Miniserie:Des Teufels Pianist

In der Haut des Anderen (1/3)

Die Hände funktionieren noch, aber der Verstand macht Probleme: Jonathan Zacca als Pianist Philippe.

(Foto: Benoît Linder)

"In der Haut des Anderen": Ein Musiker erlebt in der französischen Mini-Serie den Albtraum einer Identitätskrise, in der sein Verstand langsam aussetzt.

Von Benedikt Frank

Es wirkt wie ein böses Omen, wenn ein Versicherungsangestellter den erfolgreichen Pianisten Philippe zu Beginn bittet, den Ehering abzunehmen. Dessen Hände sind jetzt Millionen wert, der Ring ist ein Unfallrisiko. Doch nicht sein Handwerk wird Philippe zum Verhängnis, sondern sein Verstand. Die französische Mini-Serie In der Haut des Anderen führt langsam in den Albtraum seiner Identitätskrise.

Phillippe ist nervös. Ein Ton klingt falsch, da ist er sich ganz sicher, auch wenn der Klavierstimmer ihm das Gegenteil bescheinigt. Seine Frau Astrid reicht ihm auf der Party zu seinem 40. Geburtstag das Baby eines Bekannten; das Paar wünscht sich seit Jahren ein eigenes. Philippe erstarrt: Für einen Moment war ihm, als färbte sich das Weiß der Augen des Kindes in teuflisches Schwarz. Immer öfter halluziniert er nun einen kleinen Jungen. Ist das Stress vor seiner großen Premiere, oder scheut er sich doch vor eigenem Nachwuchs?

Alles läuft auf eine furiose Montagesequenz während Philippes Konzert zu. Die Kamera dreht sich schwindelerregend; sie taucht in den Flügel ein, währenddessen Hämmer auf die Saiten schlagen, Druckerpressen klacken im rasenden Rhythmus - Philippe erwacht nach seinem Zusammenbruch als ein anderer, als Arbeiter namens Marc, an dessen Leben er keine Erinnerung hat, Frau und Sohn sind ihm fremd.

Die Kamera ist dabei nah am Hauptprotagonisten und täuscht die Zuschauer, wie dessen Wahrnehmung ihn selbst trügt. Zwischendurch vermittelt die Geschichte scheinbare Sicherheit, wird zur einfühlsamen dramatischen Erzählung über einen Kranken, der sich gegen seinen Wahn wehrt. Der darum ringt, die Welt um ihn verstehen zu können, und der wieder ein normales Leben führen will, ohne die Familie, die er glaubt zu lieben, zu verletzen.

Doch durch die Perspektive kommt ein grundsätzlicher Zweifel, was denn nun die wirklich wahre Wahrheit ist, immer wieder zurück: Ist Marc tatsächlich er selbst, der proletarische Bruder des wohlhabenden Philippe? Ist er vielleicht darüber, sein weniger glückliches Dasein kompensieren zu wollen, verrückt geworden? Oder ist Philippe Opfer einer Intrige seines Zwillings Marc? Dieser starb als Kind bei einem Autounfall. Doch was, wenn er irgendwie überlebte und sich nun als Doppelgänger rächt? Die senile Mutter, die dauernd die Namen ihrer Söhne verwechselt, ist keine Hilfe. Von ihr führt eine weitere Fährte zu einem Kindheitstrauma.

Der Regisseur Xavier Palud verwebt die Ebenen zum Labyrinth. Szenen, die schon fast ein Happy End ankündigen, entgleiten subtil: Erst ändert sich die Mimik des Gegenübers, ein leichtes Crescendo liegt auf der Atmosphäre, bis die sich mit Knall entlädt. Eine Partitur, in der statt Noten Fragezeichen stehen.

In der Haut des Anderen, Arte, 20.15 Uhr.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: