Süddeutsche Zeitung

Nachfolge bei "The Daily Show":Der neue Jon Stewart muss eine Frau sein

  • Jon Stewart hinterlässt bei der Daily Show eine große Lücke.
  • Mögliche Nachfolger gibt es dennoch genug - einige davon hat der Meister der Polit-Satire selbst ausgebildet.
  • Die richtige Entscheidung könnte dem Sender Comedy Central am Ende vor allem eines abverlangen: Mumm.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Natürlich hob Jon Stewart seine linke Augenbraue, als er im vergangenen April einen Kommentar zu Sexismus in der amerikanischen Politik abgab. Es ging darum, dass es Frauen oftmals als Schwäche ausgelegt wird, wenn sie öffentlich Emotionen zeigen - während eine ähnliche Reaktion bei Männer als Empathie gilt. Stewart hob also seine Augenbraue und sagte: "In politics, it's okay to be a pussy - as long as you have a dick."

Das ist der Humor von Jon Stewart, es muss beim Lachen auch immer ein bisschen wehtun. Am Dienstag tat es den Fans der Sendung auch ohne Witz weh: Stewart hört als Moderator der Satiresendung Daily Show auf - das verkündete er am Ende der Episode. "Ich habe keine konkreten Pläne", sagte er: "Mir gehen gerade so viele Dinge durch den Kopf, ich habe so viele Ideen." Die Erklärung kam überraschend - so überraschend, dass der Sender Comedy Central eilig ein Statement verfasste, dass Stewart vorerst weitermachen und die Show fortgeführt würde.

Genau das führt jedoch zu der Frage: Wer soll, wer will, wer kann Jon Stewart nachfolgen?

Weiße Männer vor der Skyline einer US-Großstadt

Er selbst erklärte, dass die Sendung und ihre Zuschauer niemanden verdienen würden, der wie er selbst derzeit ein wenig rastlos sei. Die Suche beginnt - und eine nicht unbedeutende Rolle dürfte dabei Stewarts Aussage vom vergangenen April spielen.

Noch gilt nämlich in der amerikanischen Politik wie im Fernsehen: Es ist okay, eine amerikanische Late-Night-Show zu moderieren, solange du ein Mann bist. Bei allen Veränderungen in der amerikanischen Spätabend-Unterhaltung wirkt die Besetzung des Moderators noch immer sexistisch, es sind meist weiße Männer, die da vor der Skyline einer US-Großstadt am Schreibtisch sitzen.

Wer auch immer Stewart nun nachfolgt, wird vor einer großen Herausforderung stehen - unabhängig vom Geschlecht. Stewart hat mit Satire geschafft, was Journalisten mit all ihrer zur Schau gestellten Ernsthaftigkeit oftmals verwehrt bleibt: Er hat dafür gesorgt, dass sich die Menschen für Politik interessieren. Er war mehr als ein Entlarver der Heuchelei, mehr als ein popkulturelles Phänomen politikverdrossener Menschen, denen die Daily Show tatsächlich als Primärquelle von Nachrichten diente.

Wer traut sich wirklich zu, den Präsidentschaftswahlkampf im kommenden Jahr (womöglich Bush gegen Clinton) derart genial aufzubereiten, wie es Stewart getan hat?

Kandidaten gibt es genug, die Sendung diente schließlich auch als Comedy-College, als Ausbildungsstätte für lustige Menschen. Rob Coddry, Ed Helms, Steve Carell, John Oliver, Rob Riggle, Larry Wilmore und Stephen Colbert begannen ihre komödiantischen Karrieren als Korrespondenten bei Stewart, der dabei stets den väterlichen Förderer gab. Alle wurden in den vergangenen Jahren als mögliche Nachfolger genannt - gelten nun jedoch als eher unabkömmlich.

Carell, Riggle, Helms und Coddry sind als Schauspieler und Bühnenkomiker tätig, die anderen haben gerade erfolgreich an der Late-Night-Reise-nach-Jerusalem teilgenommen: Wilmore folgte auf dem Sendeplatz nach der Daily Show auf Colbert, der selbst von September an Nachfolger von David Letterman wird. Oliver bekam eine eigene Satiresendung auf dem Pay-TV-Kanal HBO, über die er kürzlich sagte: "Ich liebe es hier. Ich kann machen, was immer ich möchte."

Comedy Central gab jüngst den Vorreiter bei dem Versuch, die Late Night zu diversifizieren: Der Sender verpflichtete den Afroamerikaner Larry Wilmore - nicht als Nachfolger von Colbert, sondern als Moderator einer komplett neuen Show, die The Nightly Show heißt und bislang positiv aufgenommen wird. Und die Bühne ist längst bereitet für eine komische Frau.

Möge die Beste am Schreibtisch Platz nehmen

Chelsea Handler verhandelte bereits mit CBS über die Nachfolge von Letterman und arbeitet gerade an einer Talkshow, die von 2016 an auf Netflix ausgestrahlt werden soll. Amy Poehler und Tina Fey wird nach ihrem grandiosen Auftritt bei den Golden Globes zugetraut, durchaus auch gemeinsam eine Spätabend-Sendung übernehmen zu können. Und natürlich hat Stewart selbst auch geeignete Nachfolgerinnen ausgebildet: Samantha Bee etwa, Kristen Schaal oder Jessica Williams.

Es waren knifflige Monate für Comedy Central, der Kabelsender hat nacheinander John Oliver, Stephen Colbert und Jon Stewart verloren. Doch darin liegt auch eine Chance: Die Verantwortlichen haben Stewart im Jahr 1999 eine Chance gegeben, als der bereits als ewiges Talent galt. Sie waren 2005 mutig genug, The Colbert Report auszustrahlen. Und sie vertrauen seit wenigen Tagen auf Wilmore als Nachfolger auf dem Sendeplatz von Colbert.

Sie könnten nun Tina Fey engagieren oder Kristen Schaal oder Samantha Bee oder Jessica Williams - nicht deshalb, weil sie weiblich sind, sondern weil sie am besten geeignet sind.

Jon Stewart würde dazu wohl sagen, dass es für so eine Entscheidung Eier in der Hose braucht.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2345952
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/jobr/dd
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.