Münchner Medientage:Vier Medienchefs verraten ihre Strategien

Marktplätze der Medien: ZDF-Intendant Schächter, G+J-Verlagsgeschäftsführerin Julia Jäkel, Axel-Springer-Mann Keese und Sky-Chef Sullivan über ihre Ideen.

Christina Maria Berr

Brian Sullivan, Sky-Deutschland-Chef

SKY Hauptversammlung

"Die Entwicklung der letzten Monate unterstreicht meinen Optimismus", sagt Sky-Deutschland-Chef Brian Sullivan.

(Foto: picture-alliance / Sven Simon)

Bei der deutschen Pay-TV-Tochter des Konzerns News Corp. von Rupert Murdoch muss Sullivan die Wende gelingen.

sueddeutsche.de: Einige Jahre haben deutsche Medienunternehmen versucht, einen funktionierenden Pay-TV-Markt zu entwickeln. Aber niemand hatte wirklich Erfolg. Sind Sie optimistisch, dass Sky Germany dennoch diese Herausforderung konstruktiv lösen wird?

Brian Sullivan: Ich bin absolut davon überzeugt, und die Entwicklung der letzten Monate unterstreicht meinen Optimismus. Unsere Kundenzahl nimmt zu, die Kündigungsquote sinkt, und wir sehen, dass sich das Thema HD sehr gut entwickelt. Wir sind beim echten HD absoluter Marktführer in Deutschland und Österreich, und die Zahl unserer HD-Abonnenten hat sich innerhalb von zwölf Monaten nahezu verdoppelt.

sueddeutsche.de: Wie sehen die wichtigsten Strategien für Ihr Unternehmen aus, um in der digitalen Welt mehr zu punkten?

Sullivan: In erster Linie sind das die "Nur auf Sky"-Momente, die wir unseren Zuschauern geben wollen. Schärferes Fernsehen durch HD habe ich ja schon genannt. Darüber hinaus stehen für uns kontinuierliche Innovationen im Mittelpunkt, um Sky noch attraktiver für unsere bestehenden und neuen Kunden zu machen. Dazu gehören unser neuer HD-3D-Kanal, den wir am Mittwoch auf den Medientagen offiziell starten, unser HD-Festplattenrekorder Sky+, unsere Sport App für's iPad, unsere Apps für's iPhone und viele weitere Neuerungen in den nächsten Monaten.

sueddeutsche.de: Welche Rolle spielt dabei das Internet?

Sullivan: Wir sind ja schon heute der größte Anbieter von Premium-Sportinhalten im Internet. In unserer Sky Mediathek werden unter www.sky.de/mediathek pro Jahr über 2.500 Videos und insgesamt rund 125 Stunden Material von den wichtigsten Sportevents zur kostenfreien Nutzung eingestellt. Dieses Angebot werden wir kontinuierlich weiterentwickeln und auch auf Nicht-Sportinhalte erweitern. Unsere Zuschauer können sich schon jetzt auf viele neue Services freuen.

Markus Schächter, ZDF-Intendant

Markus Schächter, ZDF-Intendant

ZDF-Fernsehrat in Mainz - Pressekonferenz

"Mit dem Ergebnis des Drei-Stufen-Tests haben wir eine klare Bestätigung unseres Programmauftrags im Internet erhalten" - findet ZDF-Intendant Markus Schächter.

(Foto: dpa)

In der öffentlich-rechtlichen Anstalt ist Schächter in der zweiten Amtszeit auf Posten - und freut sich über den Start des Digitalkanals Neo.

sueddeutsche.de: Wie ist es um die Chancen eines öffentlich-rechtlichen Senders im Internet bestellt? Ist das ZDF durch den Drei-Stufen-Test eine Art gefesselter Riese?

Markus Schächter: Mit dem Ergebnis des Drei-Stufen-Tests haben wir eine klare Bestätigung unseres Programmauftrags im Internet erhalten. Die bestehenden Telemedienangebote stehen damit auf einer soliden Rechtsgrundlage. Neue Angebote sind jederzeit möglich, müssen aber nach dem vorgegebenen Verfahren genehmigt werden.

sueddeutsche.de: Wie kann die ZDF-Tochter Neo auf Dauer in der digitalen Welt ein Erfolgskanal sein?

Schächter: Wir haben bereits in kurzer Zeit mit überschaubarem Aufwand eine spürbare Aufwärtsentwicklung erreicht. Mit einer geschickten Verbindung von Sendungen aus dem Hauptprogramm und neuen innovativen Formaten haben wir eine gute Chance, mit zdfneo jüngere Zuschauer wieder stärker zu erreichen. Wichtig ist, dass in den kommenden Jahren die Digitalisierung in Deutschland rasch voranschreitet. Bislang haben wir für unsere Digitalkanäle nur eine technische Reichweite von unter 50 Prozent.

sueddeutsche.de: Bleibt Werbefinanzierung in den Plänen des ZDF eine feste Größe - oder könnten Sie auch gut ohne leben?

Schächter: Die Werbefinanzierung ist ein gesetzlich vorgegebener Teil der Gesamtfinanzierung des ZDF. Es steht also überhaupt nicht in unserem Belieben, darauf zu verzichten. Zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrages muss - so sieht es die Verfassungsrechtssprechung vor - eine bedarfsgerechte Finanzierung erfolgen. Dafür sorgt in der Praxis die mit unabhängigen Experten besetzte Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) und ein formelles Gesetzgebungsverfahren. Sollte der Gesetzgeber eines Tages den Anteil der Werbefinanzierung streichen, muss nach diesen Grundsätzen eine Kompensation gefunden werden.

Julia Jäkel, Verlagsgeschäftsführerin bei Gruner+Jahr

Julia Jäkel

"Print oder online first - ich finde diesen Gedanken altmodisch", sagt Julia Jäkel - und erklärt ein ihrer Meinung nach perfektes Beispiel.

(Foto: G + J)

Die Managerin in der Bertelsmann-Tochter Gruner + Jahr hat es mit Zeitschriften wie Essen & Trinken, Schöner Wohnen oder Beef zu tun.

sueddeutsche.de: Print first oder online first - wo sollten die Akzente im digitalen Markt gesetzt werden?

Julia Jäkel: Print oder online first - ich finde diesen Gedanken altmodisch. Es gibt die Medien, die sich perfekt in print und online ergänzen, die ganzheitlich denken und deshalb Erfolg haben. Dann gibt es solche Medien, für die es keinen Sinn macht, ihre Websites hochzujazzen, weil sie dies niemals refinanzieren können. Und es gibt solche Online-Angebote, die für sich allein großen Erfolg haben, aber auf Expertise von Print-Titeln zurückgreifen können. Nehmen Sie in meiner Verlagsgruppe Chefkoch.de: Die Site wächst gewaltig, ist sehr gesund, steht für sich allein, nutzt aber hier und da redaktionelle Expertise der Redaktion Essen&Trinken. Das ist perfekt.

sueddeutsche.de: Sehen Sie "paid content" im Zeitschriftenverlagsgeschäft als nennenswerte Erlösquelle - und wie geht man dabei erfolgreich vor?

Jäkel: Zunächst haben Verleger weltweit wohl den Fehler gemacht, ihre Inhalte zu großzügig kostenlos ins Netz zu stellen. Das werden wir nicht mehr fundamental korrigieren können. Aber wir müssen den Hebel da umstellen, wo wir so wertvolle Inhalte haben, für die es zahlende Abnehmer geben wird. Diese Erkenntnis nehmen sich ja bei der Pricing Strategie für iPad-Apps viele Verleger zu Herzen, zum Glück! Und wir auch. Aber eines dürfen wir nicht vergessen: Paid Content ist ein Geschäftsmodell, das uns im klassischen Magazin-Geschäft - guter Copypreis für spannendes Heft - in der Vergangenheit viel Freude gemacht hat und wenn der Inhalt stimmt, uns auch in Zukunft sehr gesunde Renditen verschaffen wird. Betonung auf: Wenn der Inhalt, also das Produkt, stimmt. Daran müssen wir uns immer wieder erinnern. Es ist auch eine Frage des guten journalistischen Handwerks, wer Gewinner und Verlierer der modernen Medienwelt sein wird.

sueddeutsche.de: Welche Zeitschriftensegmente haben die besten Aussichten in der digitalen Welt?

Jäkel: Ganz einfach: Magazine, die starke Optiken haben, Lust machen auf Lesen und gleichzeitig über hohe Service- oder Info-Tiefe verfügen, die werden sich keine Sorgen um ihre Zukunft machen müssen.

Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer Axel Springer AG

Christoph Keese, 2002

"Google ist ein Partner der Verlage", meint Christoph Keese.

(Foto: DPA)

Er war einst Chefredakteur der Welt-Gruppe, davor Frontmann der Financial Times Deutschland - und ist nun das medienpolitische Sprachrohr Springers.

sueddeutsche.de: Ist Google der Feind der Verlage?

Keese: Nein, Google ist ein Partner der Verlage. Nicht nur die Suchmaschine stiftet Nutzen - sie erschließt neue Zielgruppen und Leser. Auch Google-Innovationen wie Living Stories oder You Tube Direct bieten Redaktionen bislang nicht gekannte Möglichkeiten, von denen viele Medien Gebrauch machen werden, wie sich unter anderem beim World Editors' Forum vergangene Woche in Hamburg gezeigt hat. Über Fragen des Urheberrechts wird mit Google zunehmend konstruktiv gesprochen. Eine solche Diskussion, wie sie im Geschäftsleben normal ist, macht Google aber noch lange nicht zu einem Feind.

sueddeutsche.de: Alle Verlage haben bisher ökonomisch nicht oder nur wenig von einer großen Reichweite profitiert. Wie soll sich das ändern?

Keese: Verlage müssen sich Vertriebserlöse erschließen. Allein durch Werbung ist Journalismus im Netz nicht zu finanzieren. Die ersten Ergebnisse sind ermutigend. Wenn Leser etwas wirklich lesen möchten, bezahlen sie auch dafür. Die Höhe der Umsätze in Apples AppStore überrascht derzeit alle Verlage, die dort als Pioniere auftreten. Viele von ihnen haben die Entwicklungskosten in weniger als einem Jahr nach dem Start schon zurückverdient. Das ist erst der Anfang. Überall entstehen neue Marktplätze für Journalismus im Internet. Es ist gut und richtig, dass Wettbewerber zum AppStore entstehen. Noch wissen wir nicht, wie groß dieser Markt wird. Sicher aber ist: Wer es nicht ausprobiert, wird es nicht herausfinden, und wer es andere für sich herausfinden läßt, trifft auf einen verteilten Markt, wenn es ein Erfolg werden sollte. Wie bei vielen anderen Innovationen auch, belohnt der Markt den Mutigen.

sueddeutsche.de: Wird aus dem Print-Riesen Axel Springer ein Online-Gigant?

Keese: Wir fühlen uns weder als Riese noch als Gigant. In solchen Begriffen denken wir nicht. Wohl aber ist die Ergänzung von Print durch Online unser erklärtes Ziel. Heute kommt schon jeder vierte Euro, den wir verdienen, aus dem Internet, in Zukunft soll es jeder zweite Euro werden. Wichtig ist uns aber auch, Geld mit Journalismus im Netz verdienen. Das war durch ungünstige Markt- und Rahmenbedingungen lange fast unmöglich.

Preisvergleichsmaschinen, Stellenportale, Affiliate Marketing, Spiele - damit und mit vielen anderen Beteiligungen verdienen wir heute das Geld im Netz. Darauf sind wir stolz. Der Erfolg bestätigt unsere Strategie. Aber wir arbeiten zugleich mit vielen Partnern intensiv daran, auch die Bedingungen für geschäftlichen Erfolg mit Journalismus im Netz zu schaffen. Unabhängige Presse wird es in Zukunft nur geben, wenn sie Geld verdienen und sich selbst finanzieren kann.

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