Medienstaatsvertrag:Lizenz zum Senden

Medienstaatsvertrag: Der neue Medienstaatsvertrag soll klären, ob der Youtuber Gronkh, wenn er seine Videospielerei auf Youtube überträgt, der Lizenzpflicht unterliegt.

Der neue Medienstaatsvertrag soll klären, ob der Youtuber Gronkh, wenn er seine Videospielerei auf Youtube überträgt, der Lizenzpflicht unterliegt.

(Foto: Screenshot)

Das Volk durfte sprechen, nun liegt die zweite Version vor. Was sich für Influencer, Gamer, Medienplattformen und das Publikum ändern könnte.

Von Benedikt Frank

Er ist eines der großen medienpolitischen Vorhaben der Gegenwart: Der Rundfunkstaatsvertrag, der derzeit vor allem Radio und Fernsehen in Deutschland regelt, soll jetzt endlich dem umgekrempelten Seh- und Hörverhalten der Menschen angepasst werden. Stichwort Streaming, Podcasts und andere Netzangebote. Künftig soll er die aktuellen Bedingungen besser berücksichtigen und zum Medienstaatsvertrag werden. Vor einem Jahr öffnete die Rundfunkkommission den Entstehungsprozess dieses neuen Gesetzes. Sie veröffentlichte einen Entwurf und bat die Bürger um Beteiligung. Anfang Juli ist nun ein zweiter Entwurf erschienen, in den die Rückmeldungen eingeflossen sind.

Über 1200 Bürger sendeten vergangenes Jahr Stellungnahmen an die rheinland-pfälzische Staatskanzlei, welche die Rundfunkkommission der Länder leitet. Darunter alles von zweizeiligen Meinungen bis hin zu mehrseitigen Abhandlungen. Teils ging es darin ernsthaft um die Sache, teils nutzten Leute die Möglichkeit als Ventil für allgemeinen Medienfrust, so lassen sich die von der Staatskanzlei veröffentlichten Eingaben zusammenfassen. Auch TV-Sender, Internetgrößen wie Google, Branchenverbände und Medieninstitutionen äußerten sich.

In einer zweiten Runde darf nun wieder jeder zum aktualisierten Entwurf Stellung nehmen. Wieder sollen die Eingaben, soweit die Erlaubnis vorliegt, online veröffentlicht werden. Ab September beschäftigen sich dann die Fachleute der Staatskanzleien damit, im Herbst will man über die finale Fassung des Gesetzes entscheiden.

Wie viele Bürgerstimmen dann noch im Text des Staatsvertrags zu finden sind, ist fraglich. Im neuen Entwurf sind diese nurschwerlich auszumachen. Das ist insoweit nachvollziehbar, weil viele der veröffentlichten Bürgereingaben im launig bis empörten Ton von Onlinediskussionen gehalten sind und oft das Thema verfehlen. "Hier droht alternativen Medien durch die Hintertür Zensur!", schreibt etwa ein Bürger kurz und knapp: "Lassen Sie es!!! Ich bin dagegen!!"

Eine Sendelizenz bei einer Medienanstalt zu beantragen, kann bis zu 10 000 Euro kosten

Einzelne Bürgerbeiträge sind mehrere Seiten lange, akademische Abhandlungen, die ordentlich Paragrafen und Literatur zitieren. Doch auch diese einzelnen qualitativ höherwertigen Beiträge von Einzelnen dürften weit weniger Gewicht haben, als die von Fachleuten und Juristen erarbeiteten Statements der Verbände. Was die Staatskanzlei von den unverbindlichen Vorschlägen als Anregung aufgreift, ist ihr und den Ländern überlassen. In vielen Punkten scheint die Rundfunkkommission nun den Wünschen der Landesmedienanstalten an den Medienstaatsvertrag gefolgt zu sein, sie müssten schließlich über die Einhaltung des neuen Gesetzes wachen.

Ein wichtiger Punkt ist die Frage, ab wann Videostreamer eine Rundfunklizenz benötigen. Nach aktueller Gesetzeslage bräuchte nämlich beinahe jeder eine, der live nach einem Programmplan sendet, das heißt: es genügt, einen Livestream anzukündigen, um lizenzpflichtig zu sein. Und das ist keine Kleinigkeit: Eine solche bei einer Landesmedienanstalt beantragte Lizenz kann bis zu 10 000 Euro kosten. Bisher wurde das nicht mit letzter Konsequenz verfolgt. Wellen schlugen Fälle wie der des Youtubers "Gronkh". Der überträgt seine Videospielerei nach einigem Hin-und-her heute ganz offiziell mit Rundfunklizenz ins Netz.

Aber auch viel weniger prominente Streamer müssten sich nach der aktuellen Gesetzeslage spätestens dann um die Lizenz bemühen, wenn eine Medienanstalt sie dazu auffordert. Laut dem aktuellen Entwurf sollen zukünftig zwei Kriterien die Zulassungspflicht einschränken: Ein Angebot erreicht durchschnittlich weniger als 20 000 Nutzer gleichzeitig oder das Programm entfaltet "nur geringe Bedeutung für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung".

Das lässt viel Raum für Interpretationen. Im Zweifel sollen die Medienanstalten die Zulassungsfreiheit bestätigen, in jedem Fall aber müssten Streamer bei den Anstalten eine Adresse hinterlegen. Die Konsequenz: Nach dem neuen Medienstaatsvertrag bräuchten kleine Streamer mit wenigen Zuschauern oder zu banalen Inhalten in der Regel keine Rundfunklizenz mehr, wer sich wie Gronkh mit entsprechender Reichweite professionalisiert allerdings schon - zumindest dann, wenn man kommentiertes Videospielen für ausreichend meinungsrelevant hält.

Die Medienanstalten haben wohl künftig mehr Möglichkeiten, Bußgelder zu vergeben

Auch sind die Zuständigkeiten der Medienanstalten jetzt expliziter benannt und ihre Möglichkeit, Bußgelder zu vergeben, ist erweitert, etwa wenn Informationspflichten nicht nachgekommen wird. Letzteres dürfte vor allem für Medienplattformen und sogenannte Intermediäre - gemeint sind etwa Suchmaschinen und Social Media - Auswirkungen haben. Denn der Medienstaatsvertrag will mit seinen Regelungen auch Google, Facebook und Co. zu mehr Transparenz zwingen. Die Internetriesen müssten dann erklären, wie ihre Algorithmen funktionieren.

Neu ist überdies, dass die Zuständigkeit des Staatsvertrags für Video-Sharing-Anbieter explizit genannt wird. Die Definitionen des ersten Entwurfs hätten ohne diese Ergänzung wohl eine Lücke gelassen, durch die etwa Youtube nicht betroffen gewesen wäre. Vor dem Hintergrund, dass immer wieder vor Gericht um Schleichwerbevorfwürfe gegen followerstarke Influencer gestritten wird, stellt der Entwurf ausdrücklich fest, dass eine Produktplatzierung, die stets kennzeichnungspflichtig ist, bezahlt sein muss und sie nicht nur in Sendungen, sondern auch nutzergenerierten Videos vorkommen kann.

Außerdem enthält der Entwurf noch einen Vorschlag, der den Medienanstalten erlauben würde, journalistische Angebote "zur Sicherung der lokalen und regionalen Medienvielfalt" finanziell zu fördern. Künftig wäre demnach also auch erlaubt, dass kommerzielle private Anbieter unter bestimmten Umständen Gelder aus den Rundfunkbeiträgen für ihr Programm erhalten.

Die Rundfunkkommission sammelt nun weitere Eingaben per Mail bis zum 9. August. Bis zum Ende des Jahres soll der Medienstaatsvertrag dann abgestimmt und beschlossen werden. Kein leichtes Unterfangen: Alle 16 Bundesländer müssen zustimmen. Gesetz werden könnte der Medienstaatsvertrag dann im Sommer 2020, gerade noch pünktlich, um eine Frist zur Umsetzung der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste einzuhalten.

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