Meteomedia:Kachelmann: Es regnet, es regnet, die Firma wird nass

Die Meteomedia AG arbeitet weiter ohne Kachelmann - und plant sich von ihrem Gründer zu entfernen.

Katharina Riehl

Vor den blauen Himmel mit den Schäfchenwolken wird der Chef auch in den kommenden Monaten nicht zurückkehren. Am Kopf des Webportals, mit der sich Das Wetter im Ersten im Netz präsentiert, stehen schon seit einer Weile nur noch Claudia Kleinert, Sven Plöger und Alexander Lehmann über den Videos und dem 15-Tages-Trend.

Joerg Kachelmann aus Haft entlassen

Hat zur Abwechslung gut Lachen: der gerade frei gekommene Jörg Kachelmann.

(Foto: ddp)

Seit 1994 beliefert die in der Schweiz ansässige Meteomedia AG von Jörg Kachelmann die ARD mit Wetter-Reports. Mehr als vier Monate war der Wetter-, früher auch schon mal Talkshow-Moderator in der JVA Mannheim in Untersuchungshaft. Seit vergangener Woche ist er frei. Mit seinen Anwälten bereitet er sich auf die Hauptverhandlung vor, die am 6. September beginnt. Auf Sendung gehen werde er bis dahin im Ersten nicht, lässt die ARD erklären.

Auf der Internetseite der 1990 gegründeten Meteomedia AG aus Gais, einer hundertprozentigen Tochter der Jörg Kachelmann Produktions AG, ist Kachelmanns Gesicht noch zu sehen. Kachelmann ist Präsident des dreiköpfigen Verwaltungsrats. Nach Schweizer Aktienrecht entspricht das der Rolle von Geschäftsführern.

Aus Präsident wird Gesellschafter

Doch offenbar plant das übrige Meteomedia-Management inzwischen, sich so weit wie möglich vom Gründer zu distanzieren. Geht es auch ums Geld? Für 2009 soll Meteomedia einen Bilanzgewinn von 4,85 Millionen Schweizer Franken (3,56 Millionen Euro) ausgewiesen haben. Der Tagesspiegel informierte, Meteomedia mache 13 Millionen Euro Umsatz. Offiziell bestätigt wird das nicht.

In den kommenden Wochen soll eine Entscheidung getroffen werden, die das operative Geschäft von der Person Kachelmann trennt. Das könnte bedeuten, dass Kachelmann nicht wieder als Verwaltungsrat gewählt wird. Er hält zwar 49 Prozent der Aktien, besitzt aber damit keine absolute Mehrheit der Firmenanteile. Er wäre dann nur noch Gesellschafter.

Schon als neulich eine Aktionärsversammlung in der Justizvollzugsanstalt Mannheim stattfinden sollte, hieß es, ein neuer Verwaltungsrat werde gewählt. Die Reise zu Kachelmann fiel aus. Angeblich waren die Beschlüsse, die gefasst werden sollten, nicht ausreichend vorbereitet. Ist der Machtkampf innerhalb des Verwaltungsrats offen ausgebrochen? Steht Kachelmann vor der nächsten juristischen Auseinandersetzung? Es ist kaum vorstellbar, dass er seinen Einfluss auf Meteomedia so einfach aufgibt.

Das Auf und Ab des Jörg Kachelmann

Mit offiziellen Stellungnahmen zur aktuellen Situation, zur künftigen Rolle des Gründers und dessen Entlassung ist man bei Meteomedia im Kanton Appenzell vielsagend zurückhaltend. Norbert Steffen ist neben Jörg Kachelmann und Frank B.Werner - ein Münchner Medienmann, der kürzlich die einst von ihm gegründeten Finanztitel Euro und Euro am Sonntag von der Axel Springer AG zurückkaufte - im Verwaltungsrat aktiv. Steffen führt die Geschäfte, seit Kachelmann wegen des Verdachts der besonders schweren Vergewaltigung unter Anklage steht. Mit den Medien spräche folglich nur Steffen, doch Norbert Steffen spricht nicht. Interviews waren stets Kachelmanns Sache. Steffen war und bleibt anscheinend der Mann für die Zahlen.

Ohne Kachelmann, keine Frage, wäre die Meteomedia AG in den vergangenen 20 Jahren nicht zum wichtigsten Wetterdienstleister Deutschlands aufgestiegen. Mit Hilfe der Daten von 815 eigenen und insgesamt 1625 Wetterstationen versorgt die Firma beinahe alle ARD-Anstalten mit Wetterberichten, von den Tagesthemen bis zu Regionalnachrichten wie Baden-Württemberg aktuell beim SWR.

Unterhaltung auf Kosten des Deutschen Wetterdienstes

Als Kachelmann vor 20 Jahren in das Geschäft mit Sonne und Regen einstieg, gab es noch einen mächtigen Konkurrenten: den Deutschen Wetterdienst. In den folgenden Jahren griff Meteomedia den staatlichen Dienst immer wieder an, kritisierte ihn für schlechte Prognosen und verpasste Unwetterwarnungen, so auch nach dem Sturm Anna 2002. Kachelmann, der kein fertig studierter Meteorologe ist, motzte medienwirksam und machte auch mit launigen Scherzen aus Wettervorhersagen eine Schau, er machte Unterhaltung. 2003 zog sich der Deutsche Wetterdienst aus dem Mediengeschäft zurück.

Als Kachelmann erst wenige Wochen inhaftiert war, sagte Verwaltungsrat Werner in einem Interview, die Rolle Kachelmanns für die Firma werde überschätzt. Tatsächlich geben sich die Kunden der Meteomedia betont entspannt. Beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), der täglich zwei einminütige Wetterberichte von Meteomedia zeigt, heißt es: "Die Verträge sind mit Meteomedia geschlossen worden, nicht mit Jörg Kachelmann. Insofern besteht kein Zusammenhang zwischen der Sendung und einer eventuellen Verurteilung." Auch der Norddeutsche Rundfunk lässt mitteilen, die Zusammenarbeit hänge nicht an der Person Kachelmanns.

Kachelmann von geringer Bedeutung

Zurückhaltend gibt sich der von der künftigen ARD-Vorsitzenden Monika Piel gelenkte Westdeutsche Rundfunk. Beim WDR sind auch die Verträge für die ARD-Sendungen Wetter im Ersten, das Wetter in den Tagesthemen und das Wetter im Morgenmagazin anhängig. Das sind die Sendeflächen, auf denen Kachelmann selbst auftrat. Die Verbindung zum Sender aus Köln war und ist wohl noch eng. Von August 1994 bis Dezember 2006 war die WDR mediagroup GmbH Minderheitsgesellschafter ("weniger als 20 Prozent") der Jörg Kachelmann Produktions AG. Mit Verweis auf das laufende Verfahren sagt beim WDR niemand etwas: weder zur Laufzeit der Verträge, noch zu einer weiteren Zusammenarbeit.

Meteomedia hat allerdings viele Abnehmer, die nicht im Mediengeschäft tätig sind, zum Beispiel Sparkassen und Versicherungen. Für sie ist die Personalie Kachelmann von geringer Bedeutung. Sie kaufen Unwetterwarnungen für einen Warnservice aufs mobile Telefon. Beeinflusst Kachelmanns Geschichte die Kooperation mit Meteomedia? Nein, heißt es aus diesen Kreisen, Meteomedia sei ein zuverlässiger Dienstleister - mit oder ohne Kachelmann. Man käme dabei auch ohne Kachelmann zurecht, sagt die Firmensprecherin auf SZ-Anfrage.

Mit Datum 1. August weitete Meteomedia seinen Unwetter-Warnservice auf Europa aus, beginnend mit Frankreich. Belgien, Luxemburg, England sollen folgen. Die Idee dazu hatte Kachelmann. Sein aufgestellter Zeitplan sei exakt eingehalten worden, auch ohne den Chef.

Auf der Website von Meteomedia sind gerade wieder ein paar Jobs ausgeschrieben. Gesucht wird unter anderem ein Medien-Meteorologe, männlich oder weiblich, "idealerweise mit Moderationserfahrung". Allerdings am Standort Hiddensee.

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