Süddeutsche Zeitung

Moderatoren beim TV-Duell 2013:Kreuzfeuer mit Frischling

Am Sonntagabend stehen Kanzlerin Merkel und Herausforderer Steinbrück beim TV-Duell vier Moderatoren gegenüber. Was Politiker und Zuschauer von Peter Kloeppel, Maybrit Illner, Anne Will und Stefan Raab erwarten dürfen. Eine Analyse.

Von Carolin Gasteiger, Irene Helmes, Paul Katzenberger und Matthias Kohlmaier

Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Herausforderer Peer Steinbrück stehen beim einzigen TV-Duell dieses Wahlkampfes im Mittelpunkt. Das Ergebnis der Debatte hängt aber auch von vier weiteren Personen ab: den Moderatoren. Wie werden sie sich präsentieren, welche Rolle nehmen sie ein? Peter Kloeppel (RTL), Anne Will (ARD), Maybrit Illner (ZDF) und Stefan Raab (Pro Sieben) im Vorab-Check.

Peter Kloeppel: Das seriöse Gesicht von RTL

Wenn Nikolaus Blome das TV-Gesicht der Bild-Zeitung war, dann ist Peter Kloeppel das öffentlich-rechtliche Gesicht des Privatsenders RTL. Bei dem Kanal, der seine Quoten zu einem großen Teil mit Kuppel-Shows wie Schwiegertochter gesucht oder Trash-Sendungen wie Wild Girls macht, steht Kloeppel auf der anderen Seite für Seriosität.

Seit 28 Jahren arbeitet der 54-Jährige für den Kölner Sender, seit 21 Jahren moderiert er die Hauptnachrichtensendung RTL aktuell und in diesen Jahren hat sich der Grimme-Preisträger den Ruf der Glaubwürdigkeit und der professionellen Kompetenz erarbeitet.

Wenn es einen Routinier bei den Kanzler-Duellen gibt, dann ist dies RTL-Mann Kloeppel, der bislang bei jedem dieser Zweikämpfe dabei war, seit das Format 2002 mit dem Schlagabtausch zwischen Gerhard Schröder und Edmund Stoiber eingeführt wurde. Außer Kloeppel kann nur noch Maybrit Illner vom ZDF diese Bilanz vorweisen.

Überraschungsloser Austausch von Stellungnahmen

Allerdings waren die Kanzler-Duelle bislang nicht unbedingt prädestiniert, um sich als Moderator zu profilieren: Die Beraterstäbe von Kanzler(in) und Kandidat(in) waren stets übervorsichtig - nichts soll dem Zufall überlassen bleiben. Statt einem Showdown kam deswegen häufig ein überraschungsloser Austausch von Stellungnahmen zustande.

Seit 2005 gibt es zudem die Schwierigkeit, dass sich Angela Merkel weder als Kandidatin noch als Amtsinhaberin mehr als einem Schlagabtausch mit ihrem jeweiligen Gegner Gerhard Schröder, Frank-Walter Steinmeier oder nun Peer Steinbrück stellen wollte. Den großen Sendern wurde damit ein "Moderatoren-Woodstock" (Maybrit Illner) auferlegt, also ein Zweikampf, bei dem sich mangels zweiten TV-Duell vier Moderatoren in der knapp bemessenen Sendezeit gegenseitig auf die Füße treten.

In dieser Konstellation machte der RTL-Anchorman aber insgesamt bella figura: "Kloeppel schaffte es mehrmals, den Kanzler aus seiner lächelnden Hoheitsposition zu schubsen", schrieb die SZ anlässlich des Duells 2005 zwischen Schröder und Merkel. Und 2009 bei der Debatte zwischen Merkel und Steinmeier hieß es: "Peter Kloeppel machte mit hartnäckigen Nachfragen noch den besten Eindruck. Er stellte verständliche Fragen."

Guter Teamplayer

So gute Noten gab es zwar nicht von jedem, die FAZ mutmaßte beispielsweise 2009, er sei nur ins Studio gekommen, um Steinmeier nach Ulla Schmidts Dienstwagen und Angela Merkel nach dem Abendessen mit Josef Ackermann zu fragen, doch Hartnäckigkeit attestierte Kloeppel nach dem Duell 2005 sogar die taz, die ansonsten kein gutes Haar an ihm ließ.

Vor allem aber harmoniert Kloeppel mit seiner Beharrlichkeit besonders gut mit Maybrit Illner, mit der er nun schon zwei Mal ein Team gebildet hat: Er als Wadlbeißer und sie als charmanter Profi, die es schafft, mit schönstem Lächeln fieseste Fragen zu stellen. Darauf werden sich Angela Merkel und Peer Steinbrück beim Duo Illner/Kloeppel einstellen müssen.

Paul Katzenberger

"Man hat das Gefühl, dass es wesentlich mehr Fragen an die Politiker gibt als Antworten von den Politikern", kommentierte Maybrit Illner vor kurzem treffend den schleppend verlaufenden Wahlkampf.

Wenn die 48-Jährige an diesem Sonntag als eine von vier Moderatoren durch das einzige TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Peer Steinbrück führt, dürfte ihr diese Einstellung zupass kommen. Gezielt nachhaken, die Kandidaten aus der Reserve locken, dabei aber nie das (Moderations-)Zepter aus der Hand geben: Diese Mischung macht Maybrit Illner aus.

Die Journalistin, die als taff und routiniert gilt, zählt zu den Kolleginnen, die gerade dadurch in den Neunzigern mit Männern in ihrer Branche gleichzogen. Illner, die beim DDR-Sportfernsehen anfing, schaffte 1992 den Sprung zum ZDF-Morgenmagazin und bekam bald ihre eigene Sendung: "Berlin Mitte" (seit 2007 "Maybrit Illner") setzte Maßstäbe in einer TV-Landschaft, in der Talkshows noch rar waren.

Im Moderatoren-Quartett ist Illner die Routinierte, ihre Kollegin Anne Will Debütantin. Neben ihrem Teampartner Peter Kloeppel moderierte Illner von Anfang an die TV-Duelle. 2002 brachte ihr die Kooperation mit Sabine Christiansen (damals war das Duell zweigeteilt, Illner und Christiansen moderierten das zweite) den Deutschen Fernsehpreis ein.

Als Steinbrück vorgeführt wurde

Die Kanzlerin schätzt Illner als Gesprächspartnerin, Peer Steinbrück erläuterte im Juni in ihrer Sendung sein Wahlprogramm. Und wurde prompt von Illner vorgeführt: Ob man jetzt also "die SPD wählen soll, damit sie die Fehler korrigiert, die sie selber bewusst gemacht hat?", fragte sie. Typisch Illner, die Kollegen von der FAZ attestierten: "Besser kann man das nicht formulieren."

Illners Moderationsstil birgt Zündstoff: Genau dann, wenn die 48-Jährige anfängt, nachzubohren, da hinzugehen, wo es dem Gegenüber wehtut. Und das alles mit süffisantem Lächeln. In ihrer Talkshow solle um Positionen und Haltungen gestritten werden, sagte sie im SZ-Interview und hält ihre Show deshalb auch für "die genialste Sendung der Welt". Das dürfte sie auch von einem TV-Duell erwarten. Die Gefahr liegt darin, dass Illner sich bei einzelnen Fragen zu sehr ereifert und sie - wie 2009 - zur Mitdiskutantin wird, anstatt außen vor zu bleiben. In dem bislang arg farblosen Wahlkampf könnte sie also genau eines zu viel wollen: Zunder.

Bleibt zu hoffen, dass sie die Beteiligten dann nicht wie damals SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter-Steinmeier ermahnen müssen: "Haben Sie doch einfach Interesse an meinem Argument, Frau Illner."

Carolin Gasteiger

"Ich erinnere mich an eine gut flirrende, aufgeladene, durchaus nervöse Stimmung" - so beschreibt Anne Will im Interview mit ihrem Arbeitgeber das Erste ihre Eindrücke des letzten Kanzlerduells 2009. Damals musste sich die Moderatorin noch mit dem Rahmenprogramm begnügen. Während Frank Plasberg die ARD vertrat, sendete Will direkt aus dem Studio nebenan und analysierte das Aufeinandertreffen von Merkel und Steinmeier mit ihren Gästen. Dieses Mal wird auch sie selbst im Mittelpunkt stehen, als Vertreterin der ARD. Die Nachbetrachtung übernimmt Günther Jauch.

Was sie denn am nächsten Tag über sich und das TV-Duell lesen wolle? "Idealerweise gar nichts über mich, sondern darüber, was die Kandidaten vermittelt haben und worin sich ihre Haltungen unterscheiden", so Will. Die 47-Jährige gibt sich im Vorfeld des medialen Großereignisses sachorientiert. "Ich würde mir wünschen, dass es zackig geht, dass präzise geantwortet wird, dass wir präzise nachsetzen können".

Zackig und präzise, so möchte Will ihren Zuschauern Politik auch in ihrer Mittwochabend-Talkshow präsentieren. Den Karrierestart der gebürtigen Kölnerin in Sportsendungen haben viele Zuschauer längst vergessen. Zwischen 2001 und 2007 konnte sie sich in den Tagesthemen beweisen, "für ihre unabhängige Haltung und ihre unaufgeregte, aber stets kompetente Präsentation der Ereignisse des Tages" bekam sie 2007 den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis.

Stabil in der Qualitätsdebatte

Seit ihrem Abschied von den Tagesthemen ist Will festes Mitglied in der Riege der ARD-Talker. Diese wiederum ist bekanntlich umstritten, Will selbst kommt in der Debatte um Qualität und Mängel der Polit-Talks meist noch recht gut weg. 2011 musste sie zwar einen Dämpfer hinnehmen, als Günther Jauch sie vom begehrten Sonntagabend-Sendeplatz nach dem Tatort auf den undankbaren Mittwoch verdrängte. Doch auch hier erreichte sie bald wieder stabile Quoten. Dass ihr Sender sie nun mit dem TV-Duell beauftragt hat, wirkt angesichts der Dauerkonkurrenz der ARD-Talker wie ein symbolischer Etappensieg.

Sowohl mit Steinbrück als auch mit Merkel hat Will bereits lange Gespräche geführt. Der SPD-Kandidat war zuletzt am 13. März in ihrer Sendung. Das 70-minütige Gespräch geriet dabei phasenweise zu einer Mischung aus Selbstverteidigung und Beichte. Wenn Will mit einer Antwort nicht zufrieden ist, hakt sie nach, diese Erfahrung bringt Steinbrück aus diesem Gespräch zweifellos mit ins TV-Duell. Abblitzen ließ er sie teils trotzdem ("Ab wann muss man mehr Steuern zahlen?" - "Das erzähle ich Ihnen, wenn ich in Amt und Würden bin. Von den anderen kriegen Sie auch nichts Konkreteres").

Die Bundeskanzlerin war unter anderem im April 2009 unter dem vieldeutigen Titel "Kanzlerin in der Krise" bei Will zu Gast. Damals gelang es Merkel zu leicht, Wills Fragen zu parieren, bemängelten Kritiker. Auch in Abwesenheit war Merkel das Thema vieler Will-Sendungen, von "Röttgens Rausschmiss - Merkel im Abstiegskampf" bis "Merkel gegen Steinbrück - wer ist glaubwürdiger?". Das Verhalten der Kanzlerin im Streit um die Frauenquote etwa bezeichnete Will Anfang des Jahres im SZ-Magazin als "ziemlich irre" - gut möglich also, dass Gleichstellung eines der Themen ist, zu dem Will die Kontrahenten am Sonntagabend in die Mangel nehmen möchte.

Dass der 1. September nicht nur medialer Hype, sondern ein ganz entscheidender Moment im Wahlkampf wird, davon zeigt sich Will im ARD-Gespräch mit Verweis auf die Masse unentschlossener Wähler überzeugt. "Das interessiert mich ganz spießig-staatsbürgerlich und da mitzutun, nehme ich als Herausforderung."

Irene Helmes

Ein bisschen fantastisch klingt es schon: vom Viva-Kasper zum Co-Moderator des Kanzlerduells; vom hochmotivierten Zweikämpfer aus Schlag den Raab zum politischen Fragensteller; vom Eiskanal der Wok-WM ins Studio der Debatte zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück. Mal wieder gelingt Stefan Raab ein Coup, den ihm kaum einer zugetraut hätte.

Aber so läuft es eigentlich seit Jahren. Alle Fach- und sonstigen Leute meinen, Raab auf eine Rolle festgelegt zu haben. Im nächsten Moment dreht er ihnen eine lange Nase und macht den Eurovision Song Contest wieder für ein paar Jahre cool. Oder er schafft sich eine politische Talkshow an - was beim Privatsender Pro Sieben eigentlich ein Widerspruch in sich ist.

Und wie haben Kommentatoren diverser Medien - ob gedruckt, gesendet oder online - gepoltert, als die Pläne für Absolute Mehrheit bekannt wurden. Und nicht nur die. Als "absoluten Unfug" bezeichnete Bundestagspräsident Norbert Lammert das Konzept, bei dem der meinungsstärkste Teilnehmer am Ende der Sendung einen sechstelligen Betrag gewinnen kann. Raab aber hat sich wie gewöhnlich nicht nach der Meinung vieler Kritiker gerichtet, sondern nur nach einer: der von Stefan Raab.

Eine Menge gewonnen

"Ich trete nur für mich an", sagte er in einem Interview mit der taz am Tag vor der ersten Episode von Absolute Mehrheit. "Ich kämpfe niemals gegen, sondern immer nur für etwas." Und nun? War/ist Raabs Politshow der Untergang des Politshow-Abendlandes? Nein. Ob das Konzept "Geld gegen Meinung" ein kluges ist, bleibt zwar diskutabel. Aber wenn Raab mit Absolute Mehrheit nur eine Handvoll junger Menschen nur eine Handvoll politisches Wissen an die Hand gegeben hat, ist schon eine Menge gewonnen.

Das ist auch der angebliche Grund, weshalb Edmund Stoiber ihn als Co-Moderator des Kanzlerduells vorgeschlagen hat. Um junge Menschen am Sonntagabend vor den Fernseher zu locken. Um ihnen die vermeintlich dröge Welt der Bundespolitik ein wenig näher zu bringen. Dass Raab dabei aus den vier Moderatoren besonders herausstechen wird, ist unwahrscheinlich. Einerseits, weil die deutschen TV-Duelle seit jeher so strikt reglementiert sind, dass es dem Einzelnen kaum möglich ist, sich besonders in Szene zu setzen. Andererseits, weil er laut eigener Aussage im Gespräch mit der Münchner tz gar kein Interesse daran hat: "Mein Bestreben ist nicht, einem Kanzlerduell, in dem es selbstverständlich um die Protagonisten geht und nicht um mich oder meine Kollegen, meine persönliche Note aufzudrücken."

Was also ist von Stefan Raab beim Duell Merkel vs. Steinbrück zu erwarten? Im Idealfall schafft er es tatsächlich, sich zurückzunehmen, den beiden Politikern die Rolle der Hauptprotagonisten zu überlassen. Ohne dabei völlig unkritisch zu sein, versteht sich. Die Politik-erfahrene Anne Will, die mit Raab innerhalb des Moderatoren-Quartetts ein Tandem bildet, wird ihm gewiss dabei helfen. Und das Polit-TV-Abendland wird auch diesmal nicht untergehen.

Matthias Kohlmaier

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1758679
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/pak/ihe/cag/mkoh/rus
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.