Der Regen klatscht gegen die Scheiben. Im SB-Restaurant der Raststätte Lechwiesen Nord an der A 96 pusten Menschen gedankenverloren in ihre Heißgetränke. Davor föhnen provisorische Abluftrohre warmen Frittiergeruch in den Eingangsbereich, es wird umgebaut. Plakate werben für das Burgermenü zu 8,99. "Ganz neu, ganz frisch" steht da.
Andy Borg ist auf der Durchreise. Tags zuvor ist er in der Kundenhalle der Sparkasse Leverkusen aufgetreten, nachts zurück in sein Dorf bei Passau gefahren, am Abend singt er in Bad Ragaz auf dem Fest des Schweizer Volksmusikers Stefan Roos. Er fährt immer selbst mit dem Auto, die Bühnen-Outfits sind im Heck seines Geländewagens auf einem Besenstiel aufgereiht. "Wo ich auftrete, da gibt es keine Flughäfen", sagt er und zuckt lachend mit den Schultern. Er trägt Jeans, Fleecejacke, Turnschuhe. Eine Tasse mit "Früchtezauber" steht vor ihm, neben ihm sitzt seine Frau Birgit, die ihn immer begleitet.
"Stadl 2.0 ist, als würde man ein brandneues Betriebssystem in einen Commodore 64 einbauen."
Borg kommt immer von irgendwoher und ist auf dem Weg nach irgendwohin. Er ist einer der am besten gebuchten Sänger des Schlagers und der Volksmusik, was auch mit dem Musikantenstadl in der ARD zu tun hat, den er seit 2006 moderiert. Nun aber hat ihm jemand eine Ausfahrt eingezeichnet, die er so nicht vorgesehen hatte.
Der Stadl soll jünger werden, Andy Borg, 54, ist nicht jung genug, muss gehen. So haben das die Sender ORF, BR und SRF entschieden, die Österreicher als Hauptverantwortliche der Eurovisionssendung, flankiert von den Deutschen und den Schweizern. Das neue Konzept heißt "Stadl 2.0". Zwei Shows soll Borg noch moderieren. Die letzte Ende Juni aus Pula in Kroatien - und die vorletzte, symbolträchtigste am Samstag aus Oberwart in Österreich. Sie steht im Zeichen des Todes von Karl Moik. Der Gründer des Musikantenstadls ist am Donnerstag mit 76 Jahren gestorben.
Andy Borg ist ein höflicher Mensch, was nicht zwingend damit zu tun hat, dass er in seiner Jugend, als er noch Adolf Andreas Meyer hieß, einen Benimmkurs absolviert hat. Da war er Mechaniker in Wien, hat Schneepflüge für die Stadt repariert, bevor er Anfang der Achtzigerjahre in einem Talentwettbewerb des ORF als Schlagersänger entdeckt wurde. Er hat also bislang Fragen zu seinem Rauswurf brutalstmöglich weggelächelt, seinen drahtigen Frisurhybrid aus Helmut Markwort und Camilla Parker-Bowles geschüttelt. Heile Welt, darum geht es doch in der Volksmusik.
Irgendein Senderverantwortlicher hat an diesem verregneten Tag etwas von "entstauben" im Zusammenhang mit dem Stadl gesagt. "Jetzt bin ich also nicht nur alt, sondern auch noch verstaubt", sagt Andy Borg. Er klingt nicht bitter, sondern verwundert, als versuche er zu verstehen, was da gerade passiert. Es sei nicht so, dass er auf die vier Mal Stadl im Jahr angewiesen sei, wischt er Fragen nach dem Danach fort. Er habe sein altes Leben immer behalten, Schlagerfeste, Sparkassen, so etwas. "Ein Segen", sagt seine Frau Birgit. Früher war er 200 Tage im Jahr unterwegs, für den Stadl hat er die Auftritte ein wenig heruntergefahren. "Aber natürlich ist es der Gipfel für jeden, eine Samstagabendshow zu moderieren. Wer anderes behauptet, redet Unsinn."