Nach Unfall bei "Wetten, dass..?":"Weg von der Sensationslust"

Lehren aus dem Unfall: Das ZDF will "Wetten, dass..?" zähmen, doch vielen Medienpolitikern ist das zu wenig. ZDF-Verwaltungsratschef Kurt Beck fordert eine Quotendebatte in dem öffentlich-rechtlichen Sender.

Einen so schweren Unfall hat es in 29 Jahren Wetten dass..? nicht gegeben. Am Samstag wurde Europas größte TV-Show erstmals abgebrochen, nun muss sich das ZDF vielfältigen Vorwürfen erwehren. Einer lautet: bei der Jagd nach Quoten fahrlässig die Gesundheit eines Kandidaten aufs Spiel gesetzt zu haben.

Das ZDF will Konsequenzen aus dem Unfall ziehen, kündigte ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut an. "Klar ist natürlich, dass wir bei Wetten, dass..? nicht einfach zur Tagesordnung übergehen", so Bellut. "Wir müssen und wir werden bei der Auswahl der Wetten die Lehren aus dem Unfall ziehen." Bellut kündigte eine genaue Untersuchung des Unfalls durch das ZDF an.

29 Jahre lang habe es bei Wetten, dass..? immer wieder sportive Wetten gegeben, so Bellut weiter. "Und es ist nichts Schwerwiegendes passiert." Bei jeder Sendung sei ein Sicherheits-Ingenieur dabei. Auch diesmal habe es in den Proben keine Hinweise gegeben, dass die Wette nicht machbar oder zu gefährlich sei.

Kurt Beck, Chef des ZDF-Verwaltungsrats, geht das nicht weit genug. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident fordert eine Quotendebatte in dem öffentlich-rechtlichen Sender. Das ZDF dürfe gewissen Fragen nicht ausweichen. "Natürlich müssen wir über die Themen sprechen: Wann werden die Grenzen des Verantwortbaren überschritten? Wie viel Risiko darf man eingehen? Und natürlich müssen wir auch über die Themen Nervenkitzel, Waghalsigkeit und Quote reden", sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident der Zeitung Die Welt.

Der medienpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Martin Dörner, forderte ein neues Konzept der Sendung. "Bestimmte Risikowetten sollten in Zukunft nicht mehr stattfinden", sagte Dörner der Zeitung Ruhr Nachrichten. Er sprach sich ebenfalls für eine neue Quotendebatte in den Medien aus und sagte: "Ich wäre sehr dafür, dass wir von der Sensationslust ein Stück weit wieder wegkommen."

Die Grünen-Medienpolitikerin Tabea Rößner wollte die Diskussion nicht nur auf das ZDF beschränken. Sie warnte vor einem gefährlichen Buhlen um Fernsehzuschauer auf dem gesamten Fernsehmarkt. Sie appellierte an das Verantwortungsbewusstsein der Fernsehmacher, "im Kampf um bessere Quoten das Maß nicht zu verlieren". Die Zuschauer müssten sich fragen, ob sie den Druck des Höher, Schneller, Weiter wollten.

"Eine Herausforderung ohne doppelten Boden"

René Lay, Geschäftsführer beim Bundesverband deutscher Stuntleute und selbst erfahrerener Stuntman, nimmt das ZDF unterdessen in Schutz. Dem Radiosender HR-Info sagte er, der Stunt sei "eine Herausforderung ohne doppelten Boden" gewesen, aber er glaube, jeder Skisprung-Wettbewerb, jede Formel-1-Übertragung berge das Risiko für Leib und Leben.

Lay war selbst einmal Kandidat bei Wetten, dass..? und lobte in einem dpa-Gespräch das Verantwortungsbewusstsein des ZDF.

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