Morde in deutschen TV-Serien:Augenzwinkern statt Höllentheater

Von "Morden im Norden" bis "Alles Klara": Morde im deutschen Serienfernsehen werden immer lustiger, die Autoren setzen auf altmodische Klischees und Schauplätze in der zurückgebliebenen Provinz. Schön ist das nicht.

Hilmar Klute

Im Leben ist es ja so, dass Mord und Humor unvereinbare Größen sind. Wenn jemand umgebracht, eine Leiche aus dem See geborgen wird oder ein Schuss sich zuungunsten eines Menschen löst, dann sind das Umstände, die den Einsatz ernsthafter Ermittler fordern.

Heiter bis tödlich - Alles Klara

Der unbedingte Wille zum Witz: Klara (Wolke Hegenbarth) als ermittelnde Schwangerschaftsvertretung.

(Foto: ARD / Marion von der Mehden)

Die deutsche Fernsehlandschaft ist voll von bekümmerten Kommissaren, deren Persönlichkeiten dermaßen komplex sind, dass sie jeder zweite Mordfall, zu dessen Aufklärung sie eingeteilt werden, in eine berufliche und private Krise zwingt. Viele Fernsehpolizisten sind geschieden, leben allein oder in problematischen Beziehungen. Manchmal ist eine schwer erziehbare Tochter anhängig, im einen oder anderen Fall muss der Beamte an einem Anti-Gewalt-Seminar teilnehmen.

Die Gesellschaft, so steht es auf dem Kassiber, den die Zuschauer gesteckt bekommen, gebiert immer wieder Monster, brutale Mörder, die wiederum ebenfalls aufgrund schlechter Erfahrungen zu dem geworden sind, was sie darstellen. Und die Kommissare stehen mit einem Bein selbst in diesem Abgrund, denn den souveränen Ermittler, den bürgerlichen Stephan Derrick, den im Kokon der eigenen Festigkeit aufgehobenen Maigret-Typus, darf es redlicherweise nicht mehr geben.

Andererseits: Immer kann der Zuschauer diese schwer an sich selbst tragenden Gerechtigkeitshersteller mit den notorischen Brüchen in der Biografie natürlich nicht verpacken, deshalb öffnet sich seit kurzem eine Sparte, die das Wagnis eingeht, die Größen Mord und Humor in Einklang zu bringen, und was soll man sagen: Es hat schon klügere Einfälle von Fernsehmachern gegeben, sowohl in Sachen Krimi als auch in Sachen Humor.

Es stimmt zwar, dass sich jemand, der heute noch sagt, Jan Josef Liefers und Axel Prahl seien lustig, anhören muss, er solle mal bloß aufhören zu sagen, Prahl und Liefers seien lustig. Aber zumindest funktionieren die beiden Figuren, der wegen mangelnder Liebe zu seinem Einsatzort Münster schlecht gelaunte Kommissar Thiel und sein konservativ-blasierter Pathologen-Freund Börne, einigermaßen gut als ernsthaft komisches Gegensatzpaar. Und die Figuren sind stark genug, dass sie Komik generieren können ohne ständig die innere Tröte zu blasen.

Mag sein, dass die Münsteraner Erfolgsgeschichte des Krimihumors die Programmgestalter auf den Trichter gebracht hat, beim Ausfegen und Neubestellen des Vorabendprogramms auf die Marke "lustiger Krimi" zu setzen - eine Idee, die bereits in der Serien-Dachmarke ein wenig altertümlich anklingt: "Heiter bis tödlich".

Die Witzigkeit der Provinz

Die Serien mit auch im Titel reimfrohen Namen wie Morden im Norden spielen vorzugsweise in deutschen Provinzstädten, in Quedlinburg, Husum oder Lübeck und heischen mit der Ortswahl bereits auf einen Bonuspunkt in Sachen Witzigkeit: Kleine Stadt, brave Bürger, überschaubarer Täterkreis - wenn da mal skurrile Entwicklungen nicht programmiert sind, denn die Provinz ist ja immer ein bisschen zurückgeblieben; andererseits leben da die Bauernschlauen, Verschlagenen und natürlich haben sie alle das Herz auf dem rechten Fleck, auch wenn sie irgendwo einbrechen und Orchideen klauen.

Schaut man zum Beispiel die eben in Quedlinburg angesetzte Serie Alles Klara an, so stellt man fest, dass hier der unbedingte Wille herrscht, keine Szene unkomisch wirken zu lassen. Zum Beispiel muss der Kommissar Paul Kleinert, Felix Eitner spielt ihn, grundsätzlich eine ins Groteske gesteigerte Autorität an den Tag legen, die der Zuschauer deshalb komisch finden soll, weil er weiß, dass dieser Polizist sich in allem, was er tut, entscheidend irrt. Stichwort: Fallhöhe zwischen eigenem Anspruch und tatsächlicher Leistung. Dass ein Beamter mit einer derartig niedrigen Erfolgsquote im wirklichen Dienstleben wenig erreichen dürfte, ist nebensächlich.

Auf der richtigen Fährte ist dagegen die von Wolke Hegenbarth gespielte Schwangerschaftsvertretung Klara Degen, die sich auf das Auswerten von Computern versteht und deren großes Kapital die weibliche Intuition ist - eine Kulturtechnik, die man im postfeministischen Zeitalter eigentlich auch in die Asservatenkammer wünscht. Konterkariert wird das ermüdende Wechselspiel von echauffierter Abmahnung und staunender Wertschätzung von der ständig niesenden und wie alle Fernseh-Staatsanwälte schwer sonderbaren Staatsanwältin Müller-Dietz, die von Alexa Maria Surholt gegeben wird, und die ihrem untergebenen Kommissar ständig sagt, was für ein Versager er sei.

Liebenswürdig statt böse

Ähnlich komisch, aber den Witz nicht so söldnerheerhaft umzingelnd ist die Serie Henker und Richter, die zur Abwechslung eine attraktive und gewiefte Staatsanwältin in den Mittelpunkt einer westfälischen Kleinstadt stellt. Es geht in diesen Filmen um Delikte, deren Niedlichkeit suggerieren sollen: Die großen Probleme der Welt werden anderswo gelöst, wir beschäftigen uns mit den Sorgen des Alltags, die vor einem milden, mit dem Menschlichen vertrauten Gericht, Anhörung finden. In dieser Reihe kommt auch eine liebe Oma vor, die sich per Aberglaube vor den Zumutungen des Todes rüstet. Das Liebenswürdige greift in diesen Krimis um sich wie andernorts nur das Böse.

In diesen ARD-Serien ist der Humor ein großer Versöhnungsstifter. Auch wenn die Welt letztlich voller Gewalt und böser Absichten ist, in der Heiterkeit liegt eine Kraft, welche die Menschen, die guten Willens sind, zusammenschweißt und weiterleben lässt. So in etwa muss das Konzept lauten.

Offenbar haben die Programmgestalter so wenig Vertrauen in das Humorverständnis der Zuschauer, dass die Befeuerung mit Witz derart wild und zügellos stattfindet, dass man sich jetzt schon nach Til Schweiger sehnt, der im Herbst Tatort-Kommissar wird.

Humor und Mord - dass diese beiden Größen doch ganz gut zusammengehen, haben in den letzten Jahrzehnten die Österreicher gezeigt. Man muss also gar nicht immer nach Amerika schauen, um ein bisschen frische Fernsehluft zu schnappen. Helmut Zenker hat in den siebziger Jahren damit angefangen. Bei Kottan ermittelt ist der Humor so böse wie der Mord böse ist, und in den Verfilmungen der Brenner-Romane von Wolf Haas ist die Provinz so eklig wie das, was die Menschen einander antun.

Vielleicht hat ja ein Programmchef mal den Mut, das Vorabendprogramm noch einmal durchzufegen und die Größen Mord und Humor so aufeinander abzustimmen, dass ein amüsantes Höllentheater rauskommt und nicht diese Augenzwinker-Krimis, bei denen eigentlich nur die Langeweile tödlich ist.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: