Süddeutsche Zeitung

Moderatorin Anne Will:"Die Tipp-Topp-Schauspielerin bin ich nicht"

Anne Will über den Unterschied von Fakten und Gefühlen, ihre Kindheit - und den Menschen, der ihr so oft im Ohr sitzt.

Von Evelyn Roll

Als Kind ist Anne Will ihrer Mutter "furchtbar auf den Geist" gegangen, weil sie unablässig redete. "Und meine Mutter hatte erkennbar noch andere Sachen zu tun, als mir dauernd zuzuhören. Deshalb habe ich jeden meiner Sätze aufhören lassen mit: Ne, Mama?" Ihre Mutter drehte sich dann irgendwann um und sagte: Anne, du nervst! "Dann erschrak ich und hielt auch mal kurz inne, um bald schon wieder loszulegen mit: Ne, Mama?"

Ihr Vater beharrt deswegen bis heute auf der These, dass sich damit schon sehr früh gezeigt habe, wo ihre berufliche Entwicklung mal hingehen würde. Zum Interview lädt Anne Will in ihr lichtdurchflutetes Büro im dritten Stock eines Hofgebäudes an Berlins Mauerstraße. Sie trägt ein superkurzes Mädchenkleid zu feriengebräunten Beinen und Turnschuhen, wozu sonst ist Fünfzig das neue Dreißig.

Gleich zu den wichtigen Fragen

Die Monster-Debatte über die Frage, ob die ARD überhaupt Talk-Shows braucht, und wenn ja, wie viele, ist seit den Rückzügen der Herren Beckmann und Jauch beendet. Das Gespräch kann sich also gleich den wichtigen Fragen zuwenden.

Am meisten beschäftigt Anne Will zurzeit, "ob Menschen für Fakten und Belege überhaupt noch empfänglich sind oder ob inzwischen nur noch Gefühle und Stimmungen verfangen". Wie soll sie in ihrer Sendung reagieren auf eine "rein populistischen Argumentation, die keine faktische Rückbindung mehr hat, die allein auf der Behauptung "Das fühlen die Menschen aber!" fußt? "Das finde ich außerordentlich problematisch."

Sie erklärt, warum die Sendung Anne Will nicht "so etwas wie ein volkspädagogisches Aufklärungsseminar" ist und auch nicht sein will. Und sie erzählt, dass ihr Redaktionsleiter Andreas Schneider, den sie über Kopfhörer im Ohr hat, nach mehr als 20 Jahren Zusammenarbeit "fast schon an der Art, wie ich atme, merkt, was ich im nächsten Moment vorhabe".

Entweder sagt er dann: Genau, bleib dran! Oder aber: Jetzt geh mal zur Türkei, Du hast nur noch 20 Minuten. Manchmal sagt er auch: Guck nicht so streng. Das habe auch schon zu der absurden Situation geführt, "dass ich irgendjemanden, der gerade etwas sehr Ernstes sagte, plötzlich völlig ohne jeden Sinnbezug anlächele wie ein Honigkuchenpferd. Und mein Gast, der gerade in seinem ernsten Text war, hat wahrscheinlich gedacht: 'Die hat sie ja nicht mehr alle!' Also, die Tipptopp-Schauspielerin bin ich nun mal nicht."

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