Moderatoren und Experten bei der Fußball-WM:Über die Geilen und Ungeilen

Gerhard DELLING Moderator mit Fussball Krawatte Sportmoderator VIP Promi Show Entertainment Fe

Retro-Glücksbringer: ARD-Moderator Gerhard Delling mit seiner Original-Fußballkrawatte von der EM 1996, dem Jahr als Deutschland den letzten Titel holte - es hat funktioniert.

(Foto: imago sportfotodienst)

Der eine übt professionelle Distanz, dem anderen ist selbige völlig egal. Einer verschwindet, der nächste macht sich mal locker. Diese WM hat viele Moderatoren- und Expertentypen gesehen. Eine Analyse von Kahn bis Müller-Hohenstein.

Von Ralf Wiegand

Erst ganz am Ende hat die ARD die Fototapete wieder eingerollt, vor der im Wechsel die Moderatoren-Teams vom Ersten und vom Zweiten die WM präsentiert hatten. Hoch oben auf einer Dachterrasse in Rio standen sie Tag für Tag, über sich der weite Himmel, hinter sich das Meer, neben sich die Hochhauskante der Copacabana und ganz weit unter sich das echte Leben. Nur am allerletzten Tag, dem Tag des Endspiels, durften Matthias Opdenhövel und Mehmet Scholl mal raus aus der Isolationshaft, runter vom Dach und rein ins Stadion. Und schon wurde Deutschland Weltmeister!

Eine TV-Bilanz der wichtigsten Nasen bei ARD und ZDF:

Die Moderatoren

Matthias Opdenhövel (ARD): Vielleicht kam er deswegen bei den Zuschauern, vor allem den jüngeren, so gut an, weil er es als Fan über den Zaun geschafft hat. Ein Kindheitstraum von jedermann - Opdenhövel lebt ihn. "Wie geil ist das denn?" oder "Was war denn hier los?", so meldete er sich zu Wort, wenn aus dem Stadion auf die Studioterrasse zurückgeschaltet wurde. Interessant wäre natürlich auch gewesen, zu erfahren, was denn so geil und was denn da los war - aber sei's drum. Opdenhövel gab sich kindlich begeisterungsfähig und hielt auch bei angebrachter Kritik nichts von professioneller Distanz. "Fifa-Flöten" nannte er die greisen Funktionäre des Weltverbandes einmal, als er sein Mikrofon ausgeschaltet wähnte. Fifa-Flöten, herrlich! Dafür hat sich's schon gelohnt.

Oliver Welke (ZDF): Der Anchorman der heute show blieb seiner Linie treu und nahm nichts ernst, vor allem nicht seinen Partner am Pult, den anderen Oliver, den Oliver Kahn. Wies ihn ungefähr 132 Mal darauf hin, dass er 2002 gegen Brasilien in diesem Endspiel diesen Fehler ... Nicht ernst genommen zu werden, tat vor allem Kahn gut, es machte ihn locker (siehe unten). Von Welke kennt man es nicht anders, irgendjemanden macht er ja immer zu seiner persönlichen FDP.

Eine gewisse Gefahr bestand für den preisgekrönten Sport-Comedian allerdings, denn für manche ist Fußball einfach die wichtigste Sache der Welt. Wer nichts ernst nimmt, muss schon aufpassen, selbst noch ernst genommen zu werden. Welkes bester Spruch im Zusammenhang mit dem bissigen Uruguayer Suérez: Als noch nicht genau zu sehen war, ob der gegen Italien wirklich zugebissen hatte, sagte Welke: "Gekaut hat er nicht." Großartig.

Die Experten

Mehmet Scholl (ARD): Unter dem twitternden Teil der Fernsehzuschauer schon lange vor dem Finale Weltmeister. Scholl öffnete dem Publikum einen Blick in die Spielerseele, denn das ist er immer geblieben: Spieler. Er entwickelte allerdings im Verlauf der vielen Wochen an der Seite von Opdenhövel ein paar bedenkliche Symptome, die er beim Arzt seines Vertrauens, vermutlich der "großen weißen Wolke" Müller-Wohlfarth, abklären lassen sollte. Scholl bekam eine Allergie gegen abfahrende und ankommende Busse (Opdenhövel: "Mehmet, für dich - ein Bus" - Scholl: "Ja ...") und eine chronische Gänsehautentzündung. Außerdem mag er Kanufahren nicht, denn nur Erfolg bilde ein Team, aber Kanufahren nicht.

Scholl ist außerdem so sehr Fußballer, dass er an vielen Stellen der Meinung war, dass einiges die Zuschauer nichts angeht. Zum Beispiel sollte es seiner Meinung nach ein Geheimnis bleiben, was im Verlaufe des Turniers mit der Mannschaft geschehen ist, damit sie Weltmeister werden konnte. Und in die Kabine dürfte niemals eine Kamera: "Bus und Kabine sind tabu." Gottseidank hat Scholl nix zu sagen, nur im Fernsehen - da aber viel Richtiges.

Oliver Kahn (ZDF): Zum Glück muss der Titan heute nicht mehr selbst mitmachen. Der Druck, den er als Spieler spürte, dieser unglaubliche Druck - er ist ein Pups gegen das, was Spieler heute aushalten müssen. Als Experte für Druck und andere Freudlosigkeiten des Lebens überraschte Kahn mit vollkommen untypischen Ratschlägen. Er, der sich im Sport einst vor lauter "Fokussiertheit" einen Burn-out einfing, wusste genau, was den Gastgebern fehlte, um Erfolg zu haben: Sich mal locker machen!

Kahn hat das jetzt, viele Jahre nach seiner Karriere, endlich geschafft. An der Seite von Oliver Welke, der ihm erst gar keine Gelegenheit ließ, zu verkrampfen, spielte Kahn sein befreitestes Turnier überhaupt. Er lachte sich einen Wolf und erreichte im Zusammenhang mit seinem Fehler im Finale 2002 sogar einen messbaren Grad von Selbstironie. Damals ermöglichte er den Brasilianern den Titel, indem er einen Ball nach vorne abprallen ließ. Jetzt erzählte er erstaunt, wie freundlich ihm die Leute in Brasilien begegnen würden: "Alle grüßen mich so nett. Warum eigentlich?"

Urs Meier (ZDF): Der heimliche und unheimliche Star unter den Experten. Heimlich, weil er wie eine Erscheinung in der Wüste nur unter bestimmten Licht- und Wetterbedingungen zwischen Welke und Kahn auftauchte und ebenso rasch wieder verschwand. Und unheimlich, weil er mit einer Angst machenden Leidenschaft, die ihm auf dem Platz einst sicher eine Rote Karte eingebracht hätte, für die Professionalisierung des Schiedsrichterwesens stritt. Der ehemalige Weltklasse-Schiedsrichter ging mit solch heiligem Eifer in seinen viel zu wenigen Sendeminuten zu Werke, dass Fifa-Boss Josef Blatter ihn angewidert als Nervensäge adelte: "Ich mag Leute nicht, die vom Fußball leben und auf ihm herumtrampeln." Bravo, Urs Meier, alles richtig gemacht.

Nachteulen und Dschungelcämper

Die Nachtschicht

Reinhold Beckmann (ARD): Der Late-Night-Talker des Ersten wurde auch bei der WM ins Nachtprogramm verschoben, und irgendwann verschwand er dann ganz aus dem Turnier. Man weiß nicht so genau, gegen wen Beckmann ausgeschieden ist und warum, aber er war dann halt mal weg. Ein Generationswechsel, wie er so oft bei Großveranstaltungen passiert - jetzt hat es den Miterfinder des modernen Fernsehfußballs (ran) erwischt. Dabei wäre es schon interessant gewesen, wieweit die Erhebung Beckmanns über die Dinge noch fortgeschritten wäre. Hat der Moderator doch längst die Metaebene des Sports erreicht ("Ich habe da eine andere Philosophie, Giovane ..."). Die Fernsehwelt aber gehört den Prolls, die "Wie geil ist das denn?" sagen. Bei der nächsten WM könnte Beckmann mit einem fußballphilosopischen Quartett ins Programm zurückkehren.

Rudi Cerne (ZDF): Der letzte klassische Sportmoderator bei dieser WM wirkte dann tatsächlich, als wäre er aus der Zeit gefallen. Onkel Rudi brachte zur Nachtschicht was Süßes mit auf die Dachterrasse, manchmal war es Obst, manchmal eine Samba-Tänzerin. Legte Wert auf Überleitungen und Anmoderationen, wie man das mal gelernt hat. Diese anständige Distanziertheit und höfliche Sperrigkeit, die ihn auszeichnen, wirken seltsam altmodisch im heutigen Anwanz- und Abklatschfernsehen. Rudi Cerne aber hat mit Würde seinen Job gemacht und sogar Lutz Pfannenstiel gesiezt. Das ist eine echte Leistung.

Das Dschungelcamp

Gerhard Delling (ARD): Die Rache des besten Sport-Journalisten auf dem Sender war fürchterlich. Vier Wochen lang haben sie Delling, den früheren Chef-Sprecher bei Länderspielen, vor dem Campo Bahia campieren lassen, manchmal tauchte sein gut frisierter Kopf vor dem weißen Pressezelt auf und er durfte in einer kurzen Schalte erklären, wer drinnen im Zelt gerade auf dem Podium saß.

Delling verspricht sich nie, redet deutlich, kennt alle Statistiken und Namen, ist freundlich, führt höfliche, aber interessante Interviews - das ist eindeutig zu ungeil! Aber wie gesagt, die Rache kam in Form eines Binders, wie Großmütter Krawatten zu nennen pflegten. Dellings Final-Krawatte stammte aus der Zeit der Großmütter, 1996, Mottram Hall, legendäres deutsches EM-Quartier damals. Aus dieser Zeit hatte Delling das graue Ding mit schrecklichem Fußball-Print aufgehoben. Jetzt, beim WM-Finale, trat der zurückhaltende Deutsche damit wieder ins Rampenlicht, extrovertiert wie nie. Von wegen Degradierung - schöne Idee, Herr Delling.

Katrin Müller-Hohenstein (ZDF): Usedom wird ewig mit ihrem Namen verbunden bleiben, Usedom, der Ostseestrand, die Blonde und Oliver Kahn. 2012 bei der EM in Polen und der Ukraine lieferte das Zweite dort im hohen Nordosten die Parodie eines EM-Studios. Katrin Müller-Hohenstein steuerte duch die Sendung am Strand wie durch ein Kurkonzert. Und jetzt? Verteilte sie Badeschlappen im deutschen WM-Quartier, sie war das Seelchen von Campo Bahia. Einmal reiste sie der Nationalmannschaft nach Recife voraus und ließ sich geduldig nassregnen. Die Frau aus dem Formatradio spielt halt dort, wo sie der ZDF-Sportchef hinstellt, und sei's auch mal am Rand. Welche Krawatte sie getragen hätte, wenn das ZDF das Finale hätte zeigen dürfen? Vielleicht eine aus Friesennerz, der Seide des campenden Fußballfans. Remember Usedom!

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