Zum Tod der Journalistin Isabel Mühlfenzl:Die Unbeirrbare

Zum Tod der Journalistin Isabel Mühlfenzl: Isabel Mühlfenzl, 2018 in ihrem Haus in Hechendorf.

Isabel Mühlfenzl, 2018 in ihrem Haus in Hechendorf.

(Foto: Arlet Ulfers)

Isabel Mühlfenzl war eine der bedeutendsten Wirtschaftsjournalistinnen des Bayerischen Rundfunks. Jetzt ist sie gestorben.

Von Christiane Lutz

Journalistin werden, das durfte sie eigentlich nicht. Der Vater hatte es verboten, denn Journalismus komme "gleich nach dem Zirkus", sagte er, das sei also nichts für die Tochter. Diese Geschichte erzählte Isabel Mühlfenzl immer wieder in Interviews. Sie wurde 1927 im niederbayerischen Frontenhausen geboren und sollte Wirtschaftsprüferin werden, studierte BWL und promovierte. Bis sie eines Tages einen Bekannten vom Bayerischen Rundfunk zu einem einem Interview begleitete. Der stellte sie als neue Kollegin vor, den Radiobeitrag durfte sie auch schneiden. Der kam so gut an, das der BR Mühlfenzl gleich behalten wollte. Das wars mit der Wirtschaftsprüferinnenkarriere.

Jetzt ist die Journalistin gestorben, das bestätigte der BR am Donnerstag, nach einem bewegten Berufsleben. So relativ leicht der Anfang im Journalismus war, so schwer war es dann: Als Frau, sagte man ihr in den späten 50er Jahren, hätte sie keine Chance in der Wirtschaftsredaktion. Beim "Frauenfunk" sollte sie Haushaltsthemen machen, was sie langweilte. Also nervte Mühlfenzl ihren damaligen Chef und wurde 1961 Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion des BR - die erste Frau jemals in dieser Funktion.

Ihr Chef war Rudolf Mühlfenzl, ihn heiratete sie 1964 und bekam mit ihm 1966 eine Tochter. Beruflich hat sie das kaum ausgebremst, Mühlfenzl spezialisierte sich auf Auslandsthemen, auf Wirtschaft und Politik. Sie traf Ronald Reagan, Margaret Thatcher, arabische Scheichs und interviewte 1964 als erste Frau jemals Che Guevara.

Sie schreib Bücher und lehrte an Universitäten in den USA

1970 wechselte Mühlfenzl vom Radio ganz zum Fernsehen, wo sie bis Anfang der Neunzigerjahre Sendungen wie das "Telekolleg Volkswirtschaft" moderierte, "Plusminus", und "Blickpunkt Wirtschaft". Immer wieder hatte Mühlfenzl Lehraufträge an Universitäten in Großbritannien und in den USA, wo es, wie sie sagte, als arbeitende Frau stets viel leichter war als in Deutschland. Sie schrieb Bücher über die Weltwirtschaft und übernahm Ende der 1980er Jahre die Leitung der Wirtschaftsredaktion des BR-Fernsehens.

An Isabel Mühlfenzls Lebensweg lässt sich ablesen, welch ungeheuren Widerständen Frauen im Journalismus lang ausgesetzt waren. So durfte sie zu Beginn ihrer Karriere etwa ihre eigenen Beiträge nicht selbst einsprechen, "eine weibliche Stimme in Wirtschaftssachen könne man nicht hören", erzählte sie 2018 in der SZ. Immer wieder wurde sie von Interviewpartnern für die Assistentin gehalten, einmal öffnete ihr ein Politiker im Schlafanzug die Tür. Sie blieb unbeirrbar.

Auch privat: 2015 kaufte Mühlfenzl mit ihrer Tochter das altes Bahnhofsgebäude in Hechendorf nahe des Starnberger Sees, wo sie mit ihrer Familie lebte. Sie wollte es sanieren, einfach, weil sie dem Verfall des alten Gebäudes nicht länger untätig zuschauen wollte. Isabel Mühlfenzl starb am 25. Juli 2022 im Alter von 94 Jahren.

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