Medizinmagazin "Grönemeyer":Heilloses Heft

Medizinmagazin "Grönemeyer": Die erste Ausgabe der gleichnamigen Zeitschrift des Promi-Mediziners Dietrich Grönemeyer.

Die erste Ausgabe der gleichnamigen Zeitschrift des Promi-Mediziners Dietrich Grönemeyer.

(Foto: Verlag)

Auch der bekannte Mediziner Dietrich Grönemeyer hat nun einen eigenen Zeitschriften-Titel. Anzeigenkunden dürften sich ziemlich wohl damit fühlen - der Leserschaft dürfte das Magazin eher als Einschlafhilfe dienen.

Von Werner Bartens

Dietrich Grönemeyer ist so etwas wie der Tony Marshall der Medizin. Er wirkt ausdauernd freundlich - aber ähnlich wie der heitere Schlager-Sänger geht er vielen Menschen gehörig auf die Nerven. Der Gute-Laune-Onkel der Heilkunde hat für jede Lebenslage etwas im Köcher und versucht so geschäftstüchtig wie populistisch die böse Schulmedizin mit der guten Naturheilkunde zu vereinen. Grönemeyer schreibt Bücher in großer Zahl und für alle Zielgruppen. Dementsprechend gern gesehen ist der gelernte Radiologe in Talkshows, in der Fachwelt allerdings ziemlich umstritten.

Der Nutzen seiner in diversen "Grönemeyer-Instituten" angebotenen "Mikrotherapie", bei der er unter Kontrolle von Kernspin oder Computertomografie schon mal Tumore erhitzt oder Injektionen setzt, ist nicht seriös belegt. Die fragwürdige High-Tech-Methode geht zudem oft mit einer unnötigen Strahlenbelastung einher, obwohl Doktor Tausendsassa sonst gerne die "sanfte" Medizin predigt. Das Beste, was man über die neue Zeitschrift Grönemeyer - Medizin mit Herz und Seele (Auflage: 100 000, Preis 6,90 Euro) deshalb sagen kann, ist, dass die invasiven Methoden ("micro is more") nur in einem Absatz vorkommen und zwar in der Titelgeschichte "Meine besten Rückentipps".

Dass der fidele Medikus nun deutlich verspätet auch noch auf den Trend der Promi-Zeitschriften aufspringt, verwundert nicht. Erstaunlich ist, wie vorhersehbar das Themenspektrum des ersten Heftes ausgefallen ist. Neben dem Klassiker Rückenschmerzen, denen Grönemeyer etliche Bücher gewidmet hat, fehlen Demenz, Wechseljahre und Yoga nicht. Dazu gibt es "die besten Strategien gegen Überforderung und Sorgen", den großen Stresstest und Banalitäten über "die Kraft der Liebe". Die Anzeigenkunden aus den Bereichen Homöopathie und Naturheilkunde finden ein passendes Umfeld mit Artikeln über "sanfte Therapie" und "natürliche Hilfen".

Die Themen gehen viele Menschen etwas an, das ist unbestritten. Umso erstaunlicher, wie betulich die Artikel daherkommen. Da ist nichts überraschend oder frisch; manche Texte atmen den Stil von Frauenzeitschriften der Achzigerjahre. Gerade weil die Themen seit Jahren so präsent sind, wäre mehr Originalität oder ein neuer Zugang nötig gewesen, denn Rücken, Demenz und Wechseljahre finden sich in jeder Wartezimmerpostille - und als Titelgeschichte in Focus, Stern und Spiegel, wenn den Kollegen nichts anderes einfällt.

Zudem ist das Heft ein seltsamer Hybrid. Einerseits soll es offenbar eine Zeitschrift aus der heilenden Hand von Meister Grönemeyer sein, dem der Spiegel schon vor Jahren zum "Professor Hokuspokus" ernannt hat. Am Spaltenrand tauchen deshalb ab und zu Strichzeichnungen mit dem Konterfei des Doktors auf, in denen er unter der Rubrik "Mein Tipp" besinnliche Ratschläge gibt. "Sich bewusst ernähren, bewegen und wohlfühlen ist der medizinische Triathlon, um jung alt zu werden", ist da beispielsweise zu erfahren. Andererseits wird Grönemeyer andernorts im Heft wie ein externer Kenner zitiert, so im Artikel "Magisches Moor", in dem es heißt, "auch Prof. Dietrich Grönemeyer bezeichnet sich als Moor-Fan". Beliebig ist das alles und lasch wie eine kalt gewordene Wärmflasche. Dabei lautet der Untertitel des Heftes doch "Medizin mit Herz und Seele". Etliche Artikel sind von ein und derselben Autorin verfasst worden. Der sanfte Sound ist auf Dauer ermüdend. Er hätte gut zu einem Text über Einschlafhilfen gepasst.

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