Rundfunkbeitrag:Die Richter haben eine pragmatische Entscheidung getroffen - gut so

Jede andere Lösung hätte den Streit um das öffentlich-rechtliche System ohne Not aufs Neue entfacht.

Kommentar von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Sollten die Gegner des Rundfunkbeitrags mit ihrer Klage das Ziel verfolgt haben, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ins Wanken zu bringen, haben sie das Gegenteil erreicht. Der Beitrag hat seine Karlsruher Prüfung mit einer winzigen Schramme bestanden. Kein Rundfunkbeitrag für Zweitwohnungen mehr - ansonsten bleibt alles, wie es ist. Die Umstellung von der Gerätegebühr auf den Wohnungsbeitrag im Jahr 2013, jener umstrittene Systemwechsel bei der Rundfunkfinanzierung, ist verfassungsgemäß. Die Finanzplanung von ARD, ZDF und Deutschlandradio ist mindestens von gerichtlicher Seite gesichert.

Dieses Ergebnis ist zwar nicht unbedingt verfassungsrechtlich zwingend, aber es ist gesellschaftspolitisch richtig - jede andere Lösung hätte den Streit um das öffentlich-rechtliche System ohne Not aufs Neue entfacht. Bemerkenswert ist dabei, dass der Erste Senat auch dieses eigentlich eher finanztechnische Verfahren dazu genutzt hat, das hohe Lied auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu singen. Die Digitalisierung der Medien diene nicht unbedingt der Meinungsvielfalt, sondern fördere Monopolisierung und Konzentration, schreibt das Gericht. Es regiere der Kommerz mit seiner Tendenz zu Massenprogrammen - weshalb ein öffentlich-rechtliches System als Garant für seriösen Journalismus noch an Bedeutung gewinne.

So war es bislang eigentlich immer: Karlsruhe hat den öffentlich-rechtlichen Rundfunk stets gestärkt und unterstützt. Dieses Mal aber schien die Sache auf der Kippe zu stehen, wenigstens konnte man in der Karlsruher Anhörung im Mai diesen Eindruck gewinnen. Es ging in dem Verfahren ja eigentlich nicht um Sinn und Zweck des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern um vergleichsweise juristisch-technische Fragen: Ist der Beitrag womöglich eine verkappte Steuer und die Länder somit gar nicht zuständig? Und verstößt er gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, weil eine Wohnung mit einem einzelnen Digitalverweigerer, der nicht einmal ein Smartphone besitzt, ebenso belastet wird wie eine komplette WG mit fünf Fernsehjunkies und Internetfreaks?

Der Erste Senat hat beide Fragen mit Nein beantwortet. Kein Grundgesetzverstoß, beides geht in Ordnung. Zwar klingt beim Thema Gleichbehandlung ein wenig von der Skepsis durch, die in der Verhandlung noch sehr viel deutlicher zu vernehmen war: dass sich mehrere Wohnungsinhaber die 17,50 Euro teilen können, während im Singlehaushalt einer allein zahlen muss. Aber am Ende verweist das Gericht auf den "weiten Gestaltungsspielraum" des Gesetzgebers.

Die Richter haben also eine pragmatische Entscheidung getroffen - und das ist auch gut so.

Denn was wäre die Alternative gewesen? Den Rundfunkbeitrag komplett für unzulässig zu erklären, stand auch nach einer strengen juristischen Lesart nie wirklich zur Debatte. Jedenfalls nicht in Karlsruhe, wo die Beitragsfinanzierung mit ihrem komplizierten System der Staatsferne ja einst zum Grundpfeiler der öffentlich-rechtlichen Sender gemacht worden war. Sehr viel näher lag nach der Verhandlung ein kleinerer Eingriff: Beitrag ja, aber eben nicht pro Wohnung, sondern pro Kopf - bei gleichzeitiger Absenkung der Beitragshöhe. Doch das hätte sich wohl erst recht wie eine allgemeine Rundfunksteuer angefühlt. Außerdem hätte das Gericht damit eine neue Diskussion um Sinn und Zweck des Rundfunks losgetreten - für ein klein wenig mehr Gerechtigkeit bei der Aufteilung von 17,50 Euro pro Monat.

Zwar kann man die ARD und noch deutlicher das ZDF mit guten Gründen wegen der Verflachung des Programms durch allzu seichte Unterhaltung kritisieren oder wegen einer kreativfeindlichen Bürokratie. Aber darum ging es in diesem Verfahren nicht, es ging allein um eine eventuelle Nachjustierung eines vergleichsweise moderaten Beitrags. Dafür eine Grundsatzdebatte anzuzetteln, das hätte niemand verstanden.

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