Nachlese zum "Tatort" aus Ludwigshafen:Psycho sind die anderen

Ludwigshafen-Tatort "Die Sonne stirbt wie ein Tier"

Ist Gerd Holler der gesuchte Pferderipper - und Mörder? Kommissarin Odenthal verhört den Verdächtigen.

(Foto: © SWR/Alexander Kluge)

Sie wollen mitreden über den "Tatort"? Hier erfahren Sie, warum krankhafte Liebe berührend sein kann und auf wen Kommissarin Odenthal schießt. Die "Tatort"-Nachlese - mit den besten Zuschauerkommentaren.

Von Johanna Bruckner

Darum geht's:

Um die Flucht vor dem eigenen Ich. Vordergründig auch um den Mord an Pferdepfleger Heiko Dahl, der eines Morgens erstochen im Stall aufgefunden wird. Die spannenderen Geschichten in "Die Sonne stirbt wie ein Tier" spielen am Rande der Mordermittlung. Da sind Pferdehofbesitzer Konstantin Yildiz und seine Verlobte Sylvia Magin, deren Beziehung vor allem auf Geheimnissen und Misstrauen basiert. Kommissarin Lena Odenthal, eigentlich zur Reha auf dem Land, kann sich nicht so klar vom Job abgrenzen, wie es ihr Therapeut gerne hätte - und wird von Träumen geplagt, die mindestens so grausam sind wie eine Serie von Tierschändungen in der Pfalz-Idylle. Der Hauptverdächtige Gerd Holler stalkt seine Nachbarin und versteckt ein Messerset in seiner Gartenlaube. Aber das Herz des Zuschauers zieht sich bei Hollers verletzlichen Momenten zusammen.

Lesen Sie hier die Rezension von SZ-Tatort-Kritiker Holger Gertz:

Bezeichnender Dialog:

Gerd Holler geht nachts mit seinem unwissenden Stalking-Opfer Paula Bender am Rheinufer spazieren. Die beiden blicken auf das hell erleuchtete Ludwigshafen.

Gerd Holler: Manchmal finde ich, das sieht aus wie ein Raumschiff, kurz vorm Start.

Paula Bender: Und wo fliegt es hin?

Gerd Holler: Auf einen dunklen Stern.

Paula Bender: Das ist schon klar. Und das bringt dich nach Hause, gell. Nach - Hause - telefonieren.

Gerd Holler: Du bist blöd.

Paula Bender: Was ist so dunkel bei dir?

Gerd Holler: Nichts. Wenn ... Wenn ich was liebe, dann habe ich Angst davor.

Paula Bender: Warum?

Gerd Holler: Ich habe Angst, dass ich das dann kaputtmache.

Paula Bender: Also bist du immer auf der Flucht?

Die beiden küssen sich.

Paula Bender: Scheißegal. Dann lass uns rennen.

Die besten Zuschauerkommentare:

Die beste Szene:

Stute Sheila liegt halbtot, brutal massakriert, im Gras. Das Pferd muss erschossen werden, konstatiert der Tierarzt. "Nicht mit der Dienstwaffe!", wendet ein diensteifriger Kollege von Kommissarin Odenthal und Fallanalytikerin Johanna Stern ein. Aber er habe nicht die notwendige Spritze dabei, sagt der Tierarzt. Also lässt sich Odenthal, noch im Traningsanzug vom morgendlichen Joggen, eine Pistole geben. Das Pferd schließt die Augen, öffnet sie wieder, schluckt schwer, Odenthal zögert - dann knallt ein Schuss.

Top:

Münsteraner Humor im pfälzischen Pferdestall: "Wär' der arme Teufel doch einfach nachts im Bett jeblibbe", sagt Kriminaltechniker Peter Becker beim Blick auf den toten Heiko Dahl. "Hinterher weiß man immer mehr", entgegnet nicht minder trocken eine Kollegin. Boerne und Thiel könnten es nicht besser ausdrücken.

Flop:

Mord, Tierquälerei, Stalking, Eifersucht, eine herzlose Mutter, die ihren pubertierenden Sohn ins Heim abgeschoben hat, eine biedere Pferdehofbesitzerin mit Porno-Vergangenheit und ein aufgebrachter Bauernmob - das ist viel für einen Tatort. Zu viel. Aber besonders unglaubwürdig wirken die Verlobten Magin und Yildiz (Alma Leiberg und Ercan Karacayli): Ihre Psychospielchen sind eher hölzern als beklemmend.

Bester Auftritt:

Ben Münchow und Lisa Charlotte Friedrich als Gerd Holler und Paula Bender. Sie schaffen eine Illusion von Happy End - und das, obwohl ihre Liebe von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Am Ende wird Lena Odenthals böser Traum wahr: Blut weht ins Gesicht.

Die Erkenntnis:

"Man kann sich das Glück nicht einfach so nehmen, das muss passieren", sagt Gerd Holler im Verhör. Manchen passiert es nie.

Die Schlusspointe:

Psycho - das will keiner der Protagonisten sein. Nicht Gerd Holler, aus dem immer wieder dieser Satz herausbricht: "Ich bin kein Psycho!" Nicht Lena Odenthal, die ihr Seelenheil in Abgrenzug sucht (auch von Kollege und Mitbewohner Kopper). Und nicht Sylvia Magin, die bei Druck mal wimmernd auf dem Sofa liegt, mal hyperventilierend in eine Tüte atmet. Doch irgendwann ist die Flucht vor dem eigenen Ich zu Ende.

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