Dokus über Muhammad Ali:Herr der Ringe

Dokus über Muhammad Ali: Muhammad Ali war einer, der gewann, weil er sich nicht auf sich selbst verließ, sondern auf alle.

Muhammad Ali war einer, der gewann, weil er sich nicht auf sich selbst verließ, sondern auf alle.

(Foto: SWR)

Kaum ein Sportler hat die Menschen so zuverlässig spät vor den Fernseher gelockt wie Muhammad Ali. Eine lange Fernsehnacht zu Ehren des Boxers, der jetzt 80 wäre.

Von Holger Gertz

Dass der Boxer Muhammad Ali mehr als ein Boxer war, more than a champion sogar, weiß jeder. Aber was war er denn? Zunächst mal war er auch der beste Darsteller seiner selbst. Ein Mann, der früh verstanden hatte, was es bedeutet, ein Mythos zu sein, und der sich dementsprechend benahm. Eine derart charismatische Athletenfigur wie Ali hat es selten gegeben, verglichen mit ihm sind viele Idole der Gegenwart, vom Schlage Djokovic, nur Idolchen. Auch deshalb haben immer wieder Filmteams das Sein und Wirken dieses Boxers dokumentiert. Und Ali hat, umgekehrt, genau registriert, welches Bild sich andere von ihm gemacht haben. In der Biografie "King of the World" von David Remnick kommt der alte Ali, der dem jungen Ali im Fernsehen zusieht, mehrfach vor, Remnick schreibt: "Als der Dokumentarfilm über seinen Triumph in Zaire, 'When We Were Kings', herauskam, sah Ali sich das Band gleich mehrmals an."

Am Montag wäre Muhammad Ali, Geburtsname Cassius Marcellus Clay Jr., 80 Jahre alt geworden, das nimmt der SWR zum Anlass für eine Hommage, die in der ARD-Mediathek zu sehen ist, aber von Sonntag auf Montag auch in einer langen Muhammad-Ali-Nacht im Ersten - eine charmante Ehrerbietung einem Mann gegenüber, der früher auch in Deutschland seine vielen Fans nachts vorm Fernseher versammelte wie sonst nur die Mondmänner. Der telefonische Weckdienst war ausgebucht vor Alis Kämpfen. Erinnerung erstaunlich vieler Kinder der Sechziger, Siebziger: nachts aufstehen dürfen, um Ali zuzuschauen, dem Herrn der Ringe, dem Herrn der Bildschirme.

Drei Filme zeigen Ali als einen, der immer mit anderen in Kontakt sein wollte

Gezeigt werden drei Dokumentationen, zunächst jener Film, den Ali laut Remnick mehrmals geschaut hat. "Einst waren wir Könige" heißt er auf Deutsch, viele Hundert Stunden Material über den "Rumble in the Jungle" gegen George Foreman hat der Regisseur Leon Gast 1996 zu einem Psychogramm verdichtet. So platt großmäulig war das Großmaul Ali ja nie, tatsächlich war er als Mensch und Boxer immer angewiesen auf den Draht zum Publikum. Das zeigt dieser Film, da ist er kein Sportfilm, sondern eine Geschichte über einen, der aus Respekt vor dem Gegner sich mit der Masse kurzschließt. Der, auch aus Angst vor dem als unschlagbar geltenden Foreman, die Fans schon vor dem Duell auf sich einschwört und ihnen den Schlachtruf einhämmert, Ali, boma ye - Ali, töte ihn. Dessen Hybris kontrollierte Hybris ist, vor diesem Kampf. Der schließlich gewinnt, weil er sich nicht auf sich selbst verlässt, sondern auf alle.

Am Ende dieses Films erzählt der Autor George Plimpton, einer der nennenswerten Ali-Interpreten, wie er nicht nur bei Alis Kampf dabei war, sondern auch bei Alis Vortrag an der Harvard University. Vor 2000 Studenten hatte er eine Rede gehalten, über Motivation, die Stimulation innere Kräfte, all dieses, und am Ende rief jemand: "Schenk uns einen Vers!" Vielleicht hatte Ali sich die Worte zurechtgelegt, vielleicht waren sie ihm spontan eingefallen, er stand vor den Studenten, und dann sagte er das kürzeste Gedicht der Welt auf, es handelt vom Vernetztsein jedes Einzelnen mit der Welt: "Me - We." Ein Gegenbild zur Gegenwart mit ihren Vereinzelungen.

Wer mit Ali in den Ring stieg, hatte mehrere Gegner: den Mythos, den Sportler, das Vorbild

Im zweiten Film, "Facing Ali" von Pete McCormack (2009), wird Ali beschrieben aus der Sicht seiner Gegner. Der Boxer hat alle wachsen lassen, die mit ihm zu tun hatten, denn der Kampf gegen Ali war immer auch der Kampf ihres Lebens, daran lässt keiner der alten Rivalen einen Zweifel. Und McCormack hat sie alle besucht, und sie haben alle noch mal auf den Sandsack gehauen für ihn: Ken Norton, Earnie Shavers, Joe Frazier, George Foreman, Leon Spinks, George Chuvalo, Sir Henry Cooper, Larry Holmes. Sie sprechen über Ali, der seine Sportart revolutioniert hat, und über Ali, den Charismatiker. Wer mit ihm in den Ring stieg, hatte nicht einen Gegner, sondern immer mehrere: den Mythos, den Sportler, die Figur, das Vorbild und schließlich die Legende, die schon ein paar Kämpfe zu viel hat. Ein Boxer, der sich allmählich zerstört, einerseits. Und sich dadurch zum Helden macht, andererseits. Der sich allmählich in die Parkinsonsche Stille zurückzieht, aber immer noch mitkriegt, was die anderen sich über ihn erzählen.

Larry Holmes, der alte Gegner, erzählt in "Facing Ali" von seinem Fight gegen einen alten, kaputten, wehrlosen Ali, der sein Alter von 38 Jahren verdrängt hatte. Er, Holmes, hätte ihn killen können, aber er nahm Dampf aus den Schlägen, "und nach dem Kampf bin ich in seine Kabine gegangen und habe ihm gesagt, wie sehr ich ihn verehre". Ken Norton, der alte Gegner, erzählt von einem Wiedersehen mit dem kranken Ali - und von der Illusion, dass alles noch mal sein könnte wie gestern, ein echter Kampf geht ja immer weiter: "Das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe, saß er an einem Tisch und malte Bilder. Ich ging rüber zu ihm und sagte: Ali, wir machen's noch mal. Erst saß er nur da, dann drehte er sich ganz langsam zu mir um. Er bekam ganz große Augen und sagte: Norton."

Der letzte Film ist "Soul Power" von Jeff Levy-Hinte, über das Festival "Zaïre 74", denn schon das Rahmenprogramm vom Rumble in the Jungle war ein Weltereignis. Zaires Herrscher Mobutu Sese Seko hatte den Kampf nach Kinshasa geholt, seine Diktatur sollte im Ausland rüberkommen wie ein freies Land, die Maskerade hielt nicht lange, aber der Kampf ist ein Kampf für die Ewigkeit geworden, und das Festival ein Festival für die Ewigkeit. Schlaghosen, Kragenecken und auch sonst alles vom Allerfeinsten: Aus Amerika kamen zum Beispiel James Brown, Bill Withers, aus Afrika Miriam Makeba, Tabu Ley Rochereau, Franco Luambo.

Eine Boxnacht im Ersten, zum Schauen und Staunen, und zu Ehren des Allergrößten, Muhammad Ali, der vom eigenen Bild immer fasziniert war. In Remnicks Biografie schaut der späte Ali dem frühen Ali beim Boxen zu und stellt seinem Gast Remnick dann die Frage jedes Menschen, der sich vergewissern will, dass es ihn noch gibt: "Sehen Sie das? Sehen Sie mich?"

"When We Were Kings", "Facing Ali" und "Soul Power": Montag, 17. Januar, 00.05 Uhr in der ARD und in der ARD Mediathek.

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