Medienoffensive in China:Rabatz vom himmlischen Frieden

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Mao aus der Flüstertüte: China investiert Milliarden in fremdsprachige Medien, um das Bild einer friedlichen, blühenden Nation zu verbreiten

Timofey Neshitov

Glaubt man dem chinesischen Sozialwissenschaftler Huang Ping, hat das Land nur noch eines seiner drei Probleme - seiner "drei Leiden" - zu beseitigen, dann sind Glück und Harmonie erreicht: die Verleumdung der Kommunistischen Partei Chinas im Ausland. Um die anderen zwei Probleme haben sich bereits die Gründungsväter der Volksrepublik gekümmert: Mao Zedong sorgte dafür, dass keine Fremdmächte mehr China drangsalieren können, und Deng Xiaoping löste das Hungerproblem.

Nach dem Willen des Staatschefs Hu Jintao soll das Monopol der westlichen Meinungsmacher nun gebrochen werden. (Foto: Foto: AFP)

Das staatstragende Konstrukt der "drei Leiden" zirkuliert nicht nur in Regime-nahen Denkfabriken, es dient vielen chinesischen Medien als Welt-Erklärungshilfe. Vor allem seit dem Aufstand der Tibeter im März 2008 und dem katastrophalen olympischen Fackellauf wird ausländische Kritik an chinesischen Apparatschiks nicht mehr als lästige Nörgelei abgetan, die man dem eigenen Inlandspublikum möglichst erspart. Sie wird als Kampfschrei des Westens im letzten Gefecht um Chinas Weltmachtstellung gedeutet und dem heimischen Publikum in gut sortierten Ausschnitten serviert.

Am vergangenen Wochenende startete testweise CNC (China Xinhua News Network), eine Art chinesisches CNN. Das englischsprachige Programm soll offenbar aus Bangkok oder Singapur senden und von 1. Juli an rund um die Uhr für eine bessere Sicht auf China und seine Neo-Maoisten sorgen. CNC-Präsident Li Congjun sprach bei der Eröffnungsfeier von einer alternativen Informationsquelle für ein weltweites Publikum.

Frust der chinesischen Führung

Schon vor zwölf Monaten wandte sich das stattliche Fernsehen CCTV (China Central Television) mit einem arabischsprachigen Kanal an ungefähr 300 Millionen Menschen in 22 Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas.

Zu den Lieblingsfeinden, mit denen sich Chinas KP regelmäßig beschäftigt, zählt die New York Times. Michael Wines, Bürochef der Times in Peking, kann den Frust der chinesischen Führung zum Teil nachvollziehen: "Wir berichten überdurchschnittlich viel Negatives. Menschenrechtsverletzungen, Korruption, Umweltverschmutzung. Wir würden gerne mehr über die Kultur schreiben - aber wir kommen einfach nicht dazu! Wenn Sie aus Detroit berichten, müssen Sie ja auch zuerst einmal über Autos schreiben."

Die heutige Medienpolitik des chinesischen Regimes hat doppelten Boden. Einerseits kultivieren staatliche Zeitungen und Sender Feindbilder, die dem Normalchinesen suggerieren, China sei umzingelt. Andererseits hat China kürzlich eine milliardenschwere Kampagne gestartet, die das Bild von einem friedlichen, prosperierenden Land liefern soll, das mit sich und der Welt im Reinen ist.

Das mag widersprüchlich erscheinen, aber beide Propaganda-Richtungen dienen dem selben Zweck: dem Machterhalt der Kommunistischen Partei, die sich dem amerikanischen China-Kenner David Shambaugh zufolge permanent zwischen "Atrophie und Adaption" wieder erfinden muss, zwischen Schwund und Anpassung.

Auslandspropaganda gab es schon zu Maos Zeiten, damals nach sowjetischer Schule. Radio Beijing beglückte die Welt mit der Aufzählung aller Tugenden des großen Vorsitzenden. Erst nach der Öffnung Chinas Ende der siebziger Jahre kümmerten sich die Parteistrategen um die Ausbildung von Journalisten, die, anstatt chinesische Zeitungen zu übersetzen, selbst in fremder Sprache schreiben konnten.

"Das Mikro schnappen"

1989, nach dem Massaker am Platz des Himmlischen Friedens, begann eine neue Ära: Deng Xiaoping heuerte die internationale PR-Firma Hill und Knowlton an, um den Imageschaden zu begrenzen. Kurz darauf wurde das State Council Information Office (SCIO) gegründet, eine Zensur- und Koordinierungsbehörde. Sie sollte "China als ein im Reformprozess begriffenes, stabiles Land" zeigen, ein Land, das "sich um seine Bevölkerung mit den vielen Minderheiten kümmert und das alles tut, um die Armut zu bekämpfen". Die Ziele gelten bis heute. Der einzige Erfolg des SCIO besteht darin, den Wirtschaftsaufschwung Chinas als große Chance für ausländische Investoren zu promoten.

Nun aber soll nach dem Willen des Staatschefs Hu Jintao endlich das Monopol der westlichen Meinungsmacher gebrochen werden. "Das Mikro schnappen", heißt Jintaos Vorhaben im Pekinger Journalistenjargon. Seit 2009 investiert China Milliarden in die Gründung fremdsprachiger Medien. Selbst die heimische Nachrichtenagentur Xinhua wird zu einem globalen, mehrsprachigen Imperium ausgebaut, das Redaktionen von Kinshasa über Amman bis Rio beliefert und dazu eigene Fernsehbeiträge produzieren soll. Der Staatssender CCTV funkt längst auch auf Englisch, Spanisch, Französisch, Russisch und Arabisch, soll aber weiter expandieren. Radio China International, der Nachfolger von Radio Beijing, kann heute in 53Sprachen empfangen werden. Und auf dem Printmarkt hat sich zur offiziellen China Daily ein weiteres englischsprachiges Blatt gesellt: The Global Times.

Laut South China Morning Post (Hongkong) muss die Partei diesen Propaganda-Sprung in den nächsten Jahren mit 45Milliarden Yuan bezahlen, das sind rund 5,1 Milliarden Euro.

Geldverschwendung, meint eine erfolgreiche chinesische Medienmanagerin aus Peking, die aus Sorge um ihre Tätigkeit anonym bleiben will. Das Problem sei die Qualität der neuen Medien, die trotz üppiger Ausstattung nicht professionellen Journalismus betreiben dürften. Über die neuen Kanäle würden weder saubere Nachrichten noch attraktive Werte transportiert: "China hat der Welt momentan außer kaltem Materialismus keine Botschaft zu vermitteln, da können die noch so viel Geld in neue Propaganda-Outlets pumpen. Leere Worte über Harmonie, Respekt, Liebe, und dazu ein bisschen Konfuzius und chinesische Küche werden das Image Chinas nicht aufhübschen."

Li Changchun, oberster Propaganda-Ideologe des Landes, ist da anderer Meinung. Das mächtige Politbüro-Mitglied sagte anlässlich des 50. Jubiläums des Staatsfernsehens: "Kommunikationskapazitäten bestimmen den Einfluss." Die Nation "mit den besten Kommunikationsmethoden" kann laut Li "ihre Kultur und Grundwerte am weitesten verbreiten". Es gelte, im Kampf um die Aufmerksamkeit des internationalen Publikums "die eigene Soft Power zu steigern". Also, egal welche Botschaft, Hauptsache laut und auf möglichst vielen Kanälen?

"Gegenseitiger Respekt ist wichtig"

Kürzlich versuchte die Deutsche Botschaft in Peking, die Soft-Power-Strategie der chinesischen Regierung besser zu begreifen und organisierte einen runden Tisch, an dem unter anderem Zheng Yannong teilnahm, Generalsekretär der China International Public Relations Association. "Man darf andere nicht zwingen, die eigenen Werte zu akzeptieren", sagte Zheng. Und: "Egal wie stark ein Land entwickelt ist, gegenseitiger Respekt ist wichtig." Auch der stellvertretende Präsident der Konfuzius-Institute, die die chinesische Kultur in die Welt transportieren sollen, konnte die Frage nach der Soft Power nicht wirklich beantworten. Seine Ausführungen führten im Ergebnis zu den "fünf wichtigsten chinesischen Klassikern".

Han Han, der meistgelesene Blogger des Landes, hat für den "Klassikerexport" nur Spott übrig. Es sei wie bei einem Verlobungsgespräch: "Die Familie der Braut fragt dich, ob du reich bist, und du sagst: Meine Vorfahren vor 18 Generationen waren sehr reich."

© SZ vom 06.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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