Michelle Obama auf Titelblatt:Bildnis einer ehemaligen Sklavin

Eine halbnackte Michelle Obama, notdürftig von der amerikanischen Flagge verhüllt: Die Illustration auf dem aktuellen Cover eines spanischen Magazins erregt die Gemüter. Wie ist das Bild zu verstehen? Die einen sehen darin eine rassistische Verunglimpfung. Die anderen sehen es als Symbol der Freiheit.

Felicitas Kock

Blanke Brüste auf glänzenden Magazinen gibt es an jedem Zeitungskiosk, jetzt aber sorgt das Cover einer spanischen Zeitschrift international für Aufregung. Der Aufschrei ging zunächst durch Blogs und soziale Netzwerke, nun erreicht er auch renommiertere Online-Seiten wie etwa die amerikanische Huffington Post. In allen Beiträgen schwingt die Frage mit: Hat dieses Cover eine ernstzunehmende Aussage oder ist es einfach nur rassistisch?

Michelle Obama Cover

Die Zeitschrift "Fuera de Serie" zeigt auf ihrem Titelbild eine halb entblößte Michelle Obama.

(Foto: Screenshot: http://fueradeserie.expansion.com)

Auslöser der allgemeinen Empörung ist die aktuelle Titelseite des spanischen Magazins Fuera de Serie, einer Lifestyle-Beilage der bekannten Tageszeitung Expansión. Es zeigt eine in die Ferne blickende Michelle Obama mit nackter Brust und Tuch im Haar, die ihre Blöße zum Teil mit einer amerikanischen Flagge bedeckt. Daneben der Titel "Michelle se come a Obama", was so viel heißt wie "Michelle verschlingt Obama".

Die Titelstory porträtiert Michelle Obama als starke Frau, die ihren afroamerikanischen Mitbürgerinnen als Vorbild dient. Sie erzählt von ihrem akademischen Werdegang und davon, wie sie zuerst ihren späteren Ehemann Barack, dann die Bürger der Vereinigten Staaten und schließlich die ganze Welt für sich einnahm. Heute ist sie beliebter als der Präsident selbst, was allerdings bisher noch jeder First Lady gelang. Was in dem Stück damit beschrieben wird, ist die Erfolgsgeschichte einer schwarzen Frau, die mit ihrem Aufstieg zur Präsidentengattin etwas geschafft hat, was noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre.

Zu diesen Worten in krassem Kontrast steht nach Meinung zahlreicher Kritiker, die ihren Ärger nun im Netz niederschreiben, das Titelfoto. Das Bild stammt ursprünglich von der französischen Künstlerin Karine Percheron-Daniels. Es gehört zu ihrer Reihe "Famous Nudes", in deren Rahmen sie auch andere bekannte Persönlichkeiten nackt darstellt. Queen Elizabeth ist dabei, genauso wie Che Guevara, Albert Einstein oder Michael Jackson. Für ihr Michelle-Obama-Porträt hat sie das Gesicht der First Lady in ein Gemälde der französischen Malerin Marie-Guillemine Benoist eingefügt. Das Original aus dem Jahr 1800 zeigt - und hier liegt der Knackpunkt - eine ehemalige Sklavin.

In der Interpretation des Bildes kommt es nun darauf an, was für wichtiger gehalten wird: Dass das ursprüngliche Motiv eine Sklavin war? Oder dass diese sich aus der Sklaverei befreit hat?

Nacktheit und Körperlichkeit als typische Muster

Althea Legal-Miller argumentiert in ihrem Artikel für das Online-Magazin Clutch für erstere Lesart: "Das Porträt beraubt Obama ihrer Identität, ihrer Stimme und ihres Intellekts und macht sie mit bildlichen Mitteln zu einem politisch passiven Subjekt, das dem Schicksal der ihr zugeschriebenen Rolle der Sklavin ergeben ist", schreibt sie. Eine Autorin der Plattform The Root schreibt: "Die große Mehrheit der Afroamerikaner mit Vorfahren aus dem Süden sind Nachkommen von Sklaven. Und Michelle Obama (...) ist keine Ausnahme. Kanntet ihr die Geschichte nicht? Wenn nicht, würde euch das spanische Magazin Fuera de Serie gerne darauf hinweisen - mit einem Cover, auf dem Michelle Obama als halbnackte französische Sklavin abgebildet ist."

Beide Zitate machen deutlich, was vielen an dem Titelbild aufstößt: Es ist der mit dem Holzhammer angebrachte Verweis auf die Herkunft der First Lady. Der Bezug auf ihre Vorfahren, die einst Unterworfene waren und in deren Haltung sie nun selbst inszeniert wird. Auch die entblößte Brust der Frau auf dem Cover geht vielen zu weit: "Schwarze Frauen wurden nie in der gleichen Weise dargestellt wie weiße", schreibt ein User unter Percheron-Daniels Bild. Gerade Nacktheit und Körperlichkeit seien hier typisch.

Obamas in Turban und Kampfanzug

Künstlerin Percheron-Daniels wehrt sich gegen die Vorwürfe. "In meinen Augen ist das Bild, das ich hier geschaffen habe, das einer schönen Frau mit einer schönen Botschaft: Die First Lady Amerikas ist zum ersten Mal in der Geschichte eine schwarze Frau, die stolz und selbstbewusst ihre Weiblichkeit (die Nacktheit), ihre Wurzeln (die Sklavin) und ihre Macht (die First Lady umarmt von der amerikanischen Flagge) zeigt. Ich sehe das Bild nicht als rassistische Verunglimpfung", schreibt sie auf einer Internetseite.

Eine Argumentation, die auch durch die Wahl des Originalbildes gestützt wird, handelt es sich dabei doch nicht einfach um irgendein Gemälde. Das "Portrait d'une negresse" ist die bekannteste Arbeit Benoists. Die Künstlerin aristokratischer Herkunft stellte das Bild 1800 in Paris aus, wenige Jahre nachdem die Sklaverei in Frankreich abgeschafft worden war. Das Gemälde wurde zu einem mächtigen Symbol dieser historischen Entwicklung, der Emanzipation und der Menschenrechte.

Auf diese Weise gelesen, spricht das Cover der Fuera de Serie eher für eine der First Lady wohlgesonnene Bildauswahl. Wie die unbekannte Frau auf dem Original verkörpert auch Michelle Obama eine Geschichte der Befreiung und Selbstbehauptung. Was dennoch bleibt, ist die Frage, ob das Blatt bewusst provozieren wollte oder ob es nicht zumindest mit der nun heraufziehenden Empörung hätte rechnen müssen.

Bereits im Jahr 2008 brachte sich das Magazin The New Yorker in Misskredit, als es auf dem Cover eine Zeichnung des Ehepaars Obama druckte, auf dem die beiden in Turban und Kampfanzug als Verehrer Osama Bin Ladens dargestellt wurden. Die Zeichnung sollte die Taktiken des Angstschürens und der Fehlinformation karikieren, die die Republikaner im Wahlkampf gegen den demokratischen Kandidaten ins Feld geführt hatten. Doch anstatt amüsierter Reaktionen gab es harsche Kritik. Der Grund: Genau wie das Cover der spanischen Fuera de Serie spielte auch der New Yorker zu unvorsichtig mit verbreiteten Vorurteilen.

Am Ende verdeutlicht die Aufregung um das spanische Zeitschriftencover deshalb vor allem eines: Im Umgang mit bestehenden Stereotypen ist nach wie vor Sensibilität gefragt - eben gerade weil es noch immer als Besonderheit gilt, dass eine schwarze Frau an der Seite des Präsidenten der USA steht.

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