Moderatorin Anke Engelke:Ernst wie Kölner Karneval

Anke Engelke moderiert den Eurovision Song Contest.

Anke Engelke wird zum Finale des Eurovision Song Contest nicht in Malmö sein.

(Foto: dpa)

Berlinale, Eurovision Song Contest und ein Konzert in crazy Krefeld: Komikerin Anke Engelke ist schwer beschäftigt. Zeit zum Nachdenken bleibt trotzdem. Zum Beispiel darüber, dass ihr eine eigene Show nicht liegt.

Von Hans Hoff

Nach drei Liedern ist schon Schluss. Fred Kellner und die famosen Soulsisters verschwinden von der Bühne der Krefelder Kulturfabrik. Sie hinterlassen den Eindruck eines großen Bemühens. Wie explodierte Lamettaverpackungen sahen die im guten Dutzend angetretenen Musiker aus. Lange weiße Umhänge trugen sie mit viel Geflitter drin, es gab große Posen, und dann haben sie den Prince-Klassiker "1999" komplett in die Belanglosigkeit verwurstet. Aber das ist noch nicht alles. Natürlich kommt die Band zurück. Das mit dem verfrühten Abgang war nur ein Gag. Auch Bassist Ralf Günther kommt zurück. Im Hauptberuf ist er geschäftsführender Gesellschafter bei der Kölner Firma Brainpool. Dort verantwortet er Produktionen wie "Pastewka" und "Ladykracher".

Doch heute macht Ralf Günther einen auf schwer verrückt. "Crazy Krefeld" sagt er und wiederholt einen Satz in Endlosschleife. James Brown konnte das. Viel wiederholen und dabei sexy wirken. Ralf Günther wirkt nicht sexy. Er ähnelt einem Sozialkundelehrer, der mal richtig die Sau rauslassen will. Wenn man das sieht und hört, bekommt man ein Gefühl davon, was Fans der Band "Die Ärzte" fühlen müssen, wenn Heino sich an deren Lied "Junge" vergreift.

Das Publikum will Anke Engelke singen hören

Doch dann kommt Anke Engelke auf die Bühne. Auch sie trägt komische Klamotten, und wieder werden die Mikrofone ins Publikum gehalten. Crazy Krefeld soll gefälligst mitsingen. Dabei wollen viele doch nur die Tante aus dem Fernsehen singen hören, wollen sehen, ob sie, die so vieles drauf hat, das auch kann.

Zumindest ist sie nicht die schlechteste in der Möchtegernsoulfunkcombo. Damit man sie von den anderen Musikern unterscheiden kann, trägt sie einen Federpuschel auf dem Kopf, woraus man ein Motto wie "Wenn schon zu viel, dann viel zu viel" ableiten könnte. Es schmerzt sehr. Wenn die Band den George-Benson-Klassiker "Gimme The Night" intoniert, möchte man "Gimme The Knife" heraushören, was im aggressiven Sinne eines schnellen Endes durchaus eine gewisse Logik entwickelt.

"Ich mache das nicht fürs Geld und hänge das auch nicht an die große Glocke", sagt Engelke ein paar Tage später. Zweimal im Jahr geht sie mit der Band auf Tour. Seit mehr als 20 Jahren ist sie schon mit von der Partie, und wenn man sich wundert, warum man die Fred-Kellner-Truppe noch kaum im Fernsehen bewundern durfte, bekommt man eine klare Antwort. "Das interessiert im Fernsehen noch weniger Menschen als live. Im Fernsehen funktioniert auch die Dramaturgie solch eines Abends nicht."

In crazy Krefeld hat es funktioniert. Die Menschen haben gejohlt und gegrölt. Aber das ist fast schon wieder Geschichte, denn die Engelke hat dieser Tage wieder mal alle Hände voll zu tun. Gerade hat sie die Eröffnung der Berlinale moderiert, und an diesem Dienstag beginnen in Hannover die Proben zur nationalen Vorauswahl für den Eurovision Song Contest (ESC). Am Donnerstag soll sich entscheiden, welcher von zwölf Bewerbern Deutschland im Mai in Malmö vertreten darf.

Eigentlich wollte Engelke das gar nicht machen. "Ich bin ein Zweifler und Zauderer. Das ist manchmal ganz schön anstrengend für andere", sagt sie. Sie hat gezögert, weil das Thema ESC nach ihrer brillanten Moderation des Finales 2011 in Düsseldorf auf der Liste der unwiederholbaren Ereignisse stand. "Für mich war das Thema ESC damit eigentlich abgehakt", sagt sie.

Aber dann gab es so etwas wie eine Graswurzelbewegung. Viele wiesen darauf hin, dass es für die Moderation nur eine geben könne. Manche äußerten die Angst, dass es sonst Judith Rakers machen könne. "Den Fans ist wichtig, dass das jemand macht, der den ESC wirklich mag", berichtet Engelke von ihren Erkenntnissen und schiebt ein klares Bekenntnis nach: "Ich nehme den ESC so ernst wie die Kölner ihren Karneval." Sie hat sich genau erkundigt, wie es laufen soll, und erst dann zugesagt. "Mir war wichtig, dass das keine Bombast-Show wird, bei der in den Hintergrund gerät, worum es eigentlich geht, also dass wir das richtige Lied nach Malmö schicken."

Eine eigene Show liegt Anke Engelke nicht

Wer nun aus diesem neuerlichen ESC-Engagement auf eine demnächst anstehende echte Engelke-Show schließt, liegt indes falsch. "Ich begreife langsam, dass mir manche Sachen liegen und manche nicht. Eine eigene Show liegt mir mit Sicherheit nicht", sagt sie und differenziert zwischen sich und dem präsentierten Inhalt. "Das ist nicht meine Show, das ist der ESC. Wenn das Programm nicht gut ist, ist das nicht mein Verdienst und nicht meine Schuld."

Natürlich hat auch ihr ESC-Beitrag vom vergangenen Jahr ein bisschen dazu beigetragen, dass es für Hannover keine rechte Alternative zu Anke Engelke gab. Da hat sie nämlich die deutschen Ergebnisse auf dem Schirm präsentiert und in wenigen Worten wie "Es ist gut, eine Wahl zu haben" die heiklen Menschenrechtsverhältnisse im Gastgeberland Aserbaidschan thematisiert, obwohl genau das eigentlich gegen die Regeln des ESC verstößt. "Ich habe ein oder zwei Sätze gesagt, die jeder halbwegs gebildete Schluffi über die Lippen kriegen sollte. Das war doch nichts Dolles", wehrt sie heute entsprechende Ehrungen ab. Nein, geübt hat sie den Satz nicht. Der war in ihrem Kopf, und der musste raus.

Zum ESC Finale im Mai wird man Engelke indes nicht in Malmö begrüßen können. "Ich habe totalen Bock, privat mit Mottoessen auf dem Sofa zu sitzen und meine Listen zu haben. Auf der einen steht ,Das hätte ich gerne' und auf der anderen ,So wird es wohl sein'", sagt sie. Es geht nicht nur um Qualität in Malmö. Auch freut sie sich auf ein bisschen Privatheit zwischen all ihren Engagements. Gerade war sie an der Seite von Bastian Pastewka als Volksmusiktante Anneliese bei Stefan Raabs Karnevalsversuch zu sehen. In der nächsten Woche lädt sie Kölner in ein Kino ein und lässt Originallacher für ihre im Sommer anlaufende neue "Ladykracher"-Staffel aufnehmen. Dann dreht sie noch zwei Filme, einen fürs Kino und einen fürs Fernsehen.

Vorher aber kommt noch die britisch-blutige Komödie "Sightseers" in die Kinos. Die hat sie synchronisiert. "Das ist das schlimmste und grausamste Projekt, an dem ich jemals beteiligt war", sagt sie, und damit hat diese kluge Frau ausnahmsweise mal nicht recht. Schließlich gibt es da ja noch die Auftritte von Fred Kellner und den famosen Soulsisters.

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