Nachlese zum Dortmunder "Tatort":Faber kommt ins Grübeln

Tatort: Hundstage

Warum sind Sie Polizist geworden? Diese eine Frage bringt Faber in "Hundstage" komplett aus der Fassung.

(Foto: WDR/Wolfgang Ennenbach)

Warum der exzentrische Kommissar auf einmal seinen Job nicht mehr versteht - und alle durchdrehen. Die "Tatort"-Nachlese.

Kolumne von Carolin Gasteiger

Darum geht es:

Am Dortmunder Hafen wird die Leiche eines Topmanagers aus dem Wasser gezogen. Kommissarin Bönisch kennt den Toten von einem Fall vor 14 Jahren. Damals wurde der kleine Sohn von Max Dehlens vermisst - und nie wieder gefunden. Jetzt ist Dehlens tot. In Bönisch kommen Erinnerungen hoch, an die Hitze des Sommers und an den vermissten Tommy, der nie gefunden wurde. Ihr eigener Sohn war damals schwer krank, vielleicht hätte sie den Fall abgeben sollen. Auch Kommissar Faber kommt ins Grübeln und irgendwann völlig aus dem Gleichgewicht, aufgrund der simplen Frage des Polizeipsychologen: "Warum sind Sie Polizist geworden?" Ja, warum eigentlich?

Hier lesen Sie die Rezension von SZ-Tatort-Kritikerin Katharina Riehl:

Bezeichnender Dialog:

Martina Bönisch und ihr Kollege Faber versuchen am Hafen, den Tathergang zu rekonstruieren. Aber Faber zieht irgendwie nicht mit, ihm geht etwas ganz anderes durch den Kopf.

Faber: Warum ich Polizist bin, hat der Seelenklempner gefragt. Plötzlich komm' ich nicht mehr klar. Ich fische die Unverletzte zuerst aus dem Wasser, ich kann mich nicht mehr einfühlen. Nix, leer.

Bönisch: Wegen dieser einen Frage?

Faber: Tja. Wie ist das, wenn man einer Hummel klar macht, dass sie eigentlich gar nicht fliegen kann?

Schweigen.

Faber: Wie haben Sie das gemeint - "bescheuert, das Glück"?

Bönisch: Kennen Sie das nicht? Eine Erinnerung plötzlich oder ein Foto von früher - Musik, ein Geruch. Und plötzlich weiß man: Da, in dem Moment, da war ich glücklich. Aber damals hat man es gar nicht gemerkt. Hätte man, dann wäre vielleicht einiges anders gelaufen. Besser. Vielleicht.

Beste Szene:

Faber steht mit Eva Dehlens in deren Garten, durch die offene Haustür sehen die beiden Martina Bönisch auf der Straße vor dem Haus stehen. Bönisch plagt das schlechte Gewissen, jedes Mal, wenn sie Eva Dehlens gegenübersteht. Und Faber liebt es zu provozieren. Als würde er es zu sich selbst sagen, flüstert er Dehlens zu: "Jemand muss Schuld haben, wie soll ich es sonst ertragen" und gibt Dehlens seine Pistole in die Hand. Kameraschwenk auf Bönisch. Und weiter: "Ich habe mein Kind verloren." Dehlens' Hand hebt die Waffe, zielt und zittert. Wird sie wirklich abdrücken?

Die besten Zuschauerkommentare:

Top:

Faber und Bönisch nimmt der Fall ziemlich mit. Beide kämpfen auf ihre Weise mit ihren Befindlichkeiten und rücken eng zusammen, was Regisseur Stephan Wagner fein und berührend einfängt. Vor allem Faber, der nach außen gern laut poltert, wird auf einmal ganz handzahm, wenn er mit Bönisch allein ist. Wie nahe sich die beiden inzwischen stehen, gipfelt in "Hundstage" in der folgenreichen (!) Frage des Kommissars an seine Kollegin: "Wie gut kennen Sie mich eigentlich?"

Flop:

Der Fall spielt in der Affenhitze der sogenannten Hundstage - und lässt alle Beteiligten durchdrehen. Ein bisschen zu viel, selbst für Dortmunder Verhältnisse. Nora Dalay und Bönisch zicken sich an, ein kleines Mädchen zündet sich an und Daniel Kossik haut Faber eine rein. Bönischs treffende Bemerkung: "Abteilung Neandertal." Bleibt zu hoffen, dass der nächste Fall im Herbst spielt und sich die Gemüter wieder beruhigen.

Bester Auftritt:

Maren Eggert kennen Fans als smarte Assistentin und spätere Verlobte des Kommissars im Kieler Tatort. In "Hundstage" spielt sie die aufgewühlte Mutter Eva Dehlens - und changiert dabei gekonnt zwischen Verzweiflung und Skrupellosigkeit.

Die Erkenntnis:

Aus seiner Identitätskrise findet Faber erst heraus, als ein handfestes Unglück passiert - und er den Täter überführen kann. Ohne Verbrecherjagd kann Faber nicht, erst dann ist er er selbst. Auch wenn er seine Familie noch so sehr vermisst.

Die Schlusspointe:

Endlich kommt der Regen. Als der wahre Täter feststeht, donnert es gewaltig und alle richten den Blick nach oben, gen Himmel. Hoffnungsvoll die einen, die anderen erleichtert. Faber tut das Ende der Hitze besonders gut, er spaziert im Regen weiter - direkt zum Psychologen. Muss ja weitergehen, irgendwie.

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