Süddeutsche Zeitung

Miniserie über Breakdancer:Das Leben ist ein Headspin

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Die Doku-Serie "Dance till you break - The Saxonz" menschelt zwar sehr - sie begeistert aber mit der Dynamik des Breakdance und dem Teamspirit der Protagonisten

Von Dorion Weickmann

Drei Jahre noch, dann tritt auch Deutschland mit einem Tanz-Team bei den Olympischen Sommerspielen an. Breakdance goes Olympia, also wird der deutsche Nationalkader seine Headspins und Horizontalschrauben, Handtellerpirouetten und Beinwindmühlen 2024 in die Sportarenen der französischen Hauptstadt zirkeln - was derzeit nicht überall für Begeisterung sorgt. Manche wittern Verrat, weil der protestkrawallige Straßentanz aus den nordamerikanischen Metropolenghettos nunmehr als künstlerisch veredelte und sportiv getunte Disziplin verkauft wird.

All das blendet die dreiteilige Doku Dance till you break - The Saxonz aus. Das ZDF hat sie in der Reihe "37°" exklusiv für die eigene Mediathek produziert, sozusagen unter Umgehung seiner silbermähnigen TV-Klientel. Schade eigentlich, denn bei aller Kritik am offensiv menschelnden Zuschnitt der Miniserie ist die Crew, die Maike Conway porträtiert, ganz einfach supersympathisch.

Das Sextett beherrscht die hohe Schule des Breakens meisterlich

"The Saxonz" ist das Label, unter dem sich 2013 eine Schar tanzbegeisterter Youngsters aus Dresden, Chemnitz und Leipzig zusammengeschlossen hat. Conway griff sich nun den harten Kern des Kollektivs, seine Gründer und ungebrochen einsatzfreudigen Antreiber. Die Filmemacherin zeigt sie beim Training, beim Auftritt und natürlich als Kombattanten zahlreicher Battles: Jener Wettkämpfe um die spektakulärsten Moves, bei denen sich selbst allerbeste Freunde bis zum körperakrobatischen Knock-out wechselseitig zu übertrumpfen suchen.

Das Sextett, das Conway in den Mittelpunkt ihrer jeweils halbstündigen Doku-Sessions rückt, beherrscht die hohe Schule des Breakens meisterlich, temporeich und erfinderisch bis in die Zehen- und Fingerspitzen. Aber ums Tanzen, ums Kämpfen, ums Siegen allein geht es den fünf B-Boys und Joanna Mintcheva, der einzigen Performerin inmitten der Männerrunde, gar nicht. Teamgeist, Fairness und Solidarität zählen hier mehr als jeder Solo-Trip. Außerdem haben sich alle längst ein zweites Standbein zugelegt: in Gestalt eines Physiotherapie-Diploms, Psychologie-Studiums oder per akademischer Erweiterung des eigenen Tanzhorizonts.

Ein Saxon hat vor gut zwei Jahren den Sprung an die Dresdener Palucca-Hochschule für Tanz geschafft, wo er Choreografie studiert, als erster Hip-Hopper überhaupt. Die Ausbildungsbeförderung in die A-Liga erfolgt reichlich spät; die Trottoir-Artistik ist längst in den Tempeln der Premiumkultur bis hin zur Pariser Oper angekommen. Die Parallelen zwischen Ballett und Break liegen auf der Hand: Hier wie dort ruht die Bewegungsvielfalt auf einem fein geregelten Fundament, biomechanische Prinzipien bestimmen das Erscheinungsbild. Dem Variationsreichtum ist jedenfalls nur eine einzige Grenze gesetzt, nämlich die der Phantasie.

Maike Conway interessieren diese ästhetischen Wahlverwandtschaften nicht, dafür rückt sie hautnah an die Protagonisten heran. Familienszenen, Schicksalsschläge, Unfälle, Verletzungen samt chronischem Schmerzgeschehen und Dauermedikation - wie das Leben so spielt, so spielt es eben auch bei den Saxonz. Und die sind dank Ehrlichkeit, Klugheit, menschlicher Reife ebenso exzellente Körper- wie Denkarbeiter. Ihnen zuzusehen, ist ein echtes Vergnügen.

Dance till you break - The Saxonz, ZDF-Mediathek

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