Medientage: Intendant will Kooperationen:Er will das ZDF vor der Vergreisung retten

Vision zum Abschluss: Zum letzten Mal in seiner Amtszeit wird Markus Schächter zu den Medientagen nach München reisen. Mit einer Agenda im Gepäck: Der ZDF-Intendant will mit den Privatsendern kooperieren.

Christopher Keil

Der 14. Stock beim ZDF ist ganz oben. Wenn man von unten an dem Verwaltungsturm hoch schaut, ist das Spitzenmanagement des Senders in der rechten Hälfte unterm Flachdach einquartiert. Im Eck liegt die Intendanz inklusive Vorzimmer, daneben, zur Mitte hin, trifft der Programmdirektor Entscheidungen.

Schaechter als ZDF-Intendant wiedergewaehlt

Als Markus Schächter Intendant des ZDF wurde, formulierte er nach acht Tagen eine Zielvorstellung. Während seiner Amtszeit, die im kommenden März nach zehn Jahren endet, wolle er "den Eintritt in die digitale Welt organisieren". Genau das hat Schächter getan.

(Foto: ddp)

Bald zehn Jahre arbeitet Markus Schächter im rechten Eck und sein Programmdirektor, Thomas Bellut, daneben. Im März des kommenden Jahres wird Schächter Platz machen für Bellut, den er immer als "seinen" Kandidaten für "seine" Nachfolge bezeichnet hat.

In der persönlichen Zuschreibung steckt auch die Erfahrung einer Krise, die ausgelöst wurde durch den ZDF-Verwaltungsrat. Das mit Politikern besetzte Kontrollgremium lehnte den von Schächter erneut nominierten Chefredakteur Nikolaus Brender mit der konservativen Mehrheit ab. Chefredakteur wurde dann Peter Frey. Das war die einzige Niederlage für den 2002 zum Intendanten bestimmten Schächter. Nebenbei war es auch eine Niederlage für das zur Staatsferne angehaltene öffentlich-rechtliche System.

Den Vorgang hat Schächter nicht vergessen, aber er hat sich mit seiner Ankündigung, nicht für eine dritte Amtszeit anzutreten, auch vor einer negativen Langzeitwirkung geschützt. Er formuliert das so: "Ich habe mir die Freiheit genommen zum Schluss, die Freiheit zu haben, heute zu entscheiden, was heute zu entscheiden ist." Was in die Zukunft weise, entscheide er gemeinsam: mit "seinem" Nachfolger.

Es ist ein spätsommerlicher Herbsttag auf dem Lerchenberg in Mainz. Markus Schächter hat es sich auf einem der schwarzen Ledersessel bequem gemacht, die mit einer Couch das Gäste-Ensemble seines Büros bilden. Der Bildschirmschoner seines Computers lässt weiße Wölkchen aufziehen und Mainzelmännchen hüpfen. Schächter hat noch Reste einer auf Wanderungen zugelegten Urlaubsbräune im Gesicht. Das weiße Hemd unterm schwarzen Frack ist beinahe lässig geöffnet. Neben ihm stehen in einer Vase aus Glas frische Sonnenblumen.

"Fernsehen und Netz auf einem Schirm"

Beim Stichwort Zukunft, das er, der bald aufhört, sehr schnell einführt, bildet er einen der Sätze, die für ihn so typisch sind: "Die Zukunft", sagt er, beginne erneut, diesmal "mit noch schnelleren Umdrehungen, denn die digitale Welt bewegt sich auf das Hybrid-Model zu, Fernsehen und Netz auf einem Schirm mit einer Fernbedienung - auch im Wohnzimmer: Das ist das neue Paradigma".

Er muss bei solchen Sätzen kaum Luft holen, deshalb klingen sie zum Ende leise und gepresst, was ihre Bedeutung zu unterstreichen scheint.

Schächter hat, als er Intendant wurde, nach acht Tagen eine Zielvorstellung formuliert. Um sie auch später immer wieder zu erklären, legte er sich einen Wortschatz zu, der "Fernsehen" durch "Konvergenz der Medien" ersetzte. Häufig war das, was er erklärte, sehr abstrakt, falsch war es nicht. Die Zielvorstellung lautete übrigens: "Den Eintritt in die digitale Welt organisieren". Und genau das hat Schächter getan.

Die Klarheit, mit der er - der sich ja überwiegend mit den Inhalten des Fernsehens beschäftigt hatte - von Anfang an die Technik als den Treiber rundfunkrechtlicher und struktureller Veränderungen identifizierte, ist erstaunlich. Bei allem, was für das öffentlich-rechtliche System im vergangenen Jahrzehnt von Bedeutung gewesen ist, war Schächter aktiv an den Lösungen beteiligt. Er war in Brüssel, als die EU den dualen deutsche Rundfunk überprüfte. Er war in Karlsruhe, als die Verfassungsrichter entscheiden mussten, ob der alleinige politische Wille, die Gebühren zu deckeln, im Einklang mit dem Grundgesetz steht, was nicht der Fall ist.

Begonnen hatte Schächter beim Fernsehen als Kulturredakteur bei der ARD, im Südwestfunk. 1981 kam er zum ZDF. Dort beschäftigte er sich überwiegend mit der Planung des Programms, 1998 wurde er Programmdirektor. Als Visionär neuer Medien war er bis zu seiner Intendantenwahl nicht aufgefallen, als Experte für die Digitalisierung auch nicht. Doch als die Öffentlich-Rechtlichen bald nach seinem Amtsantritt um den Zugang zum Internet kämpften gegen die Meinungsmacht privater Medienunternehmer, erfand er die griffige Formel: "Wer nicht ins Netz geht, geht ins Museum." Das ZDF war umgehend mit einer guten und vor allem funktionierenden Mediathek im Netz.

Emsiger Netzwerker

Mit einem Stipendium der Konrad Adenauer Stiftung studierte der aus der Südwestpfalz stammende Schächter die Fächerkombination Geschichte, Politik, Publizistik und Religion. Er ist wohl von Anfang an ein emsiger Netzwerker. Als ZDF-Manager bereiste er früh China und die USA, tauschte Know-how aus, knüpfte Verbindungen zur BBC und formte als Intendant aus dem Einkanalsender ZDF eine Senderfamilie mit starkem Online-Auftritt. Er sagt: "Als ehemaliger Programmplaner habe ich vielleicht früher als andere erkannt: Wer sich in der digitalen Welt nicht breit aufstellt, hat im Wettbewerb keine Chance."

Darüber, wie breit sich das ZDF aufgestellt hat mit seinen Digitalkanälen ZDF Neo, Info und Kultur wird gestritten. Die kommerziellen TV-Veranstalter sehe darin eine quasi-staatlich finanzierte Behinderung des Marktes. Und ein reiner Einkanalsender war das ZDF schon in der analogen Welt des Fernsehens nicht - es betrieb bereits mit der ARD die Ableger Arte, 3sat, Phoenix und den Kinderkanal. Doch wenn heute Fernsehmanager, Verleger, Produzenten und Gelehrte glauben, dass nur spitze Marken wahrgenommen werden in der multimedialen Angebotsvielfalt, dann zählte Schächter zu den ersten.

Zum zehnten Mal wird Markus Schächter nun an diesem Mittwoch die Münchner Medientage als Intendant bereisen. Es ist das letzte Mal, dass er das ZDF dort vertreten wird, und er kommt mit einer eigener Agenda: Er fordert Kooperationen zwischen dem öffentlich-rechtlichen und dem private Fernsehen. "Wir haben", sagt er, "nicht die Chance genutzt, ernsthaft über Zukunftsfragen zu reden. Wir sind im Hinblick auf Digitalisierung, auf Private/Public Partnership hinter anderen Ländern im Rückstand, weil wir uns in einer immer noch anachronistischen Gegnerschaft befinden. Lasst uns viel mehr probieren, etwa im Bereich von Video an Demand."

Möglicherweise ist der vernüftige Aufruf zu mehr Gemeinsamkeit auch Ausdruck einer altersmilden Haltung. Markus Schächter ist Elder Statesman des deutschen Fernsehens geworden. Seine Türen im 14. Stock des ZDF-Verwaltungsturms sind gewissermaßen geöffnet - Begegnungen nicht unerwünscht.

Natürlich ist es für ihn in diesem Augenblick leicht, auf Polemik zu verzichten, das Zusammenwirken der Kräfte zu betonen, auch mit dem Verweis auf eine unlängst gebildete Content-Allianz von ZDF, ARD und dem Verband Privater Rundfunkanbieter (VPRT), die Urheberrechtsprobleme im digitalen Fernsehraum lösen soll. Und er, der bald 62 Jahre alt wird, kann sich ja auch auf die Geschichte berufen: "Neben den wichtigen Institutionen des Staates und der Gesellschaft", erklärt er, "haben Presse und Fernsehen einen Anteil an der Stabilität des Staates." Seine Botschaft dahinter lautet: Das System ist gut, man muss er nur richtig transformieren.

Die Wirklichkeit sieht allerdings so aus, dass die Unterschiede zwischen dem öffentlich-rechtlichen und dem privaten Fernsehen eher größer werden. Man sieht es nur noch viel zu oft nicht im Programm. Die Aufgabe, öffentlich-rechtliches Digitalfernsehen in seiner Qualität zu schärfen, überlasst Schächter seinem Nachfolger. Vielleicht sind ja beide froh darüber.

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