliehen, sie träumen sich ins Paradies und schmuggeln dafür Medikamente. Alles ist trist, das Heim ein Loch, der Pfleger ein Junkie. "Kein Wunder, bei dem Job", meint Kommissar Eisner flapsig. Bonjour tristesse.

Lesen Sie hier die Rezension von SZ-Tatort-Kritiker Holger Gertz:

Bezeichnender Monolog:

Ober-Rentner Paul Ransmayr erzählt aus seinem Leben und Wagners "Götterdämmerung".

Ransmayr: "Weißt du, ich war mal jemand. Ich war ein knallharter Geschäftsmann, keine Frage. Aber, man hat zu mir aufgeschaut. (...)

Sommer: Und was ist dann passiert?

Ransmayr: Gotterdämmerung. Ich habe den fatalen Fehler begangen, zu vertrauen. Ich habe meiner lieben Tochter alles überschrieben. Die Firma, die Häuser, einfach alles. (...) Dann wollte meine Tochter den Betrieb komplett ummodeln.

Sommer: Und du wolltest das nicht und dann habt ihr gestritten?

Ransmayr: Exakt. Ein Jahr drauf stirbt meine Frau und meine Tochter setzt mich vor die Tür. Weißt du, was sie zu mir gesagt hat zum Abschied? Jeder kriegt was er verdient. (...) Aber eines schwör ich Dir: Ich komm hier raus. Und zwar nicht erst in der Blechkiste.

Die beste Szene:

Alle, in denen Bibi Fellner sich von ihrer gefühligen Seite zeigt und das zerrüttete Verhältnis zu ihrem Vater aufarbeitet. Der war ein "alter Saufschädel" und prügelte seine Tochter windelweich. Am Totenbett trauert Bibi dann aber doch um ihn. Ganz ohne Alkohol. Denn: "Den Gefallen tu ich ihm nicht."

Die Erkenntnis:

Altersarmut kann bizarre Auswüchse annehmen. Körperlich mögen die Rentner gebrechlich sein, an Arglist stehen sie Jüngeren in nichts nach. Also Vorsicht vor dem nächsten Verwandtenbesuch im Seniorenstift.

Die besten Zuschauerkommentare:

Top:

Wiener Schmäh in allen Facetten: Burgschauspieler Branko Samarovski trumpft als Spion auf, der endlich wieder mitmitschen darf - auch wenn Eisner "immer noch dasselbe Oaschloch" ist wie früher. Und Neuhauser und Krassnitzer kabbeln sich herzlich wie nie durch den Fall - und lockern mit ihrer lässigen Art die Tristesse erheblich auf.

Flop:

Walter White goes Tatort. Mal wieder Crystal Meth, mal wieder Breaking Bad. Anspielungen auf die US-Serie hat man langsam schon zu oft gesehen im deutschen Fernsehen.

Die Schlusspointe:

... ist so der düster wie der ganze Fall. Aber anders wäre Paul Ransmayr nicht ins Paradies gekommen. Jeder kriegt, was er verdient.

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SZ.de/cag/boen
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