Süddeutsche Zeitung

Nachlese zum Odenthal-"Tatort":Zeit für den Wachwechsel

Sie wollen mitreden über den "Tatort"? Hier erfahren Sie, warum sich Lena Odenthal vor ihrer Katze fürchtet und was Karl-Theodor zu Guttenberg mit "Blackout" zu tun hat. Die "Tatort"-Nachlese - mit den besten Zuschauerkommentaren.

Von Carolin Gasteiger

Darum geht's:

Eine Immobilienmaklerin findet ihren Mann tot in einer ihrer Musterwohnungen auf - mit einer Flasche Champagner im Hintern. Hatte er etwas mit der jungen Frau zu tun, die unter Einfluss von K.O.-Tropfen nachts von der Polizei aufgegriffen wurde? So viel zum Mord. Aber der Fall "Blackout" passt auch zu Lena Odenthal, die in ihrem 60. Einsatz - und zugleich nach 25 Jahren Tatort - ziemlich ramponiert durch den Fall taumelt. Lebenskrise? Burn- statt Blackout? Beides. Allen voran Kollege Kopper macht sich um die Kommissarin Sorgen.

Lesen Sie hier die Rezension von SZ-Tatort-Kritiker Holger Gertz:

Bezeichnender Dialog:

Lena Odenthal sitzt immer noch in der Bar, in der sie den ganzen Abend über ermittelt hat. Der Barkeeper spendiert ihr einen Gin Tonic - und ein typisches Bargespräch.

Barmann: Auf dich wartet wohl niemand zu Hause.

Odenthal: Doch, meine Katze.

Barmann: Ist das nicht ein bisschen viel Klischee? Einsame Kommissarin mit Katze?

Odenthal: Wer sagt denn, dass ich einsam bin?

Barmann: Es ist Sonntagmorgen, du bist seit acht Stunden hier. Klar, du hattest super Gespräche mit mir und dem Taxifahrer. Ich sags dir besser gleich: Ich hab einen Mann zu Hause.

Odenthal: Was soll das jetzt?

Barmann: Nicht, dass irgendwelche Missverständnisse auftauchen.

Odenthal: Sehe ich so bedürftig aus?

Barmann: Du siehst super aus. Ich wollte dich auch nicht beleidigen. Aber ich bin Barkeeper und hab so meine Erfahrungen gemacht. Genau wie ihr Polizisten auch.

Odenthal: Jetzt red bloß nicht von Scheißerfahrungen. Das heißt doch nur, dass wir alt sind. Soll ich dir mal von meiner größten Angst erzählen? Meine größte Angst ist, dass ich irgendwann allein zu Hause sterbe und dass mich niemand findet, weil mich niemand vermisst. Und dass meine Katze mich nach ein paar Tagen, wenn das Katzenfutter aufgebraucht ist, anfängt, aufzufressen."

Die beste Szene:

In diesem Fall kommt die, noch bevor der Film richtig angefangen hat. Eine junge Frau läuft über eine Autobahnbrücke; ihre Lederpumps tappen in Regenpfützen, die bunten Lichter der Scheinwerfer verschwimmen. Dazwischen Flashbacks mit einem Mann in einer Bar, Schnitt, zurück in die Wirklichkeit, verwirrt bilckt die Frau um sich, als fühlte sie sich verfolgt. Eine Szene voll Drama und Verwirrung - aber in ästhetischen Bildern.

Die besten Zuschauerkommentare:

Top:

Kopper! Odenthals Sidekick ist offenbar der Einzige, der die Verfassung seiner Kollegin mit klarem Kopf betrachtet und ihr immer wieder gut zuredet. Vergeblich. Aber als Odenthal vor lauter Erschöpfung ihren Dienstwagen in den Straßengraben bugsiert, platzt Kopper endgültig der Kragen. "Deine Sturheit kotzt mich an. Als ob die Welt zusammenbrechen würde, wenn Lena Odenthal mal eine Pause machen würde. Das ist doch kein Heldentum. Das ist Blödheit." Wie wahr.

Flop:

Lena Odenthals Märtyrer-Allüren. Sätze wie "Du schläfst schon seit Wochen nicht mehr" oder "Schlafen Sie sich aus" geraten in "Blackout" zum inflationärem Füllmaterial, das am falschen Stolz der Kommissarin abperlt. Was um Himmels willen muss diese Frau der Welt beweisen? Immerhin dürfte sich die Kaffee-Lobby freuen über so viel Präsenz in "Blackout": Ohne das Heißgetränk, mal in der Tasse oder im Pappbecher, würde Odenthal den Fall wohl kaum durchstehen.

Bester Auftritt:

Das ist doch ... ? Genau. Zumindest in Bayern kennt man Stefan Murr aus den amüsanten Nockherberg-Singspielen, in denen er drei Jahre lang als geschniegelter Karl-Theodor zu Guttenberg auftrat. In "Blackout" spielt er Tobias Wagner, den eifersüchtigen Bruder des Toten, und zeigt überzeugend ernste Facetten.

Die Erkenntnis:

Lena Odenthal ist durch. Mit sich, mit ihrem Alter, mit ihrem Job. Sie nimmt die Ermittlungen persönlich und muss sich auffallend viele blöde Sprüche anhören, wie "Was sind Sie bloß für ein Mensch?" oder "Sie werden auch nicht jünger". Und dann tritt ausgerechnet in diesem Fall eine neue Assistentin auf den Plan. Wenn im SWR-Tatort tatsächlich ein Wachwechsel bevorsteht, wäre er mit diesem Drehbuch geschickt vorbereitet.

Die Schlusspointe:

Auch dieses Mordopfer konnte Lena Odenthal nicht retten. Als Kopper sie von der Toten wegzerrt, wehrt sie sich, wird fahrig und versucht, sich loszureißen. Pure Verzweiflung. Oder eine eindeutige Bitte um die Frühverrentung.

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