Megyn Kelly:Die Unbeugsame

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Die Fox-News-Moderatorin hat einen Feind: Donald Trump. Und dadurch viele: dessen Fans. Trotz Morddrohungen kämpft sie gegen Hetze und Sexismus - auch bei Lesungen aus ihrer Autobiografie.

Von Matthias Kolb

Megyn Kelly macht sich große Sorgen. Sie glaubt zwar nicht, dass Donald Trump die USA in den Abgrund führen wird, und hält den künftigen Präsidenten auch für keinen Ideologen. Aber die Starjournalistin von Fox News nennt das Verhältnis zwischen Trump und den Medien "gefährlich angespannt" und wirft ihm vor, die Wirkung seiner Worte zu unterschätzen. "Mit einem einzigen Tweet kann Trump das Leben einer Person zur Hölle machen", sagt Kelly, und das Publikum in der alten Synagoge an der Kreuzung von Sixth und I Street seufzt auf.

Kelly, 46, ist nach Washington gekommen, um ihre Autobiografie "Settle For More" vorzustellen. Darin beschreibt sie ihre Kindheit in New York, das Jurastudium und den Weg zur Moderatorin einer Talkshow bei Amerikas erfolgreichstem Kabelsender. Doch bei jedem Auftritt und in Dutzenden Interviews geht es vor allem um den Wahlkampf 2016 und die Todesdrohungen gegen ihre Person, seit Trump sie zur Feindin erklärt hat: "Ich werde seit 16 Monaten von bewaffneten Bodyguards begleitet, genau wie meine Kinder. Das ist keine angemessene Reaktion auf kritische Fragen." Großer Applaus.

Die 800 Zuhörer wissen, was 2015 bei der ersten TV-Debatte der Republikaner geschah. Kelly konfrontiert Trump damit, dass er Frauen als "fette Schweine" bezeichnet hat. Trump kontert, für "politische Korrektheit" habe er keine Zeit - und das Publikum jubelt. Tags drauf nennt er Kelly ein "journalistisches Leichtgewicht" und behauptet, sie sei nicht zurechnungsfähig gewesen: "Aus ihren Augen kam Blut, Blut kam aus ihr heraus ... woher auch immer." Trump bestreitet bis heute, auf den Menstruationszyklus angespielt zu haben, doch seine Anhänger verstehen die Botschaft: Keine Gnade für Megyn Kelly.

Dass die so offen spricht, hat mehrere Gründe. "Fox zahlt meinen Personenschutz, doch viele sind dem Online-Mob ausgeliefert", sagt Kelly. Diesen Leuten möchte sie helfen, denn die Liste der Opfer wird länger: Vor zwei Wochen wurde der Gewerkschafter Chuck Jones aus Indiana mit dem Tod bedroht, nachdem Trump ihn bei Twitter attackierte. Die Washington Post beschrieb jüngst das Martyrium einer 19-Jährigen, die Trump im Herbst 2015 eine kritische Frage stellte. Er nannte sie per Tweet eine "arrogante junge Frau", sofort tauchte ihr Foto online auf. Bis heute wird sie attackiert, mit Facebook-Nachrichten etwa, in denen ihr Gewalt angedroht wird.

"Beinahe hätte ich meinen wunderschönen Twitter-Account auf dich losgelassen", sagte Trump

Megyn Kelly scheut keine Konfrontation. Sie betont, dass die große Mehrheit der Trump-Fans keineswegs so handle, doch der Milliardär toleriere solches Verhalten. "Leider arbeitet jemand für Trump, dessen Job es ist, die Leute in den dunklen Ecken des Internet aufzustacheln und Hetze zu verbreiten. Er heißt Dan Scavino." Scavino, einst Trumps Golfcaddie, ist bis heute dessen Social-Media-Berater.

Kelly beschreibt, wie Trump sie von Herbst 2014 an umwarb. Er schickte ihr Dutzende Nachrichten, die im Buch dokumentiert sind, und versuchte, sie in seinen Privatklub Mar-A-Lago in Florida einzuladen oder Hotelrechnungen zu übernehmen. Sie lehnte ab, doch lange gehörten diese Bestechungsversuche zu den "nicht erzählten Geschichten" des Wahlkampfs. Ihre freundliche Beziehung endete abrupt, als sie in ihrer Sendung einen Reporter interviewte, der aus den Scheidungsunterlagen von Ivana Trump zitiert hatte: Darin beschuldigte seine erste Ehefrau Trump, sie vergewaltigt zu haben. Der wertete das als Kriegserklärung. Am Telefon drohte er Kelly: "Beinahe hätte ich meinen wunderschönen Twitter-Account auf dich losgelassen. Ich könnte das immer noch tun."

Nach der TV-Debatte gehen die Pöbeleien weiter, obwohl einflussreiche Konservative Trump um Mäßigung bitten. Die Passagen über dessen Impulsivität und Beratungsresistenz sind so erhellend wie beängstigend. Um ihr Privatleben zu retten, bittet Kelly im April 2016 um ein Gespräch. Das Treffen im Trump Tower verläuft skurril: Er umarmt sie zur Begrüßung und ist sehr herzlich. "Wie kann jemand so warm und freundlich sein, wenn er über Monate so ungemein wütend war?", schreibt Kelly. Eine echte Entschuldigung erhält sie nicht, aber nach einem eher zahmen Einzelinterview herrscht eine Art Waffenruhe.

Kelly ist so populär, dass "Settle for More" sofort auf Platz eins der New York Times-Bestsellerliste landete. Jeden Abend schalten Millionen The Kelly File ein, weil die Moderatorin stets bestens vorbereitet ist und jedem Gast kritische Fragen stellt. Konservative verehren Kelly, weil sie für möglichst wenig staatlichen Einfluss plädiert und verweichlichte Millennials verspottet.

Auch bei Feministinnen ist Kelly beliebt, weil sie solidarisch mit jenen Frauen ist, die sexuell belästigt wurden. Wie man heute weiß, bedrängte Fox-News-Gründungschef Roger Ailes seit 1996 jahrelang Mitarbeiterinnen und forderte Sex für Beförderungen. Wegen der fabelhaften Umsätze (2015 betrug der Profit 1,4 Milliarden Dollar Profit) galt Ailes als unantastbar. Erst als ihn die Moderatorin Gretchen Carlson im Juli wegen sexueller Belästigung verklagte, war der Damm gebrochen.

Nach einigem Zögern hat auch Kelly ihre Erfahrungen veröffentlicht. Als sie vor gut zehn Jahren bei Fox News anfing, machte Ailes zunächst nur anzügliche Sprüche ("Du hast sicher sexy BHs, ich würde dich gern in ihnen sehen"), später habe er versucht, sie zu küssen. Sie habe sich losgerissen, schreibt Kelly, einen Vorgesetzten informiert - und um ihren Job gefürchtet. Im Buch nennt sie Ailes einen "Mentor und Förderer". Als Heldin sehe sie sich nicht, sagt Kelly: "Heldinnen sind jene Kolleginnen, die gegen ihn ausgesagt haben, obwohl niemand ihren Namen und ihr Gesicht kennt. Sie haben viel mehr riskiert als ich."

Und dann ist da noch eine Frage, die Megyn Kelly auf ihrer Buchtour begleitet: Verlängert sie ihren Vertrag bei Fox News, der im Sommer ausläuft und ihr jährlich 20 Millionen Dollar einbringt? Angeblich hat ABC ihr ein Angebot unterbreitet und es heißt, CNN-Chef Jeff Zucker tue alles, um Kelly abzuwerben. Zugleich buhlen Murdochs Söhne um sie. Bei einem Branchentreffen sagte James Murdoch kürzlich, Fox News solle künftig nicht nur mit ultrakonservativen Moderatoren wie Hannity oder Bill O'Reilly assoziiert werden, sondern sich stärker durch gute Recherche profilieren. Für das Vorhaben, den Ruf des Trump-Haussenders loszuwerden, ist Kelly unerlässlich.

In der Synagoge lässt Kelly alles offen und deutet doch eine Veränderung an. Wegen ihrer Liveshow um 21 Uhr habe sie zu wenig Zeit für ihre drei Kinder, deren Aufwachsen sie nicht verpassen wolle. "Wenn mir Fox nicht entgegenkommt, muss ich eine schwierige Entscheidung treffen." Dass Geld und beruflicher Erfolg nicht alles sind, hat ihr dieses verrückte Jahr gezeigt.

© SZ vom 22.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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