Es gibt ein paar Dinge, die man zu Frauen nicht mehr sagt. Nicht nur, weil sie antiquiert wirken und herablassend sind. Sondern weil man sie tatsächlich nicht mehr so empfindet. Die Behauptung, dass mit 30 irgendetwas "vorbei" sei, gehört dazu. Vielleicht sollte man also lieber nicht darauf hinweisen, dass nun ausgerechnet das bekannteste Frauenmagazin des deutschen Fernsehens - im WDR läuft noch frauTV - kurz nach seinem 29. Geburtstag zum letzten Mal gesendet wurde. ML Mona Lisa durfte gar nicht erst 30 werden. Bemerkenswert: Die letzte Sendung lief just in der Woche, in der eine umfassende Studie über Geschlechterdiversität in Film und Fernsehen veröffentlicht wurde. Deren Ergebnis: Frauen sind deutlich unterrepräsentiert, stellen nur ein Drittel der Hauptakteure auf den Bildschirmen. Was die Studie außerdem herausfand: "Ab 30 Jahren kommen Frauen sukzessive seltener vor."
Ob die Studie, wäre sie ein Jahr vorher erschienen, etwas geändert hätte an der Entscheidung des ZDF, Mona Lisa, das zuletzt eine knappe bis gute Million Zuschauer hatte, durch ein Dokumentationsformat zu ersetzen? Wahrscheinlich nicht. Auf einer Podiumsdiskussion vergangene Woche nannte ZDF-Intendant Thomas Bellut den von der Studie diagnostizierten zwar einen "unbefriedigenden Zustand". Als Petra Gerster, frühere ML-Moderatorin, ihn im Zusammenhang damit aber auf die Absetzung des Magazins ansprach, antwortete Bellut, dass er die Frauen gerade nicht mit einer Ecke am Samstagabend abspeisen wolle.
Nur: Bringt es etwas, einer Gruppe ihr Biotop zu nehmen, wenn sie überall sonst eben noch nicht angemessen, und das wäre im Fall der Frauen nun mal zu fünfzig Prozent, vertreten ist? Frauenverbände und Politiker hatten gegen die Absetzung von Mona Lisa protestiert.
Es half nichts. Am Samstag um 18.30 Uhr winkte die Redaktion zum Abschied in die Kameras, etwa 20 Leute, die vor dem Studiogebäude in München standen. Dann wurde Harry Styles' Rockhymne Sign of the Times eingespielt. "Just stop your cryin'" heißt es darin, und wie zu diesem Lied noch einmal alle Mitarbeiter der Sendung einzeln eingeblendet wurden, das war ernsthaft berührendes Fernsehen, mitten am samstäglichen Vorabend. Dass doch einige Männer darunter waren, nicht zuletzt Barbara Hahlwegs Co-Moderator Alexander Mazza, zeigte, was sich in 29 Jahren Mona Lisa alles verändert hat.
Als das Magazin am 17. April 1988 Premiere hatte, gab Paul Bocuse noch Kochtipps in Mona Lisa, es ging um Mode und Kosmetik, außerdem um Prominente - die Sendung hatte einen Kooperationsvertrag mit der Bunten. Viel mehr Welt kam nicht vor. Doch Maria von Welser, Mitgründerin und langjährige Redaktionsleiterin, änderte das schnell. Schon im Jahr darauf hatte ML eine inhaltliche Kehrtwende zum gesellschaftskritischen Format hingelegt. Mona Lisa berichtete über die Debatte zum Abtreibungsparagrafen § 218 und über Vergewaltigung in der Ehe, über weibliche Altersarmut, Genitalverstümmelung und Kinderpornografie. Im November 1992 sprachen in ML zum ersten Mal bosnische Frauen im Fernsehen über die systematischen Vergewaltigungen im Krieg auf dem Balkan. In Den Haag werden später Kriegsverbrecher dafür angeklagt.
Fast die Hälfte der Zuschauer waren Männer - obwohl früher zeitgleich die "Sportschau" lief
Mona Lisa sollte nie nur unterhalten, auch wenn "weiche" Themen immer einen Platz in der Sendung hatten - auch der Quote zuliebe. Das Magazin wollte wirksam sein, im Großen, wie auch im etwas Kleineren, und war damit erfolgreich: Immer wieder spendeten Zuschauer Geld für besonders tragische Einzelfälle, die in der Sendung vorkamen. In der Abschiedssendung trifft ein Mann, der als Adoptivkind aus Rumänien nach Deutschland kam, erstmals seine leibliche Mutter. ML-Reporter hatten ihm bei der Suche nach ihr geholfen.
Mehr als 40 Prozent der Zuschauer waren schon immer Männer - trotz des Sendeplatzes, der bis 2011 auf dem Sonntag lag. Nebenan in der ARD läuft da die Sportschau. Seit dem letzten Relaunch 2011 hieß Mona Lisa im Untertitel: "Frauen, Männer & mehr". Was die Sendung in den vergangenen Jahren schaffte, war nicht mehr die politisch relevante Bestellung eines streng eingehegten Frauen-Biotops. Mona Lisa schaffte mit der Auswahl seiner Protagonisten, Moderatoren und Mitarbeiter, was sich die Sender erst jetzt langsam für ihr ganzes Programm vornehmen: Gleichberechtigung. Eine dem Bevölkerungsanteil angemessene Häufigkeit von Frauen auf dem Bildschirm, ohne den Mann dabei auszuschließen. Gerade zu dem Zeitpunkt, da Mona Lisa Vorbild geworden war für das, was kommen sollte, verschwindet die Sendung aus dem Programm - als sei schon alles erreicht.