Michael Buback im Gespräch:"Die Presse kann Ermittlungen beflügeln"

Michael Buback über den RAF-Anschlag auf seinen Vater und den Weg über die Medien bei dem Versuch, die Tat aufzuklären.

Christina Maria Berr

sueddeutsche.de: Herr Buback, von Anfang an haben Sie alle Kenntnisse über die Ermordung Ihres Vaters, die sie selbst recherchiert haben, über die Medien veröffentlicht. War das - im Nachhinein betrachtet - der richtige Weg?

Michael Buback: So war es ja nicht. Vor drei Jahren gab es die Diskussion über eine Begnadigung von Christian Klar und hierzu wurde ich um einen Zeitungsbeitrag gebeten. Zweifel an einer bestmöglichen Aufklärung des Karlsruher Attentats hatte meine Familie zu diesem Zeitpunkt nicht. Sie kamen erst auf, nachdem ich aufgrund meiner Äußerungen in der Presse Hinweise erhielt. Diese habe ich zunächst der Bundesanwaltschaft mitgeteilt. Wenn ich in den Medien über das Karlsruher Attentat spreche, beschänke ich mich auf wenige Kernmitteilungen. So sind zum Beispiel die beiden Personen, die das Attentat begingen, wegen dieses Verbrechens nicht angeklagt worden und waren dafür keinen Tag in Haft.

Ich habe öffentlich die Frage gestellt, weshalb trotz des Verdachts der Mittäterschaft Günter Sonnenberg und Verena Becker nicht angeklagt wurden. Und ich habe gefragt, weshalb gegen Stefan Wisniewski im Jahr 1982, als er in einem Vermerk des Verfassungsschutzes an den Generalbundesanwalt als Karlsruher Schütze genannt worden war, kein Ermittlungsverfahren aufgenommen wurde.

sueddeutsche.de: Die Bundesanwaltschaft hat nie versucht zu intervenieren?

Buback: Warum sollte sie das tun? Meine Erkenntnisse beruhen überwiegend auf Akten der Bundesanwaltschaft und auf Zeugenaussagen. Die Bundesanwaltschaft hatte mir zunächst geraten, meine Erkenntnisse nur an die Behörde weiterzugeben.

Als ich merkte, dass die neuen Hinweise von der Bundesanwaltschaft nicht oder nur zögerlich berücksichtigt wurden und meinen Hinweisen auf einen Verdacht gegen Verena Becker von der Behörde vehement entgegengetreten wurde, habe ich bei Anfragen der Medien Stellung bezogen. Ich halte nichts von Geheimniskrämerei. Schließlich sind die vielen neuen Erkenntnisse, die meiner Frau und mir inzwischen ein sehr klares Bild von den unmittelbaren Tätern vermittelt haben, nur aufgrund meiner Äußerungen in Medien ans Licht gekommen.

sueddeutsche.de: 2007 haben Sie sich zu einer Begnadigung des RAF-Terroristen Christian Klar geäußert und erklärt, er könnte jetzt doch sagen, wer auf Ihren Vater geschossen hat.

Buback: Ja, das war in meinem ersten Beitrag in der "Süddeutschen Zeitung". Ich hatte allerdings keine große Hoffnung, dass Christian Klar sich bereit finden würde, diese Information zu geben. Mein Appell führte aber dazu, dass sich Peter-Jürgen Boock, ein früheres Mitglied der RAF, meldete. Er meinte, Klar und Knut Folkerts seien definitiv nicht die Täter auf dem Motorrad gewesen. Er nannte mir Stefan Wisniewski als zweite Person auf dem Motorrad.

"Sechs Zeugenaussagen"

sueddeutsche.de: An Boocks Darstellung zweifeln Sie jedoch? Buback: Ich zweifle nicht an seiner Aussage, dass weder Klar noch Folkerts Täter auf dem Motorrad waren. Nicht jedoch überzeugt mich sein Hinweis, dass Wisniewski unmittelbar tatbeteiligt war. Diese Information hat Boock ja selbst nur vom Hörensagen. Sein Anruf hat allerdings bewirkt, dass meine Frau und ich uns erstmals, 30 Jahre nach der Tat, mit der Täterschaft beim Karlsruher Attentat befasst haben.

Inzwischen wissen wir von sechs Zeugen, die am Tattag eine zierliche Person, höchst wahrscheinlich eine Frau, auf dem Motorrad gesehen haben. Vier weitere Zeugen haben an Tagen zuvor eine Frau auf der Suzuki gesehen. Inzwischen wissen wir auch, dass am 10. Mai 1977, also einen Monat nach der Tat, für den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs Verena Becker als Mittäterin in Betracht kam. Uns war über dreißig Jahre nie gesagt worden, dass möglicherweise eine Frau unmittelbar am Attentat beteiligt gewesen sei

sueddeutsche.de: Verena Becker könnte vermutlich im Frühsommer der Prozess gemacht werden - sehen Sie dem mit Genugtuung entgegen? Buback: Es geht für uns nicht um Genugtuung, sondern darum, endlich die Wahrheit zu erfahren. Angesichts des Verdachts auf eine Mittäterschaft von Verena Becker, den ja - zu unserer großen Beruhigung - inzwischen auch die Bundesanwaltschaft sieht, hoffen wir, dass es nun zu einem Prozess kommt, in dem alle wesentlichen Hinweise und Zeugenaussagen präsentiert werden. Wie ich hörte, wollte mir Verena Becker ja im vergangenen Jahr sogar schreiben und ihr Anwalt soll sie davon abgehalten haben. Warum eigentlich? Wenn Verena Becker nach Rechtsanwalt Venedeys Meinung freizusprechen ist, hätte ihr dieser Brief doch keine Nachteile bringen können und ich hätte ihn gern gelesen und auch beantwortet. Meine Familie und ich haben nichts gegen Verena Becker, wenn sie nicht am Karlsruher Attentat beteiligt war.

sueddeutsche.de: Jetzt hat Beckers Anwalt Sie in einem Zeitungsinterview angegriffen, Sie würden in den Medien zu weit gehen mit Ihren Behauptungen. Was entgegnen Sie?

Buback: Rechtsanwalt Venedey muss natürlich die Interessen seine Mandantin verteidigen. Wenn er meint, Verena Becker sei freizusprechen, so hat er alle Möglichkeiten, sich in einem Prozess hierfür einzusetzen.

sueddeutsche.de: Sie wurden immer wieder für Ihre "Pressearbeit" attackiert.

Buback: Das Wort "Pressearbeit" scheint mir in Bezug auf meine gelegentlichen öffentlichen Auftritte übertrieben zu sein. Ich reagiere auf Anfragen, mehr nicht. Ich habe zudem in dieser Angelegenheit nichts zu gewinnen. Mein Vater ist nun einmal tot. Es ist merkwürdig, dass Angehörige von RAF-Opfern angegangen werden, noch dazu, wenn sie sich intensiv bemühen, bei der Klärung mitzuhelfen. Wie man in meinem Buch nachlesen kann, sind viele wesentliche Erkenntnisse erst im Rahmen meiner Erkundungen bekannt geworden.

"Die Presse soll ja nicht ermitteln"

sueddeutsche.de: Die Staatsanwaltschaft selbst ist sehr zurückhaltend mit Meldungen.

Buback: Es gibt sicher gute Gründe für Zurückhaltung, aber es muss nicht alles in Schweigen gehüllt werden. Im August vorigen Jahres wurde eine Hausdurchsuchung bei Verena Becker gemacht. Bis heute weiß ich nicht, ob auf den beschlagnahmten Datenträgern Hinweise auf die "Buback-Geschichte" gefunden wurden, die Verena Becker angeblich aufschreiben wollte. Wurde überhaupt der Name "Buback" auf den Datenträgern gefunden? Wenigstens das müsste man doch sagen können, ohne die Ermittlungen zu gefährden. Als es kürzlich den Amoklauf eines Schülers auf seine Schule gab, teilte bereits am nächsten Tag eine Oberstaatsanwältin in den Medien mit, dass die Tat auf dem Computer des Täters angekündigt gewesen sei. Warum erfährt man nichts über Daten auf Verena Beckers Computer?

sueddeutsche.de: Haben Sie mal nachgefragt?

Buback: Ich habe auf meine Sachfragen seit vielen Monaten von der Bundesanwaltschaft keine Antwort mehr erhalten. Mich wundert, dass Journalisten so wenig nachfragen, aber vielleicht bekommen sie ja auch keine Antworten. Es ist ja schon wieder fast drei Jahre her, dass ungeheuerliche Dinge bekannt geworden sind. Die drei Menschen, die angeklagt und verurteilt wurden, waren nicht die unmittelbaren Täter. Das weiß man mittlerweile. Das erzwingt ja praktisch die Frage, wie so etwas passieren konnte. Und Christian Klar hat einem anderen Häftling angeblich gesagt: die Verena Becker hat geschossen. Dem muss man doch nachgehen! Auch die Bundesregierung hat gesagt: wir verlangen eine restlose Aufklärung. Auch sie wartet wohl noch auf den klärenden Bericht. Da wäre es an den Journalisten, mal nachzuhaken.

sueddeutsche.de: Sie vermissen journalistische Hartnäckigkeit? Buback: Die Presse soll ja nicht ermitteln - aber die Ermittlungen durch Nachfragen beflügeln, das ginge schon. Es wäre gut, wenn sich Journalisten nach angemessenen Zeitabschnitten erkundigten, wie es um die Klärung steht. Leider versickert das Interesse an dem Fall immer wieder. Für die Redaktionen ist es natürlich schwierig, die Aufmerksamkeit wach zu halten, wenn es so wenig Information gibt.

sueddeutsche.de: Das heißt, Sie sind von den Medien einerseits enttäuscht, anderseits schätzen Sie den Erfolg medialer Berichterstattung?

Buback: Es gab Unterstützung für mein Anliegen, aber auch Desinteresse. Ein ehemaliger Verfassungsschutzbeamter sagte, es habe massenhaft Unzulänglichkeiten bei den Ermittlungen gegeben. Da muss doch geklärt werden, ob Schlamperei oder eine "schützende Hand" am Werke waren. Beides ist doch äußerst beunruhigend. Ich wünschte mir, dass man den Fall nachdrücklicher begleitet. Ich selbst kann da nicht mehr viel tun.

Michael Buback, Der zweite Tod meines Vaters, Knaur Verlag

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