Medienrecht:Dauerbaustelle

Ob Live-Streaming auf Youtube, Jugendschutz oder Kontrolle von zu viel Meinungsmacht: Fünf Fälle, in denen die Mediengesetze der digitalen Welt nicht gerecht werden.

Von Karoline Meta Beisel und Christoph Fuchs

Presseähnlich?

Seit Jahren tobt der Streit, was die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Internet dürfen. Jedenfalls nichts, was den Angeboten der Verlage nahe kommt, sagen die Verleger; so viel wie nötig, um ihren oft zitierten "Auftrag" zu erfüllen, sagen die Anstalten. Aber was ist eigentlich der Auftrag von ARD und ZDF im Netz? Paragraf 11d des Rundfunkstaatsvertrags soll das eigentlich klären, aber Verlage und Sender streiten trotzdem dauernd. Vor allem um eine Formulierung in Paragraf 11d, nach der "nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote" nicht zulässig sind. Viele Verlage sehen textlastige Angebote von ARD und ZDF generell kritisch. Sie finden, vor allem die ARD mache ihnen im Netz zu viel Konkurrenz, auch wenn einige Rundfunkanstalten schon angekündigt haben, dort künftig weniger geschriebene Texte zu publizieren. Um die Frage der Presseähnlichkeit geht es auch bei dem schon seit Jahren andauernden Rechtsstreit um die Tagesschau-App; als Nächstes muss das Bundesverfassungsgericht in dieser Sache entscheiden. Andere Streitpunkte beim sogenannten "Telemedienauftrag" sind, wie lange Sendungen in den Mediatheken vorgehalten werden sollen, oder ob ARD und ZDF auch Programm für Plattformen wie Youtube oder Facebook produzieren dürfen. Über all diese Fragen wollen die Länder, die für das Rundfunkrecht zuständig sind, in der kommenden Woche in Berlin verhandeln. kmb

Jugendschutz

Fragt ein Kind, ob es "fernsehen" darf, kann damit vieles gemeint sein: Eine DVD einlegen, streamen oder tatsächlich das, was in der Fernsehzeitung steht. So egal den Kindern ist, woher die Inhalte kommen - für den Jugendschutz ist es das nicht. Der ist ein Beispiel für zersplitterte Kompetenzen im Medienrecht: Im Jugendschutzgesetz, einem Bundesgesetz, geht es um das, was in schönstem VHS-Kassetten-Sprech "Trägermedien" heißt, also heute etwa Filme auf DVD. Für privaten Rundfunk hingegen sind die Länder mit ihrem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag zuständig. Hinzu kommt noch eine EU-Richtlinie, die für audiovisuelle Medien wie das Fernsehen gewisse Mindeststandards vorschreibt. Ein ziemliches Wirrwarr, weshalb Norbert Schneider, der ehemalige Direktor der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, kürzlich forderte, die Medienaufsicht ganz neu zu sortieren. Dass diese immer noch auf Länderebene beginnt, hält er für überholt, da die Digitalisierung global stattfindet. Weil aber die Angst vor Kompetenzverlust groß ist, sind Reformprozesse langwierig. Für den Jugendschutz bedeutet das: Jede Film-DVD, die frei verkauft werden soll, muss vorher eine FSK-Altersfreigabe erhalten. Für Filme und Serien des US-Konzerns Netflix gilt das nicht: Die können in Deutschland mangels Befugnis von der Kommission für Jugendmedienschutz nicht geprüft werden. CHFU

Rundfunklizenz für Live-Streamer

Die Bild-Zeitung soll sich um eine Rundfunklizenz bemühen. Klingt erst mal fernliegend: Eine Sendelizenz für ein Printprodukt? Genau das aber fordert die zuständige Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Konkret geht es um mehrere Live-Streaming-Formate, die Bild im Netz anbietet. Wenn sich Springer dafür keine Genehmigung holt, will die Medienanstalt die Angebote untersagen. In anderen Bundesländern wurden auch Youtuber und Gamer, denen andere im Netz beim Computerspielen zuschauen, schon als Rundfunkanbieter eingestuft. Dem Gesetz nach ist das nicht abwegig: Demnach veranstaltet Rundfunk jeder, der sich mit einem Live-Angebot an die Allgemeinheit richtet und Inhalte entlang eines Sendeplans verbreitet. Zeitgemäß ist das nicht. Ursprünglich ging es bei der Lizenz ja darum, das Publikum vor missbräuchlicher Beeinflussung zu bewahren. Diese Gefahr besteht aber längst nicht bei allen Angeboten im Netz - dafür aber unabhängig davon, ob sie nun live oder auf Abruf verbreitet werden. Das wissen auch die Medienanstalten, die in den Fällen der Live-Streamer für eine bloße Anzeigepflicht plädieren. Sie müssen aber mit den vorhandenen Gesetzen arbeiten, und die sehen nun mal ein Zulassungsverfahren vor. Bei Bild könnte man zwar überlegen, ob etwa das Talkformat "Die richtigen Fragen" einem klassischen Rundfunkangebot nicht jedenfalls nahekommt. Andererseits: Würde so eine Lizenzpflicht nicht auch mit der Pressefreiheit kollidieren? Bild jedenfalls will keine Lizenz beantragen - und den Streit notfalls vor Gericht klären lassen. kmb

Schleichwerbung

Werbung, das war einmal das, was zwischen den Mainzelmännchen stattfand. Dort war sie als solche auch noch gut erkennbar. Das ist bei sogenannten Influencern schon anders, wenn sie in Videos auf ihren Kanälen bei Youtube, Instagram und Co. ihrem meist jungen Publikum zeigen, was sie sich zuletzt gekauft haben - oder doch kostenfrei vom Hersteller geschickt bekommen haben, vielleicht sogar mit einer finanziellen Belohnung oben drauf? Wer das verschweigt, betreibt Schleichwerbung. Dagegen gibt es grundsätzlich eine gesetzliche Handhabe - nur hielten sich die Landesmedienanstalten mit Sanktionen lange zurück. Inzwischen ändert sich das, wie ein Bußgeld von 10.500 Euro gegen den Fitness-Influencer "Flying Uwe" zeigt, das die Landesmedienanstalt von Hamburg und Schleswig­Holstein verhängte, weil es an Werbe-Kennzeichnung mangelte. Hätte "Flying Uwe" allerdings nicht via Youtube, sondern via Instagram ungekennzeichnet geworben, wo er wie die meisten Influencer ebenfalls aktiv ist, hätte er sich das Bußgeld sparen können. Weil die Video-Sequenzen bei Instagram kürzer sind als bei Youtube, fällt es im Rundfunkstaatsvertrag nicht in die Kategorie eines "rundfunkähnlichen Telemediums", sondern eines "einfachen Telemediums". Und bei einfachen Telemedien sind Verstöße nicht bußgeldbewehrt. Auch wenn die Wirkung aufs Publikum dort nur wenig anders sein dürfte. CHFU

Meinungsmacht

Ist die größte Gefahr für die Meinungsvielfalt in den Medien ein Zusammenschluss von RTL und Sat 1? Daran kann man zweifeln in Zeiten, in denen jede Änderung des Facebook-Algorithmus für Aufregung sorgt. Trotzdem findet Medienregulierung bis heute unter der Annahme statt, dass das absolute Leitmedium Fernsehen die Meinungen bestimmt. Als wäre 1997 die Zeit stehen geblieben. Da nämlich wurde die KEK gegründet, die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich. Dass sie immer noch mit alten Maßstäben arbeiten muss, stört die KEK selbst am meisten. Weshalb sie den Ländern, die eine Reform beschließen müssten, ein "Gesamt-Meinungsmarkt-Modell" vorgeschlagen hat. Sie will weg vom Rundfunkfokus bei der Beurteilung der Frage, ob ein Medium zu viel Meinungsmacht ansammelt. Das Problem reicht aber tiefer: Das Gesetz geht bis heute davon aus, es müsse nur sicherstellen, dass genug Informationsvielfalt veröffentlicht wird. Tatsächlich aber gibt es im Internet eine Flut an Inhalten, weshalb die Frage heute ist: Kommt die Vielfalt beim Bürger an? Dafür spielen Suchmaschinen und soziale Netzwerke als Inhalte-Vermittler (sog. Intermediäre) eine überragende Rolle. Die Länder diskutieren über Wege, die Intermediäre in den Griff (also in den Rundfunkstaatsvertrag) zu bekommen: Wie lässt sich verhindern, dass einzelne Intermediäre zu mächtig werden? Und wie stellt man sicher, dass sie transparent und neutral auswählen, welche Inhalte sie anzeigen? Chfu

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