Süddeutsche Zeitung

Mutmaßliche G-20-Täter am Pranger:Alle mal hersehen

Die "Bild"-Zeitung veröffentlicht auf der Titelseite Fotos von mutmaßlichen G-20-Tätern und erntet Kritik, weil man ohne Absprache mit den Behörden Menschen an den Pranger stelle. Beim Verlag ist man mit der Geschichte trotzdem zufrieden.

Von Karoline Meta Beisel und Katharina Riehl

Fünf Köpfe in schwarzen und weißen Rahmen zeigte die Bild-Zeitung an diesem Montag auf ihrer Titelseite, fünf Gesichter herangezoomt aus Fotos von den Hamburger Krawallen am vergangenen Wochenende. Die Titelzeile: "Gesucht! Wer kennt diese G-20-Verbrecher"? Dazu, etwas kleiner: "Sachdienliche Hinweise bitte an die nächste Polizei-Dienststelle".

Bild forderte ihre Leser mit Bildern zur Suche nach mutmaßlichen Tätern auf. Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten: so stelle man die Gezeigten an den Pranger.

Grundsätzlich gelten in Deutschland mit Blick auf die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen strenge Regeln für öffentliche Fahndungsaufrufe. So darf nach unbekannten Tatverdächtigen nur öffentlich gesucht werden, wenn es um Straftaten von erheblicher Bedeutung geht; grundsätzlich muss ein Richter entscheiden.

Wenn bei Aktenzeichen x,y.... ungelöst nach Unbekannten gefahndet wird, liegt dem Sender zufolge darum stets ein richterlicher Beschluss zugrunde.

Auf Nachfrage bei der Hamburger Polizei, die ihrerseits öffentlich um die Zusendung von Beweisfotos gebeten hatte, bekommt man am Montag aber die sehr bestimmte Antwort: Wir haben damit nichts zu tun.

Auch der Springer-Verlag erklärt, die Bilder ohne Absprache mit der Hamburger Polizei veröffentlicht zu haben, verweist aber auf Twitter: Dort hatte die Berliner Polizeigewerkschaft den Bild-Aufruf weiterverbreitet, was man bei Springer offenbar als eine Art nachträgliche Zustimmung des Rechtsstaats versteht.

Presserat hält Berichterstattung der "Bild" für diskussionswürdig

Beim Presserat, dem Selbstkontrollorgan der deutschen Medien, heißt es auf Nachfrage, dass bereits zwei Beschwerden zu dem Thema eingegangen seien, man die Sache prüfen werde und darum noch keine abschließende Bewertung vornehmen könne. "Wir halten die Berichterstattung aber durchaus für diskussionswürdig", sagt eine Sprecherin.

Bild-Chef Julian Reichelt erklärte in einem Live-Video auf Facebook, wenn einer der Gezeigten auf sein Recht am eigenen Bild pochen wolle, könnte er oder sie sich gerne an ihn oder die Rechtsabteilung wenden. Man werde diese Daten aber nicht vertraulich behandeln, sondern an die Polizei weitergeben - würde die Fotos in dem Fall aber auch löschen. Dann, so Reichelt, seien die Daten ja "da, wo sie hingehören, nämlich bei der Polizei".

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Quelle:
SZ vom 11.07.2017/pak
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