Meinungsfreiheit in Ungarn:Recherchen in der Tiefe

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Die Proteste gegen die Regierung halten seit Wochen an - jetzt geraten die Organisatoren unter Beschuss.

(Foto: Attila Kisbenedek/AFP)

Die Meinungsfreiheit in Ungarn gerät immer stärker unter Beschuss. Jetzt will ein neues investigatives Web-Portal Korruption in der Regierung Orbán offenlegen. Die Zeit drängt.

Von Cathrin Kahlweit

Gergö Saling hat einen neuen Job, oder besser gesagt: Er hat sich selbst einen neuen Job erschaffen. Der ehemalige Chefredakteur des ungarischen Nachrichtenportals Origo.hu hatte nach massivem Druck aus der Verlagsführung einen Aufhebungsvertrag unterschrieben, nachdem auf Origo eine Reihe von kritischen Artikeln über einen ungarischen Minister und Getreuen von Premier Viktor Orbán erschienen waren.

Die Eigentümerin von Origo, die ungarische Telekom, bestritt damals jeden politischen Hintergrund einer Kündigung, die gleichwohl ziemlich stark nach einer Strafaktion roch. 42 Mitarbeiter der Internetzeitung kündigten damals aus Protest, ein knappes Dutzend blieb und machte weiter.

Nun hat Saling, gemeinsam mit zwei Ex-Kollegen, ein Enthüllungsportal ins Leben gerufen, das investigative Recherche in Reinform betreiben will. Direkt36 soll die Neugründung heißen, und laut Saling will man anfangs nicht mehr als etwa 25 Texte im Jahr online stellen. "Wir wollen in die Tiefe gehen. Wollen Korruption und Intransparenz in Ungarn untersuchen und aufspießen, alles im Detail dokumentieren und zusammen mit Grafikern auch optisch verständlich präsentieren."

USA verhängen Einreiseverbot für ungarische Politiker

Ob es dafür genug Interesse in Ungarn gibt, weiß das Team um Saling nicht, aber er ist optimistisch. Zum einen hat das ähnliche geartete Projekt Atlatszo.hu, das investigativen Journalismus betreibt, großen Erfolg, zum anderen tobt derzeit eine heiße Debatte über Korruption.

Die USA werfen der ungarischen Regierung vor, einen groß angelegten Mehrwertsteuerbetrug zu ignorieren, an dem auch Regierungsbeamte beteiligt seien; Washington hat eine Reihe von Einreiseverboten für ungarische Offizielle erlassen. Die Affäre führte mittlerweile dazu, dass die Chefin der ungarischen Steuerbehörde den amerikanischen Diplomaten André Goodfriend angezeigt hat.

Zudem sind ungarische Medien voll von Berichten über eine auffällige Geldvermehrung im Umfeld der Führung der regierenden Fidesz-Partei. Eine Recherche von Atlatszo.hu etwa hatte vor kurzem offengelegt, dass just diese Chefin der Steuerbehörde nur eine Woche nach ihrer Ernennung ihr Haus in Budapest an die Firma eines Fidesz-nahen Oligarchen verkaufen konnte.

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