MTV-Erfolgsserie "Jersey Shore":Triumph der Guidofellas

Eine Sendung über italienischstämmige Jugendliche sorgt in den USA für Furore. Kritiker finden die Darstellung von Italo-Amerikanern diffamierend - und warnen vor einer Solarium-Renaissance.

Katarina Lukac

Rufschädigender als die Mafia: Jersey Shore, die neue Realityserie des Jugendsenders MTV über eine WG aus acht italienischstämmigen Jugendlichen, entzweit die US-Fernsehnation. Drei Jahre, nachdem der ebenfalls im Bundesstaat New Jersey angesiedelte fiktive TV-Mafiaclan The Sopranos von den Bildschirmen verschwand, müssen sich Italo-Amerikaner mit einer neuen Stereotypen-Variante herumschlagen - der organisierten Vulgarität. Die neuen Helden auf MTV sind zwar nicht kriminell, aber hochgradig prollig. In den Augen vieler Kritiker sind sie diffamierender als so manch lässiger Auftragskiller im Paten oder in Goodfellas.

MTV-Erfolgsserie "Jersey Shore": Durchtrainiert, glattrasiert und solariumgebräunt: die Besetzung von "Jersey Shore".

Durchtrainiert, glattrasiert und solariumgebräunt: die Besetzung von "Jersey Shore".

(Foto: Foto: MTV)

Das junge Zielpublikum freilich liebt die ungehobelte Art der Protagonisten mit Künstlernamen wie JWoww, The Situation und Sweetheart. In der ersten Staffel begleitet MTV vier Männer und vier Frauen im Alter von 21 bis 28 Jahren einen Sommer lang in einer WG am Strand von New Jersey. Die Sendung hält, was der Trailer versprach: Zu sehen gibt es "die heißesten, solariumgebräuntesten, verrücktesten" vermeintlichen Italo-Amerikaner bei ihren Hauptbeschäftigungen Partymachen, Frisieren und Whirlpool-Planschen, gelegentlich unterbrochen von der Ausübung eines Ferienjobs in einem T-Shirt-Laden.

Guido, der italienische Traummann

Der Star im Heim der tollkühnen Föhnfrisuren und durchtrainierten Bodys: Nicole Polizzi alias Snooki, ein winziges Energiebündel mit riesiger Klappe. Wie die restlichen Hausbewohnerinnen bezeichnet die Liebhaberin knapper Oberteile sich selbst als guidette (Sprich "gui-det" im amerikanischen Englisch) auf der Suche nach einem entsprechenden italienischstämmigen Traummann, einem guido ("gu-ido"). Bereits vor der Ausstrahlung der ersten Folge hatte die politisch unkorrekte Bezeichnung der Teilnehmer Diskussionen entfacht - zumal die Anlehnung an den verbreiteten italienischen Vornamen Guido ursprünglich als abwertendes Synonym für junge Italo-Amerikaner stand.

MTV setzte auf die Namenspolemik noch eins drauf: Am Ende der ersten Folge verbreitete der Sender als Ankündigung der folgenden einen Videoclip, in dem ein Diskobesucher "Snooki" im Streit mit voller Wucht ins Gesicht boxt. Angesichts der Entrüstung über die rohe männliche Gewalt - "Snooki" sank nach dem Schlag zu Boden - schnitt der scheinbar reumütige Sender die nach eigenen Angaben "extrem verstörende" Szene aus der letztlich gesendeten Folge heraus. Der Videoclip kursierte da längst im Internet - und die Zuschauerzahl von "Jersey Shore" verdoppelte sich von einer Folge zur nächsten.

"Wie ein neuer Eingeborenenstamm"

Nancy Franklin, Fernsehkritikerin des intellektuellen Stadtmagazins The New Yorker, erklärt sich den Reiz der Sendung folgendermaßen: "'Jersey Shore' gibt uns das Gefühl, Anthropologen zu sein, die durch eine Baumlücke hindurch heimlich einen neuen Eingeborenenstamm beobachten."

MTV-Erfolgsserie "Jersey Shore": Stammeskönigin im selbsternanntenGuido-Reich: Nicole Polizzi aliasSnooki.

Stammeskönigin im selbsternannten

Guido

-Reich: Nicole Polizzi alias

Snooki

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(Foto: Foto: MTV)

Empörte italo-amerikanische Interessengruppen sind gegen die Faszination des Fremdschämens machtlos. "Wir haben 'Die Sopranos' durchgestanden, bei denen wir alle Gangster und Rowdies waren, und nun werden wir als Clowns dargestellt", sagte der Vorsitzende der Unico-Interessengruppe Andre DiMino. Seine Organisation rief zum Boykott der Sendung auf, und tatsächlich sprang "Domino's Pizza" als Sponsor ab.

Im Alleingang MTV gerettet

Die Zuschauer aber blieben - und es wurden immer mehr: In der Zielgruppe von 12 bis 34 entwickelte sich die Sendung zum Marktführer, beim Finale Ende Januar sahen nach Angaben von MTV durchschnittlich 4,8 Millionen Amerikaner zu. Daraufhin stuften Börsenanalysten Aktien des MTV-Mutterkonzerns Viacom herauf, wie AP berichtete. Klatsch-Blogger und Snooki-Fan Perez Hilton jubilierte, die Truppe vom "Jersey Shore" habe im Alleingang MTV gerettet.

Während US-Dermatologen einen Nachahmeffekt unter Jugendlichen befürchten und vor den Gefahren des Solariumbräunens warnen, hat MTV für den US-Markt bereits eine zweite Staffel angekündigt. In Deutschland werden Snooki und ihre Entourage vom 23. März zu sehen sein, wie eine Sprecherin vom MTV Deutschland sueddeutsche.de auf Anfrage mitteilte. Die Sonnenstudios der Republik können schon mal aufrüsten.

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